Die Staatsoper Hannover zeigt eine interessante Version von Boitos Oper Mefistofele

Foto: Zuschauerraum der Staatsoper Hannover und James Hendry, Erster Kapellmeister (Foto: RW)

Sagt uns der Inhalt von Goethes Dichtungen Faust 1 und Faust 2 heute überhaupt noch etwas, abgesehen vom Gretchendrama? Hat der Kampf zwischen Himmel und Hölle, der in Boitos Oper den Hauptteil einnimmt, für uns noch Aussagekraft?

Mefistofele
Oper von Arrigo Boito (1842 – 1918)
Libretto vom Komponisten, nach Goethes Faust

Chor der Staatsoper Hannover,
Extrachor der Staatsoper Hannover,
Kinderchor der Staatsoper Hannover,
Statisterie der Staatsoper Hannover,
Niedersächsisches Staatsorchester Hannover
James Hendry, Musikalische Leitung

 

Staatstheater Hannover, Opernhaus 5. November 2022

 

von Dr. Ralf Wegner

Hannover kann sich gratulieren, mit James Hendry einen so versierten, die Effekte liebenden Ersten Kapellmeister engagiert zu haben. Wie bereits gestern im Ballett erlebt, führte er auch heute das Niedersächsische Staatsorchester wieder zu einer herausragenden Leistung. Zudem hat das Hannoversche Opernhaus eine gute Akustik mit durchsichtigem, fast stereophonem, warmem Klang. „Mefistofele, Oper von Arrigo Boito
Staatstheater Hannover, Opernhaus 5. November 2022“
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Good bye, Bayreuth!

Foto: © Matthias Creutziger

Christian Thielemanns letzter Lohengrin auf dem Grünen Hügel

Bayreuther Festspiele, Festspielhaus, 22. August 2022

Richard Wagner, Lohengrin

von Kirsten Liese

Der 22. August 2022 markiert ein besonderes Datum in der Geschichte der Richard Wagner Festspiele: An diesem Tag ging die letzte Aufführung des Lohengrin unter Christian Thielemanns Leitung über die Bühne, eine herausragende, nicht zu überbietende. Zudem war dies der vorerst letzte Auftritt des genialen Dirigenten an diesem Ort überhaupt. 2023 wird Christian Thielemann nicht in Bayreuth dirigieren, wie ich auf Nachfrage im Pressebüro erfuhr. Er feiert dann Jubiläum in Dresden.

Über die weitere Zukunft lässt sich schwer spekulieren. Jedenfalls ist der beste Wagnerdirigent jetzt erstmal weg. 22 Jahre (!) lang bescherte er ohne Unterbrechung Bayreuth die saisonalen Höhepunkte, angefangen von seinen so unvergesslich tollen Meistersingern in der Inszenierung von Wolfgang Wagner bis zu dem ganz in Blautönen gehaltenen Lohengrin, dem unwiderstehlich leisesten, den ich je gehört habe. „Richard Wagner, Lohengrin
Festspielhaus, 22. August 2022“
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Oper und Krieg oder: die Provinz hat zugeschlagen Verdi statt Tschaikowski – Russen dürfen jetzt nicht sein

Foto: Ania Jeruc, Mikheil Sheshaberidze, Chöre, Statisterie / Bild: Xiomara Bender

Sind die St.Galler noch bei Trost? Wie kommen sie dazu, Tschaikowski, den zweifellos bedeutendsten russischen Komponisten des 19. Jahrhunderts, für die Untaten des russischen Autokraten Putin zu bestrafen?

