Die Staatsoper Hannover zeigt eine interessante Version von Boitos Oper Mefistofele

Mefistofele, Oper von Arrigo Boito  Staatstheater Hannover, Opernhaus 5. November 2022

Foto: Zuschauerraum der Staatsoper Hannover und James Hendry, Erster Kapellmeister (Foto: RW)

Sagt uns der Inhalt von Goethes Dichtungen Faust 1 und Faust 2 heute überhaupt noch etwas, abgesehen vom Gretchendrama? Hat der Kampf zwischen Himmel und Hölle, der in Boitos Oper den Hauptteil einnimmt, für uns noch Aussagekraft?

Mefistofele
Oper von Arrigo Boito (1842 – 1918)
Libretto vom Komponisten, nach Goethes Faust

Chor der Staatsoper Hannover,
Extrachor der Staatsoper Hannover,
Kinderchor der Staatsoper Hannover,
Statisterie der Staatsoper Hannover,
Niedersächsisches Staatsorchester Hannover
James Hendry, Musikalische Leitung

 

Staatstheater Hannover, Opernhaus 5. November 2022

 

von Dr. Ralf Wegner

Hannover kann sich gratulieren, mit James Hendry einen so versierten, die Effekte liebenden Ersten Kapellmeister engagiert zu haben. Wie bereits gestern im Ballett erlebt, führte er auch heute das Niedersächsische Staatsorchester wieder zu einer herausragenden Leistung. Zudem hat das Hannoversche Opernhaus eine gute Akustik mit durchsichtigem, fast stereophonem, warmem Klang.

Der zum Opernensemble gehörende schallstarke georgische Bass Shavleg Armasi verfügte als Mephisto über die notwendige Schwärze in der Tiefe, daneben über eine glanzvolle Höhe. Zudem sang er ohne störende Tonhöhenschwankungen, also fast noch jugendlich und überzeugte auch darstellerisch. Der Tenor Pavel Valuzhin und die Sopranistin Barno Ismatullaeva erreichten als Faust und Margarete nicht ganz sein sängerisches Niveau. Valuzin hatte zwar ein durchaus angenehmes Timbre, seine Stimme verengte sich allerdings in der Höhe und zeigte wenig Glanz, vor allem auch beim im Epilog angesteuerten hohen C.

Philipp Kapeller (Wagner, Nereo), Heinrich Horwitz (Gott), Pavel Valuzhin (Faust), Barno Ismatullaeva (Margherita, Elena), Shavleg Armasi (Mefistofele), Monika Walerowicz (Marta, Pantalis), Beatriz Miranda (eine Sirene) (Foto RW)

Barno Ismatullaeva verließ sich ganz auf ihr volltönendes Forte, zeigte in der Mittellage aber zu wenig Farbreichtum, um die recht anspruchsvolle Szene im Kerker genügend mitfühlend zu gestalten. Das mag aber auch an der ungünstigen dramatischen Grundsituation dieser Oper liegen, die der Margarete von einer banalen Kennenlernszene abgesehen nur im Kerkerakt breiteren Raum lässt. Beim Zuschauer baut sich in dieser Kürze wenig Empathie auf, anders als in Goethes originalem Sprechtext.

Schöne Gesangsleistungen boten Philipp Kapeller als Wagner sowie die Altistin Monika Walerowicz als Pantalis und die zum Internationalen Opernstudio der Staatsoper Hannover zählende Mezzosopranistin Beatriz Miranda als Sirene im Helenaakt. Die Helena wurde wieder von Barno Ismatullaeva gesungen, Monika Walerowicz hatte zuvor auch den Part der Marta übernommen.

Mefistofele (c) Sandra Then

Ein besonderer Aspekt scheint mir von Bedeutung: Sagt uns der Inhalt der Goethischen Dichtungen Faust 1 und Faust 2 heute überhaupt noch etwas, abgesehen vom Gretchendrama? Hat der Kampf zwischen Himmel und Hölle, der in Boitos Oper den Hauptteil einnimmt, für uns noch Aussagekraft? Die Regisseurin Elisabeth Stöppler hatte sich dieser Frage angenommen. Sie zeigt uns einen schwachen, fast schwächlichen Gott (hinzuerfundene Sprechrolle: Heinrich Horwitz), der eher Ängstlichkeit als Vertrauen einflößt. Wie lässt sich diese Sicht mit den Glaubensinhalten der drei monotheistischen Weltreligionen vereinbaren? Es ist wohl die atheistische Sicht auf Goethes Weltendrama. Dafür spricht auch der ironisierende, gleichwohl schön anzuschauende bombastische bühnentechnische Aufwand im Prolog mit geflügelten Cherubim, einer Heerschar weißgewandeter Engel sowie die immer wieder raumtrennend eingesetzten glitzernden Gold- und Silberlamettavorhänge (Bühne und Kostüme Jana Findeklee und Joki Tewes).

Großartiges leistete der Chor mit Extrachor und Kinderchor der Staatsoper Hannover. Jubelnder Beifall galt am Ende allen Mitwirkenden, vor allem aber dem Chor, dem Dirigenten und dem Sänger des Mefistofeles.

Dr. Ralf Wegner, 6. November 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

A Wilde Story, Ballett von Marco Goecke Staatstheater Hannover, Opernhaus,  4. November 2022

Richard Wagner, Tristan und Isolde, Staatsoper Hannover

Arrigo Boito, Mefistofele, Bayerische Staatsoper, München

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