Grandios, herausfordernd und spektakulär serviert: Eine komplette Oper in Zwölftonmusik

Foto: © Wilfried Hösl

Ernst Krenek, Karl V.
Bühnenwerk mit Musik in zwei Teilen (1938)

Neuproduktion Münchner Opernfestspiele
Nationaltheater Bayerische Staatsoper
Sonntag, 14. Juli 2019

Musikalische Leitung: Erik Nielsen
Inszenierung, Bühne: Carlus PadrissaLa Fura dels Baus
Regie Mitarbeit: Esteban Muñoz
Bühne, Kostüme, Video: Lita Cabellut
Video: Marc Molinos
Licht: Michael Bauer
Spezialeffekte: Thomas Bautenbacher
Chöre: Stellario Fagone
Dramaturgie: Benedikt Stampfli

Karl V.: Bo Skovhus
Juana, seine Mutter: Okka von der Damerau
Eleonore, seine Schwester: Gun-Brit Barkmin
Ferdinand, sein Bruder: Dean Power
Isabella, seine Gattin: Anne Schwanewilms
Juan de Regla, sein Beichtvater: Janus Torp
Francisco Borgia, Jesuit: Scott MacAllister
Pizarro: Kevin Conners
Franz I.: Wolfgang Ablinger-Sperrhacke
Frangipani: Kevin Conners
Luther: Michael Kraus
Ein Anhänger Luthers: Dean Power
Sultan Soliman: Peter Lobert
Sein Hofastrolog: Kevin Conners
Erster Geist / Erste Uhr: Mirjam Mesak
Zweiter Geist / Zweite Uhr: Anaïs Mejías
Dritter Geist / Dritte Uhr: Yulia Sokolik
Vierter Geist / Vierte Uhr: Noa Beinart
Eingesprochene Stimmen von Papst Clemens VII., Ein Kardinal, Alba, Ein protestantischer Hauptmann, Moritz von Sachsen: Mechthild Großmann

Bayerisches Staatsorchester
Chor der Bayerischen Staatsoper

von Barbara Hauter

Zwölftonmusik ist unemotional, eine Kopfgeburt und deswegen anstrengend zu hören. Es ist ein bisschen, als dürfte ein Text erst weiterfließen, wenn in einem Satz jeder Buchstabe genau einmal verwendet worden ist. Gefühle kann man so nicht erzeugen. Trotzdem schafft es die Bayerische Staatsoper, dass eine ganze, fast dreistündige Oper in Zwölftonmusik spannend anzusehen ist: In Kreneks Karl V. wird alles aufgefahren, was die Zauberwelt des Theaters hergibt. „Ernst Krenek, Karl V.,
Bayerische Staatsoper, 14. Juli 2019“
weiterlesen

Sir Bryn Terfel rockt die Oper: ein fulminanter Liederabend mit dem walisischen Bassbariton in München

Foto: © Adam Barker
Liederabend Bryn Terfel & Malcolm Martineau
Münchner Opernfestspiele
, Donnerstag, 11. Juli 2019
Nationaltheater, München

von Barbara Hauter

Liederabende sind Kassengift. Nicht so, wenn der walisische Bassbariton Bryn Terfel auf dem Programm steht. Dann ist die Bude voll. Das Münchner Nationaltheater ist nahezu ausverkauft und nicht nur die Generation silverhead sitzt auf den begehrten Plätzen. Auch junge Fans sind angereist, um den „besten Bassbariton ever“ (so ein Besucher) anzuhimmeln.

Sir Bryn Terfel ist ein echtes Mannsbild. 1,93 Meter groß und bühnenfüllend – und das schon, bevor er anhebt zu singen. Sobald seine wunderbar warme, dahinschmelzende Stimme erklingt, scheint das gesamte Nationaltheater von ihm erfüllt zu sein. Federleicht schwingt er sich in die Höhen und seine Tiefen bringen sogar das Zwerchfell des Zuhörers zum Mitschwingen. „Liederabend Bryn Terfel & Malcolm Martineau,
Münchner Opernfestspiele, Donnerstag, 11. Juli 2019“
weiterlesen

"Salome" in München: Kirill Petrenko lässt sein Orchester leuchten

Foto: © Wilfried Hösl
Richard Strauss, Salome

Musik-Drama in einem Aufzug nach Oscar Wildes gleichnamiger Dichtung (1905)
In deutscher Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln
Münchner Opernfestspiele, Bayerische Staatsoper, Mittwoch, 10. Juli 2019
Nationaltheater, München

von Barbara Hauter

Die Stars dieses Opernabends sind Kirill Petrenko und das Bayerische Staatsorchester. Es ist atemberaubend, was der Generalmusikdirektor aus seinem Klangkörper hervorzaubert: Schillernde Klangfarben von zart hellblau bis schrill neonorange. Entfesselte Dynamik von kaum noch als Luftvibrieren wahrnehmbaren Geigenklängen bis hin zu donnerndem Blechtosen, einen atemlosen Spannungsbogen haltend. Dabei immer genau so, dass die Sänger optimal zur Geltung kommen. Petrenko beherrscht die Kunst, sein Orchester leise fortissimo spielen zu lassen, er führt es stimmungsmächtig und lässt es leuchten. Es klingt wie ein höchst lebendiger, sensibler, sehr fein differenzierter Organismus. Einfach sensationell. „Richard Strauss, Salome,
Münchner Opernfestspiele, Bayerische Staatsoper, Mittwoch, 10. Juli 2019“
weiterlesen

