Pathys Stehplatz (36) – Was der Klassikbetrieb von Billy Joel lernen kann

Billy Joel © Myrna Suárez

Klassik und Pop. Beides einfach nur Musik, könnte man meinen. Doch da gibt es Unterschiede. Betrachtet man das Zuschauerinteresse, teilweise sogar enorme, Billy Joel im Hyde Park in London – 65.000 Tausend Zuschauer. Brooklyn Rider, ein Streichquartett, in der Londoner Wigmore Wall – überschaubare 300 Besucher, wenn es hochkommt. Der Grund ist vermutlich lapidar.

von Jürgen Pathy

„Oh, oh, oh, for the longest time“, grölt ein Pärchen, das sich in einer Fahrrad-Rikscha durch die Londoner Innenstadt karren lässt. Die Straße ist leergefegt von Autos. Fast schon wirkt es so, als habe man extra wegen des Billy-Joel-Konzerts die Zufahrten rund um den Londoner Hyde Park gesperrt. Dort hat der US-amerikanische Sänger, Pianist und Songschreiber kurz zuvor sein einziges Europakonzert gegeben. Sonst spielt er generell nur in den USA. Die Uhrzeit: Es ist ca. 11.30 p.m Greenwich mean time (GMT). Das heißt spät in der Nacht.

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klassik-begeistert.de, 19. Juli 2023“
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Evgeny Kissin verzaubert noch immer

Foto: 2019 in Essen © Sven Lorenz

Der Klavierabend in Wuppertal darf getrost als Sternstunde bezeichnet werden 

Wuppertal, Historische Stadthalle, 27. Juni 2022

Klavier-Festival-Ruhr
Evgeny Kissin

Johann Sebastian Bach (1685-1750) – Toccata und Fuge in d-Moll, BWV 565 (Bearbeitung für Klavier von Carl Tausig)

Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) – Adagio in h-Moll, KV 540

Ludwig van Beethoven (1770-1827) – Klaviersonate Nr. 31 in As-Dur, op. 110

Frédéric Chopin (1810-1849) – Mazurken opp. 7/1, 24/1, 24/2, 30/1, 30/2, 33/3, 33/4; Andante spianato et Grande Polonaise Brillante in Es-Dur op. 22

 von Brian Cooper

Dies wird wohl eine ziemlich persönliche Kritik, denn es geht um einen Pianisten, der in meinem musikalischen Leben eine ziemlich wichtige Rolle spielt. Niemandem bin ich so häufig nachgereist, und niemand hat mich am Klavier so oft so sehr bewegt, beeindruckt und begeistert wie Evgeny Kissin. („Klassik begeistert“ eben, der Kalauer sei erlaubt.) Neutralität gibt es hier also nicht, die Leserschaft sei gewarnt.

Gut in Erinnerung ist mir meine jugendliche Empörung ob der Aussage eines Bekannten, der zwar zu allem eine Meinung hat, was mit Musik zu tun hat, aber irgendwie nie im Konzertsaal zu sehen ist, und der den damals etwa 20jährigen Kissin herablassend als „begabten Jungen“ abtat.

Dieser begabte Junge hat im zarten Alter von 13 mal eben beide Chopin-Konzerte eingespielt, und ich wurde Zeuge, wie der Dirigent von damals, Dmitri Kitajenko, Jahrzehnte später beim Signieren des Booklets dieser RCA-Aufnahme glänzende Augen bekam.

Ich habe mal nachgeschaut und auf Anhieb ein Programmheft gefunden: Am 28. Februar 1998 gab Kissin in der National Concert Hall in Dublin einen Klavierabend (Eintrittspreis: 13 Pfund 50), der mit der h-Moll-Sonate von Liszt endete. Nach dem Konzert sprach meine Dubliner Freundin folgende Worte, die mir noch heute nachklingen: „I felt that I was in the presence of a genius.“

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Wuppertal, Historische Stadthalle, 27. Juni 2022“
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Zwischen Tod und Leidenschaft: Werke von Schönberg, Saint-Saëns und Ravel flirren in der Elbphilharmonie

Photos: Sophie Wolter

Elbphilharmonie, Großer Saal, 12. Juni 2022

9. Philharmonisches Konzert

Arnold Schönberg
Pelleas und Melisande / Sinfonische Dichtung op. 5

Camille Saint-Saëns
Danse macabre / Sinfonische Dichtung g-Moll op. 40

Maurice Ravel
Tzigane / Konzertrhapsodie für Violine und Orchester
La valse / Poème chorégraphique für Orchester

Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Frank Beermann, Dirigent
Arabella Steinbacher, Violine

von Dr. Andreas Ströbl

Eine schwül-impressionistische Atmosphäre prägt die Werke des 9. Philharmonischen Konzerts am 12. Juni 2022 in der Hamburger Elbphilharmonie. Und so erwartete das Publikum im Großen Saal ein Spannungsbogen zwischen Leidenschaft und Morbidität.

