Wenn die Musik schweigt: Strauss-Dirigent bricht in München zusammen

Auch wir wünschen Stefan Soltész auf diesem Weg eine schnelle Genesung, sodass wir hoffentlich schon bald wieder und oft sein musikalisches Können am Dirigentenpult erleben dürfen.

Foto: Stefan Soltész, © Jonas Holthaus

Nationaltheater, Bayerische Staatsoper, München, 22. Juli 2022

Richard Strauss, Die schweigsame Frau

Bayerisches Staatsorchester
Bayerischer Staatsopernchor
Stefan Soltész, Dirigent

 von Jean-Nico Schambourg

Mit “Capriccio”, dem “Rosenkavalier” und der “Frau ohne Schatten” ist “Die schweigsame Frau” die vierte Oper von Richard Strauss, die die Bayerische Staatsoper während der diesjährigen Münchner Opernfestspiele auf die Bühne bringt.

Es hätte ein schöner Abend werden sollen mit dieser, außer in Wien und München, selten gespielten komischen Oper, denn am Dirigentenpult stand Stefan Soltész, ein als Strauss-Spezialist weltbekannter Dirigent.

„Richard Strauss, Die schweigsame Frau
Bayerische Staatsoper, München, 22. Juli 2022“
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Wenn die Stunde der Liebe schlägt: Barrie Koskys Rosenkavalier am Münchner Nationaltheater

Foto: © Wilfried Hösl, Marlis Petersen

Nationaltheater, Bayerische Staatsoper, München, 21. Juli 2022

Richard Strauss, Der Rosenkavalier

Bayerisches Staatsorchester
Bayerischer Staatsopernchor

Vladimir Jurowski, Dirigent

Barrie Kosky, Inszenierung
Rufus Didwiszus, Bühne
Alessandro Carletti, Licht

von Jean-Nico Schambourg

Ich gebe zu, Barrie Kosky ist einer der ganz wenigen Regisseure, dessen Regiearbeiten ich (fast) uneingeschränkt schätze. Und auch diese Produktion begeistert mich sehr.

Koskys Rosenkavalier wird durchgewirbelt von tollen Einfällen, wie zum Beispiel, dass sich die grosse Standuhr während dem Orchestervorspiel auf der Bühne herumdreht und im Schlussbild der Oper sich in den Bühnenboden versenkt, als Zeichen, dass die Zeit abgelaufen ist. Die Zeit spielt eine grosse Rolle in dieser Inszenierung: der zweite Akt wird von einem Wecker eingeläutet, der dritte von einer Kuckucksuhr.

Bemerkenswerter als alle Regieeinfälle ist für mich jedoch, dass Kosky in den ruhigen Momenten den Zuschauer sich voll auf die Schönheit der Musik von Richard Strauss konzentrieren lässt. Da stört kein irrsinniges Herumlaufen oder Turnen der Protagonisten.

Wunderbar das Schlussbild des ersten Aktes mit Marlis Petersen auf dem Pegel der Standuhr sitzend, während die Schlussakkorde sich scheinbar unendlich und zärtlich hinziehen. Ebenso der Schluss der Oper, wo Octavian und seine Sophie in den siebten Himmel der Liebe entschweben.

M.Petersen, (c) W. Hösl

Das Bühnenbild im ersten Akt ist ausschließlich in Silber und Grau gehalten und erinnert mich an die Vitrine meiner Großmutter mit dem überalterten Tafelgeschirr. Nur am Ende des Aktes sticht die Marschallin mit ihrem rosa-goldenen Kleid aus dieser Eintönigkeit heraus. „Richard Strauss, Der Rosenkavalier
Bayerische Staatsoper, München, 21. Juli 2022“
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"Macbeth" in München: Der Weltstar George Petean macht den Unterschied aus

Nationaltheater, Bayerische Staatsoper, München, 18. Juli 2022
Giuseppe Verdi, Macbeth

von Jean-Nico Schambourg

Seit der Ankündigung der Oper „Macbeth“ im Spielplan 2021/2022 sind alle Hauptrollen umbesetzt worden:

Zuerst kündigte die Bayerische Staatsoper in Folge des Ukraine-Krieges das Engagement der Anna Netrebko als Lady Macbeth. Sie wurde ersetzt durch Ekaterina Semenchuk.