Getanzte Oper in München: Starregisseur Sidi Larbi Cherkaoui erklärt Glucks "Alceste" mit viel Körpersprache

Foto: Wilfried Hösl ©
Bayerische Staatsoper München
, 29. Mai 2019
Christoph Willibald Gluck, Alceste
Tragédie-opéra in drei Akten (1767 / 1776, Pariser Fassung)
Libretto von Marius-François-Louis Gand Lebland, Bailli Du Roullet nach Ranieri de’ Calzabigi.
In französischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Getanzte Oper – Starregisseur Sidi Larbi Cherkaoui erklärt Glucks Alceste mit viel Körpersprache

von Barbara Hauter

Endlich mal ein heißes Thema für die Pause: Das Ballett, das der Regisseur Cherkaoui in seine „Alceste“ hinein choreografiert. Die einen finden es fantastisch, die anderen fühlen sich vom reinen Musikgenuss abgelenkt und empfinden die Tänzer als störend.

© Wilfried Hösl

Mir gefällt die Körperlichkeit, in die der Regisseur die Musik übersetzt. Die zwölf Tänzer der Compagnie Eastman aus Antwerpen wirken als Erweiterung des Chores, der wie in einem antiken Drama die Handlung erklärt. Schon die Ouvertüre wird körperlich sichtbar gemacht. Streng wie Säulen stehen die Tänzer auf der Bühne, gekleidet in elegantem Schlabberlook. Ihre Finger fächern sich auf bei den Trillern, und die Arme schlängeln sich bei den musikalischen Bögen – mit den tiefen Streichern bewegen sich auch die Beine, und schließlich kommen die Tänzer ganz in Bewegung, formen Kreise, umhüllen die Sänger. Das Ballett ist keine Dekoration, es ist Kern der Interpretation des Regisseurs. „Christoph Willibald Gluck, Alceste,
Bayerische Staatsoper München, 29. Mai 2019“
weiterlesen

Große Bilder und große Stimmen – verdiente Standing Ovations für eine Vorstellung, die sich von Akt zu Akt steigert

Foto © Wilfried Hösl
Bayerische Staatsoper, Nationaltheater, München, 9. Mai 2019
Richard Wagner, Tannhäuser
Romantische Oper in drei Aufzügen
Libretto vom Komponisten
In deutscher Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

von Barbara Hauter

Die Münchner präsentieren einen gewaltigen Tannhäuser mit glanzvollen, manchmal rätselhaften Bildern. Die Inszenierung von Romeo Castelucci ist umstritten. Atemberaubend schön und psychologisierend sind seine Szenerien, die Seelenlandschaften gleich kommen. Aber sie lassen den Sängern wenig Raum für Interaktion und für zarte Zwischentöne: Castelucci denkt in Konzepten. Leibhaftige Menschen kommen bei ihm nicht auf die Bühne. Tannhäuser, der zerrissen zwischen sinnlicher Lust und hehrer Liebe schwankt, der immer das will, was er gerade nicht bekommen kann und nie wirklich mit dem eins ist, was gerade ist, wird gespiegelt in einer Inszenierung, die vor allem die Extreme zeigt. „Richard Wagner, Tannhäuser,  Bayerische Staatsoper, Nationaltheater, München, 9. Mai 2019“ weiterlesen

Lise Davidsen erobert die Wagner-Welt: "Tannhäuser" in München

Foto: Lise Davidsen © Arno
Bayerische Staatsoper
, München, 5. Mai 2019
Richard Wagner, Tannhäuser

von Sarah Schnoor

Mit warmen Klängen aus dem Graben und einem sehr langsamen Tempo, geleitet von Simone Young, beginnt Wagners „Tannhäuser“ an diesem Abend in München. Begleitet wird die etwas zähe, aber trotzdem schöne, voranschreitende Musik von einem statischen, belanglos wirkenden „Ballett“ halb nackter Bogenschützinnen, die stetig Auge und Ohr auf einer runden Leinwand beschießen.