17. St. Galler Festspiele, 24. Juni 2022 PREMIERE

Giovanna d’Arco
Oper von Giuseppe Verdi


von Dr. Charles E. Ritterband

Die idyllische nordostschweizerische Kleinstadt St.Gallen – für viele Jahre meine Heimat – hat einiges zu bieten: Die weltberühmte Kathedrale und die barocke Stiftsbibliothek (Unesco Weltkulturerbe), die illustre Universität (meine Alma Mater), Textil- und Spitzentradition von Weltruf und ein hervorragendes Stadttheater, an dem unter anderem Verdis „Attila“ erstmals nördlich der Alpen aufgeführt wurde. Wenig mehr als eine halbe Autostunde von Bregenz entfernt mit seinen großen Opern auf der Bodenseebühne leistet sich St.Gallen bereits zum 17. Mal jeweils im Juni seine eigenen Opern-Freilichtfestspiele vor der grandiosen Fassade der Kathedrale.

Doch diesen Sommer war etwas anders: Geplant gewesen wäre eigentlich die Aufführung der eher selten inszenierten Tschaikowski-Oper „Die Jungfrau von Orléans“ aus dem Jahr 1879. Doch zwei Monate vor der Premiere haben die St.Galler die russische durch die italienische Oper „Giovanna d’Arco“ von Verdi ersetzt, welche sich demselben Thema widmet: dem Befreiungskampf der Franzosen gegen die Engländer im Hundertjährigen Krieg gegen die englische Besetzungsmacht unter Führung der 17jährigen, jungfräulichen Ioanna, „Jeanne d’Arc“. „17. St.Galler Festspiele, Giuseppe Verdi, „Giovanna d’Arco“
24. Juni 2022 PREMIERE“
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Haydns L’Infedeltà delusa: musikalische Energieexplosion in München

Foto: Cuvillies_Theater_Muenchen, de.wikipedia.org

Cuvilliés-Theater, München, 19. März 2022

Joseph Haydn L’Infedeltà delusa

Bayerisches Staatsorchester
Giedrė Šlekytė   Musikalische Leitung

Cembalo   Michael Pandya

von Frank Heublein

An diesem Abend wird im Cuvilliés-Theater in München L’Infedeltà delusa von Joseph Haydn aufgeführt. Es ist die Premiere der alljährlichen Produktion des Opernstudios, der Talentschmiede der Bayerischen Staatsoper. Alle Sängerinnen und Sänger des Abends sind in ihrer ersten Spielzeit im Opernstudio. In bester Tradition steht die Dirigentin Giedrė Šlekytė erstmals einer Neuproduktion der Bayerischen Staatsoper in München vor. Denn als „musikalische Assistentin“ von GMD Vladimir Jurowski, so ihre offizielle Bezeichnung, ist die Opernstudiopremiere ihre Produktion.

Wie irritierend für mich ihre Bezeichnung ist, zeigt die Litauerin Giedrė Šlekytė an diesem Abend. Joseph Haydn hat diese Oper für Schloss Esterháza komponiert. Das Orchester ist klein: je zwei Oboen, Fagotte, Hörner und Trompeten, Pauke, Cembalo und Streicher. Šlekytė entwickelt mit ihrem Orchester eine Wahnsinnspower. Energetisch aufgeladen vom ersten bis zum letzten Ton. Hochspannung. Stets präzise. Immer unter den Sängerinnen und Sängern und zugleich großartig präsent. Das Orchester, die Dirigentin erfüllen mein Ohr und Herz mit großem Vergnügen und Glücksgefühlen. Ich kann mich zu keiner Sekunde der Musik entziehen. Sie pinnt mein Ohr, meinen Körper auf den Sitz.