Vor einigen Tagen dann die Umbesetzung der Rollen von Macbeth und Banco: George Petean übernahm die Titelrolle und Christian Van Horn die seines Weggefährten und Rivalen.

Am Vorstellungsabend wurde dann auch die Rolle des Macduff krankheitshalber umbesetzt: es übernahm kurzfristig Giovanni Sala.

„Giuseppe Verdi, Macbeth
Nationaltheater, Bayerische Staatsoper, München, 18. Juli 2022“
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München: Erhabenheit, Vollkommenheit und Finesse

Foto: 2022 Füchslein – A. Brower, E. Tsallagova – © W. Hösl

Bayerische Staatsoper, Samstag, 16. Juli 2022
Nationaltheater München

DAS SCHLAUE FÜCHSLEIN (PŘÍHODY LIŠKY BYSTROUŠKY)

Oper in drei Akten von Leoš Janáček (1924)
Text vom Komponisten nach Rudolf Těsnohlídeks Novelle „Die Abenteuer der schlauen Füchsin“.
In tschechischer Sprache. Mit Übertiteln in deutscher und englischer Sprache. Neuproduktion.

von Andreas Schmidt (Text und Fotos)

Auch mit dieser Ausnahmeproduktion, dem „Schlauen Füchslein“ von Leoš Janáček, hat die Bayerische Staatsoper in München bewiesen, dass sie mit Abstand das beste und inspirierendste Opernhaus in Deutschland ist. Zwar geben sich an der Wiener Staatsoper (noch) mehr Weltstars die Hände, aber was der australische Regisseur Barrie Kosky hier an Erhabenheit, Vollkommenheit und Finesse kreiert hat, hat das Haus am Ring noch nicht gesehen.

Dieser Opernabend ist von den Lichteffekten, von den Farben und Formen, berauschend, berührend und bewegend. Da ist immer Leben auf der Bühne, nichts ist statisch, der Zuschauer klebt in seinem Sessel.

Werter Herr Kosky, Sie sind ein Genius. Sie übertreffen sich immer wieder. Das Füchslein lässt uns in eine Traumwelt gleiten, aber Sie schaffen es immer wieder, uns in die Realität zurückzuholen.

„DAS SCHLAUE FÜCHSLEIN (PŘÍHODY LIŠKY BYSTROUŠKY)
Bayerische Staatsoper, Nationaltheater, Samstag, 16. Juli 2022“
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Kommen Sie in Deutschlands Klassik-Stadt Nr. 1 und genießen den Mann mit der edlen Stimmfarbe eines Ritters!

Der Bariton Christian Gerhaher, Anna Lucia Richter (Mezzosopran)
und Ammiel Bushakevitz (Klavier) bereichern das Herz und die Seele im Nationaltheater zu München.

Bayerische Staatsoper, Nationaltheater, 15. Juli 2022
Christian Gerhaher (Bariton)
Anna Lucia Richter (Mezzosopran)

Ammiel Bushakevitz (Klavier)

Foto: Christian Gerhaher © Wigmore Hall

Hugo Wolf (1860 – 1903)
Italienisches Liederbuch
nach Paul Heyse (1890 – 96)

von Andreas Schmidt

Mit einem anspruchsvollen Programm – dem Italienischen Liederbuch von Hugo Wolf – haben ein phantastischer junger Pianist, die wunderbare Mezzosopranistin Anna Lucia Richter und der Star-Bariton Christian Gerhaher die Herzen und Seelen der Zuschauer im Nationaltheater zu München erobert. Dankbar und Respekt zollend applaudierten die Zuhörer der Darbietung, zahlreiche Bravi waren der Künstler Dank.