© Wilfried Hösl

Der Mann neben mir sitzt die ganze Zeit mit geschlossenen Augen da. Schließlich ist diese wunderbare Musik in dieser Oper, die akustisch ein herrliches Phänomen ist, einfach rein auditiv zu genießen. Wenn dann noch Elena Pankratova in einem pulsierenden Fleischhaufen sitzend auftaucht und ihre warme, klare Sopranstimme mit zartem Vibrato eine hervorragende Venus singt, macht auch der fragwürdige, weiße Gaze-Vorhang nicht mehr viel aus. „Richard Wagner, Tannhäuser,
Bayerische Staatsoper, München, 5. Mai 2019“
weiterlesen

Mit Wärme, Leidenschaft und Ausdruckskraft bietet Anja Harteros mit ihrer unvergleichbaren Stimme ein einzigartiges Erlebnis

Foto: © Marco Borgreve, Anja Harteros

Giacomo Puccini, Tosca
Bayerische Staatsoper, München, 4. Mai 2019

Andrea Battistoni, Dirigent
Luc Bondy, Inszenierung
Richard Peduzzi, Bühne
Anja Harteros, Tosca
Stefano La Colla, Cavaradossi
John Lundgren, Scarpia

von Yehya Alazem

Obwohl Giacomo Puccinis „Tosca“ eine der meist gespielten Opern ist, heißt das nicht, dass eine Aufführung dieser Oper, die voller Liebe, Blut, Eifersucht und Tod ist, eine einfache Aufgabe darstellt. Die Inszenierung dieses Werks von Luc Bondy (Kooperation mit der Metropolitan Opera New York) läuft seit 2010 an der Bayerischen Staatsoper und ist im Laufe der Zeit mit den besten Künstlern besetzt worden. „Giacomo Puccini, Tosca,
Bayerische Staatsoper, München, 4. Mai 2019“
weiterlesen

Dornröschen reloaded: "Mavra" und "Iolanta" – ein ungeheuer starker Abend in München

Foto: Iolanta (Mirjam Mesak ) sitzt in ihrem goldenen Käfig und spielt mit den Puppen Parascha (Anna El-Khashem) und Wassili (Freddie De Tommaso) © Wilfried Hösl

Cuvilliés-Theater, Premiere, Montag, 15. April 2019
Opernstudio der Bayerischen Staatsoper, München
Igor Strawinsky, Mavra / Peter I. Tschaikowsky, Iolanta
Komische Oper in einem Akt / Lyrische Oper in einem Akt
In russischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Neuproduktion

von Barbara Hauter

Märchenhaft, verwunschen, tiefenpsychologisch – so inszeniert Axel Ranisch Tschaikowskys selten gespielte Oper Iolanta im puppenstubenhaften Münchner Cuvilliés-Theater. Seine Iolanta, berührend gespielt und gesungen von Mirjam Mesak, ist ein Dornröschen, eine Prinzessin, die in einem rosenumrankten Garten abgeschirmt von anderen Menschen lebt. „Igor Strawinsky, Mavra / Peter I. Tschaikowsky, Iolanta,
Opernstudio der Bayerischen Staatsoper, München, Cuvilliés-Theater, Premiere, Montag, 15. April 2019“
weiterlesen

Puccini in München: Das Bergwerk-Liebesdrama „La Fanciulla del West“ an der Bayerischen Staatsoper

Foto: John Lundgren und Anja Kampe
© Wilfried Hösl
Bayerische Staatsoper
, 16. März 2019
Giacomo Puccini, La Fanciulla del West

von Sarah Schnoor

Endlich einmal keine reine Liebesschnulze. Die Western-Oper „La Fanciulla del West“ wurde seit dem Zweiten Weltkrieg nun das erste mal wieder an der Bayerischen Staatsoper aufgeführt. Eine Oper, in der keiner stirbt, zumindest niemand von den Singenden. Das ist schon verwunderlich, erst recht bei dieser Thematik. „Giacomo Puccini, La Fanciulla del West,
Bayerische Staatsoper, 16. März 2019“
weiterlesen

Karl V inmitten von Wassermassen, Feuerflammen und Fantasie-Kostümen: Kreneks Zwölftonoper überwältigt München

Foto: © Felix Löchner, Bayerische Staatsoper
Bayerische Staatsoper
, 21. Februar 2019
Ernst Krenek, Karl V

von Anna-Maria Haberberger

Die Welt unter dem Kreuze Christi. Eine epische Konzeption, die ausschöpfender nicht sein könnte. Karl V in ausgereifter Pracht alleine auf der Bühne. Inmitten von knietiefen Wassermassen auf der ganzen Bühne, von Feuerflammen, Drehpunkten und einem nicht mehr ganz irdisch-bewegten Bühnenspektakel findet Kreneks Oper, das erste dodekaphone Musiktheaterwerk der Geschichte, in der Bayerischen Staatsoper statt. Überwältigend donnert die Stimme Gottes isotrop-sphärisch durch die gesamte Oper und sucht den Kaiser des Heiligen Römischen Reiches auf, der zu Beginn alleine und mit fragmentarischer Krone bedeckt ist. „Ernst Krenek, Karl V, Bayerische Staatsoper, 21. Februar 2019“ weiterlesen