Die Sängerinnen und Sänger des neuen Opernstudiojahrgangs singen allesamt auf sehr hohem Niveau. Die Künstlerinnen und Künstler auf der Bühne sind ebenso wie das Orchester voller Energie im Gesang wie Spiel. Ihre stimmlichen Kraftreserven sind bemerkenswert. Insbesondere in den Momenten des vollen körperlichen Einsatzes. Leidenschaft fließt ihnen aus allen stimmlichen wie schauspielerischen Poren. „Joseph Haydn, L’Infedeltà delusa,
Cuvilliés-Theater, München, 19. März 2022“
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Überwiegend tolle Stimmen begeistern beim Hamburger "Lohengrin"

Simone Schneider gelang es großartig, sich in die Rolle der Elsa einzufühlen, dramatisch beherrschte sie bei jedem Auftritt die Szene. Es gelang ihr trotz allem weiblichen Bemühens aber nicht, aus ihrem Lohengrin (Eric Cutler) mehr als eine Bahnhofsvorsteherpose herauszulocken, selbst nicht in der Hochzeitsnacht-Szene.

Wilhelm Schwinghammer (König Heinrich), Simone Schneider (Elsa), Eric Cutler (Lohengrin), Okka von der Damerau (Ortrud), John Lundgren (Friedrich von Telramund), Kent Nagano (musikalische Leitung), Foto: RW

Hamburgische Staatsoper, 16. Januar 2022

Richard Wagner, Lohengrin (konzertante Aufführung)

Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Kent Nagano Dirigent

von Dr. Ralf Wegner

Wohl Corona-bedingt wurde auf das Bühnenbild verzichtet und eine konzertante, man kann auch sagen halbszenische Vorstellung geboten. Der Chor saß in Schwarz gekleidet im Hintergrund, im Vordergrund agierten die Sänger mehr oder weniger szenisch, die Herren im Frack und die Damen in Blau (Elsa) und in Rot (Ortrud). Simone Schneider sang eine herausragende, den Abend dominierende Elsa. Typisch ist der leicht nasale Klang ihrer Stimme, die in allen Lagen aber ausdrucksstark und mit dem nötigen Schalldruck eingesetzt wird. In der Höhe blüht Schneiders Sopran glanzvoll auf, nie zeigt sich eine Schärfe oder ein störendes Vibrato. „Richard Wagner, Lohengrin (konzertante Aufführung), Philharmonisches Staatsorchester Hamburg, Kent Nagano,
Hamburgische Staatsoper, 16. Januar 2022“
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Seria: Händel – Impuls – Hasse – Die Theaterakademie in München serviert ein Büffet mit Barock-Delikatessen

Foto: Ayelet Kagan, (c) Theaterakademie August EverdingAkademietheater, München, 9. November 2019
Arien aus Opern von Händel und Hasse
Abschlusskonzert eines Gesangworkshops Barock

Theaterakademie August Everding, Akademietheater
Accademia di Monaco auf historischen Instrumenten,
Leitung: Mary Utiger
Studierende des Masterstudiengangs Musiktheater/Operngesang der Theaterakademie

von Gabriele Lange

Unter Sir Peter Jonas war die Bayerische Staatsoper ein Schlaraffenland für Freunde der Barockoper. Seit seine Intendanz 2006 zu Ende ging, sind die Münchner auf Diät gesetzt. Wem die wenigen Konzerte und Inszenierungen nicht reichen, der muss reisen – oder begibt sich auf Entdeckungstour zur Münchner Musikhochschule. Hier lassen sich immer wieder Leckerbissen aufstöbern. Und manchmal ist der Tisch unerwartet reich gedeckt.

Fünf Wochen lang setzten sich Studenten im Workshop „Barocker Operngesang“ mit Arien von Händel und Hasse auseinander. Zunächst mit ihrem Professor Joachim Tschiedel, dann vertieften sie ihre Praxis eine Woche lang mit Countertenor Flavio Ferri-Benedetti, der auch als Musikwissenschaftler und Gesangslehrer arbeitet. Für einzelne Studenten war dieser Workshop die erste Begegnung mit barocken Verzierungen. Beim Abschlusskonzert im intimen Rahmen des kleinen Akademietheaters erreichten die Studierenden dann teilweise ein höheres Niveau als man in manchen „professionellen“ Aufführungen erlebt. „Arien aus Opern von Händel und Hasse,“ weiterlesen