Inspirator für die fulminanten Leistungen war der Bariton Christian Gerhaher, der in allen Registern einen Gesangsabend zelebrierte, der unter die Haut ging. Der allseits gefeierte Alleskönner machte seinem Ruf alle Ehre: Makellos, einfühlsam, geschmeidig – und wenn erforderlich dynamisch und kraftvoll – verlieh er dem Abend das Prädikat 1 + mit Auszeichnung. „Christian Gerhaher (Bariton), Anna Lucia Richter (Mezzosopran), Ammiel Bushakevitz (Klavier), Hugo Wolf
Bayerische Staatsoper, Nationaltheater, 15. Juli 2022“
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Pendereckis "Die Teufel von Loudun" setzt mich unter Starkstrom

Foto: Vladimir Jurowski © Simon Pauly

Bayerische Staatsoper, München, 27. Juni 2022 PREMIERE

Die Teufel von Loudun
Oper in drei Akten von Krzysztof Penderecki
Uraufführung in Hamburg, 20. Juni 1969
Premiere im Nationaltheater am 27. Juni 2022

Bayerisches Staatsorchester
Bayerischer Staatsopernchor und Extrachor der Bayerischen Staatsoper
Musikalische Leitung   Vladimir Jurowski

von Frank Heublein

An diesem Abend findet die Premiere der Produktion Krzysztof Pendereckis Die Teufel von Loudun der Bayerischen Staatsoper im Nationaltheater in München statt. Das Libretto geht auf historische Vorgänge der 1630er Jahren zurück. Im Mittelpunkt steht Stadtpfarrer Grandier und der Versuch, diesen als Verbündeten des Teufels hinzustellen, seine Vernehmung und seine Folterung und die öffentliche Hinrichtung durch Verbrennung bei lebendigem Leib.

Das Drama beginnt schon vor dem Start. Denn Wolfgang Koch, der die Hauptpartie des Grandier singen sollte, wurde kurz vor der Generalprobe positiv auf Covid getestet. Serge Dorny verkündet die Lösung: Bariton Jordan Shanahan singt vom Orchestergraben aus und Residenztheaterschauspieler Robert Dölle spielt und spricht auf der Bühne. Alles erlernt in 4 Tagen. Beeindruckend! Dieses Duo lässt mich fragen, wie Wolfgang Koch diese Tortur denn überhaupt als Einzelner bewältigen kann? Es gibt noch Karten für die Folgeaufführungen mit ihm. Das Duo überzeugt mich! Bariton Jordan Shanahan ist stimmlich präsent und verschmilzt mit Robert Dölles schauspielendem Körper. Außergewöhnlich gelungen. Für mich ergibt sich die emotionale Dynamik im Wechsel von Gesang und Sprechtext. Diesen dramatisierenden Übergang meistern die beiden bravourös. Dieser Charakter hat unvereinbare Gegensätze. Grandiers tiefer Glaube, der auch schlimmster Folter standhält. Seine Feinde, der Chirurg und der Apotheker, lässt die Folter hingegen zusammenbrechen. Sie müssen das grausame Handeln am Körper Grandiers ausführen. Zugleich ist Grandier ein Priester, der offen das Zölibat bricht. Nicht etwa zweifelnd, sondern bewusst, aktiv und ohne Vorbehalt. Ich begleite diesen komplexen, changierenden und gerade dadurch ehrlichen und menschlichen Charakter atemlos. „Krzysztof Pendereckis, Die Teufel von Loudun
Bayerische Staatsoper, München, 27. Juni 2022 PREMIERE“
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Ein frisch zusammengewürfeltes Starensemble sorgt für große Oper im Bayerischen Nationaltheater

Foto: © Wilfried Hösl

Bayerische Staatsoper, München, 15. Juni 2022

UN BALLO IN MASCHERA

Melodramma in drei Akten – 1859

Komponist Giuseppe Verdi. Libretto von Antonio Somma.
In italienischer Sprache

Premiere am 6. März 2016

von Petra Spelzhaus

Der Opernabend startet bereits im Vorfeld beim Blick ins E-Mail-Fach. Die Bayerische Staatsoper informiert uns gleich über vier Umbesetzungen unserer Vorstellung des Maskenballs. Paolo Arrivabeni übernimmt das Dirigat von Daniele Rustioni, Okka von der Damerau die Partie der „Ulrica“ anstelle von Judit Kutasi, Simon Lim die des „Samuel“ von Andrew Harris, Roman Burdenko wird statt Carlos Álvarez zum „Renato“. Vorneweg: Die Protagonisten wissen im gut besuchten Bayerischen Nationaltheater allesamt zu überzeugen. Das Melodram um einen Herrscher, der von Menschen umgeben ist, die nach seinem Leben trachten und der schließlich von seinem Freund und Berater auf dem höfischen Maskenball erschossen wird, wird wie aus einem Guss präsentiert.