Arnold Schönbergs Tondichtung „Pelleas und Melisande“ nach dem Schauspiel von Maurice Maeterlinck gibt einer tragischen Liebesgeschichte, die mit dem Tod der Protagonisten endet, einen rauschhaften, stellenweise beklemmenden Ausdruck. Der Komponist stand damals – wie viele andere Kunstschaffende – unter dem Einfluss der sinnlich-überladenen, symbolistischen Dichtung von Stefan George und so nimmt es nicht wunder, dass Richard Strauss eine Überladenheit auch Schönbergs Frühwerk attestierte. In seinem Gemenge aus Geheimnis und höchster Emotionalität entspricht aber gerade dieses Tongemälde kongenial dem literarischen Vorbild.

Die Interpretation des Dirigenten Frank Beermann allerdings geriet eher hanseatisch trocken. Der „Gott der südlichen Zonen“, wie Gustav Mahler sich ausgedrückt hätte, hielt sich vor allem zu Beginn hier im Hintergrund und das oszillierende Flirren, das dieser Musik in ihrem immer wieder zögernden Vorantasten und Innehalten bis zur ekstatischen Steigerung innewohnt, geriet zuweilen etwas breiig und wenig differenziert. Die spätromantische Treibhausstimmung stellte sich erst zum Ende dieser Musik mit ihren aufwogenden Ausbrüchen und zauberisch-innigen Momenten ein. Diese Komposition endet nicht in einem dramatischen Finale, sie erstirbt – ebenso wie die erschütterte Mélisande nach dem Mord an ihrem Geliebten. „9. Philharmonisches Konzert, Frank Beermann, Dirigent, Arabella Steinbacher, Violine
Elbphilharmonie, Großer Saal, 12. Juni 2022“
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Das Kammerkonzert der StipendiatInnen der NDR Akademie überzeugt begeisterte Zuhörer

Foto: StipendiatInnen der NDR Akademie; Foto Patrik Klein

Rolf Liebermann Studio Hamburg, 29. Mai 2022

Mozart, Anderson und Tschaikowsky erklangen im Rolf Liebermann Studio

von Patrik Klein

Die Akademie des NDR Elbphilharmonie Orchesters Hamburg feierte in diesen Tagen ihr zehnjähriges Jubiläum. Klassik-begeistert berichtete bereits ausführlich und interviewte die Hornistin Lucie Krysatis und den Geschäftsführer der Akademie Jens Plücker.

Den Link zu dem bereits erschienenen Artikel finden sie hier:

Interview NDR Akademie, Lucie Krysatis und Jens Plücker Klassik – Klassik begeistert (klassik-begeistert.de)

Wie man auch diesem Artikel entnehmen kann, gibt es einmal im Jahr ein Kammerkonzert der StipendiatInnen der Akademie. Das Konzert fand nun am 29. Mai 2022 im Rolf Liebermann Studio Hamburg statt.

Auf dem Programm standen Werke von Wolfgang Amadeus Mozart, Dave Anderson und Peter Tschaikowsky. Diese Werke wurden eigens von den StipendiatInnen ausgesucht und mit einem der Mentoren, Jens Plücker, gemeinsam einstudiert. Die Moderation des live im NDR Kultur Radiosender übertragenen Konzertes übernahmen Petra Rieß und Stephan Sturm mit Leidenschaft und einer Portion Humor. Zwischen den musikalischen Leckerbissen wurden AkademistInnen und Mentoren über ihre Rolle und Zukunftspläne befragt. „Kammerkonzert der StipendiatInnen der Akademie des NDR Elbphilharmonie Orchesters
Rolf Liebermann Studio Hamburg, 29. Mai 2022“
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