Erfreulicherweise bleibt uns Piotr Beczała in der Rolle des Gouverneurs Riccardo erhalten. Der polnisch-schweizerische Startenor nutzt seine Eingangsarie noch ein wenig zum Ölen seiner Stimme. Im Laufe des Abends läuft er zu Höchstform auf. Er verkörpert den in die Jahre gekommenen Gigolo in all seinen Facetten bis in die Haarspitzen. Er singt mit viel Schmelz, weich, leidenschaftlich, anfangs – eine trügerische – Leichtigkeit ausstrahlend, später zunehmend dramatisch. Großartig ist seine Interpretation der berühmten Arie „Forse la soglia attinse… Ma se m’è forza perderti“, in der sämtliche Facetten eines Verdi-Tenors abverlangt werden.

Quasi als Alter Ego Riccardos fungiert sein Page Oscar, der als Puppenspieler den Gouverneur doppelt. Verdis einzige Hosenrolle wird leicht-fröhlich dargeboten vom Koloratursopran Deanna Breiwick. Das Varieté lässt grüßen. „Giuseppe Verdi, UN BALLO IN MASCHERA
Bayerische Staatsoper, 15. Juni 2022, “
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Im Rausch der Gefühle – besser kann man Madama Butterfly nicht singen

Foto: © Wilfried Hösl, Bayerische Staatsoper – Nationaltheater

Aber ich denke, München hätte eine modernere Butterfly verdient. Im Jahre 2022 kann man den entsetzlichen Sexismus, Rassismus und White Supremacy in der Madama Butterfly nicht einfach mit hübschen Bildern übertünchen, sondern muss sie deutlich machen und zur Diskussion stellen. Auch dafür ist Oper eine Plattform.

Bayerische Staatsoper, Nationaltheater München, 31. Mai 2022

Madama Butterfly

Japanische Tragödie in drei Akten – 1904

Komponist  Giacomo Puccini
Libretto von Luigi Illica und Giuseppe Giacosa.
In italienischer Sprache · Mit Übertiteln in deutscher und englischer Sprache.

von Barbara Hauter

Ich habe nicht nah am Wasser gebaut, aber diese Butterfly zerriss mir das Herz. So angefasst war ich noch nie von einer Oper. Emotionaler geht nicht. Das gesamte Ensemble war in Höchstform, vom Dirigenten über die Hauptdarsteller bis in die Nebenrollen. Ganz besonders aber gehörte der Abend der albanische Sopranistin Ermonela Jaho, die die Butterfly regelrecht hinzauberte.

Ermonela Jaho ist zu Recht der bejubelte Star des Abends.  Sie gibt die 15jährige, verliebte, schwärmerische und naive 15jährige, die gereifte Hoffende, die liebende Mutter, die Enttäuschte und tödlich Verzweifelte so mitreißend, dass ich mich in meinem Opernsessel kaum zu rühren wage. Jede dieser „Rollen in der Rolle“ erfordert ein anderes Timbre, eine andere Stimmführung – und Jaho ist die Meisterin dieser Wandlungen. Sie betritt die Bühne als das schüchterne, zerbrechliche Mädchen, umspielt ihre knospende Liebe mit zarten Nuancen, in ihren leisesten Tönen so präsent, dass ich kaum mehr atme. Es schnürt mir das Herz, wenn neben diesem zerbrechlichen Schmetterling Charles Castronovo als Pinkerton kühl und distanziert davon singt, dass Butterfly nur ein Spielzeug sei.

Da krachen Welten aufeinander: Ost – West, Mann – Frau, alt – jung, emotional – berechnend. Und diese Kontraste hört man in den Stimmen der beiden Protagonisten. Der US-amerikanische Tenor geht auf in der Rolle des zynisch distanzierten Besatzers, des überlegenen weißen Mannes. Sonst prädestiniert für das Fach des Liebenden, als Alfredo oder Rodolfo, ist seine Stimme diesmal kühl und glatt wie ein Spiegel, einzig in einem kurzen Augenblick der Reue im letzten Akt lässt Castronovo menschliche Wärme durchscheinen. „Giacomo Puccini, Madama Butterfly
Bayerische Staatsoper, Nationaltheater München, 31. Mai 2022“
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Welch wunderbarer Abend: agil, wach und voller Energie!

Foto: (c) W. Hösl

Bayerische Staatsoper, München, 24. Mai 2022

6. Akademiekonzert: Vladimir Jurowski

Bayerisches Staatsorchester
Jakob Spahn, Violoncello

Programm

Krzysztof Penderecki (1933–2020)

Ouvertüre und 3 Stücke im alten Stil nach Musik zu dem Film Die Handschrift von Saragossa

Konzert für Violoncello und Orchester Nr. 2

Igor Strawinsky (1882–1971)

Variations „Aldous Huxley in memoriam“

Petruschka. Burleske Szenen in vier Bildern (Originalfassung von 1911)

von Frank Heublein

An diesem Abend wird im Münchner Nationaltheater das sechste Akademiekonzert gegeben. Im ersten Teil eine Hommage an den polnischen Komponisten Krzysztof Penderecki, dessen Oper „Die Teufel von Loudun“ bei den Opernfestspielen 2022 in München auf die Bühne gebracht wird. Im zweiten Teil des Abends werden zwei Werke Igor Strawinskys präsentiert.

Penderecki hat auch Gebrauchsmusik für Film und Theater komponiert. So für Woiciech Has Romanverfilmung „Die Handschrift von Saragossa“. Der Film spielt um die Jahrhundertwende vom 18. zum 19. Jahrhundert. Die Ouvertüre hat Jurowski anhand des Films transkribiert, da die Noten nach Fertigstellung des Films vernichtet wurden oder verloren gegangen sind. Sie erklingt erstmals als Orchesterwerk. Oh ja, das ist Mozart, den ich höre. Eingewoben ist ein Beethovenzitat, Freude schöner Götterfunken. Die drei Stücke im alten Stil klingen nach einer Mischung von Bach und Telemann. Beim Komponistenraten hätte ich keine Chance, die Tarnung funktioniert. Jurowski führt mit dem Bayerischen Staatsorchester beschwingt agil in den Abend ein. „6. Akademiekonzert: Vladimir Jurowski
Bayerische Staatsoper, München, 24. Mai 2022“
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Die Konstruktion von "Les Troyens" benötigt einen Skript-Doktor

Foto: © Wilfried Hösl

Bayerische Staatsoper, München, 9. Mai 2022 PREMIERE

Les Troyens

Grand opéra in fünf Akten (1863 / 1879)

Komponist Hector Berlioz. Libretto von Hector Berlioz nach Vergil.
In französischer Sprache

Bayerisches Staatsorchester
Daniele Rustioni  Dirigent
Bayerischer Staatsopernchor
Statisterie der Bayerischen Staatsoper

von Frank Heublein

An diesem Abend wird in der Bayerischen Staatsoper Les Troyens von Hector Berlioz aufgeführt. Ein schwieriges Werk, wenn wie in dieser Inszenierung die ungekürzte Fassung gespielt wird. Fünf Akte, zwei Handlungsplätze, Troja und Karthago und drei Rollen, die Berlioz stimmlich ans Äußerste ihrer Möglichkeiten treibt. Es sind Cassandre, Énée und Didon. Alle drei haben die Aufgabe, extrem lange Arien, Duette und Nummerfolgen auf hochdramatischem Niveau zu meistern.

Am heutigen Abend sind das Altistin Marie-Nicole Lemieux als Cassandre, die in Les Troyens die Lage einer Mezzosopranistin singt. Tenor Gregory Kunde singt den Énée und Mezzosopranistin Ekaterina Semenchuk singt die Didon.

Marie-Nicole Lemieux als Cassandre steckt im ersten Akt in einem permanenten Ausnahmezustand. Ihre Warnungen, dass die Griechen den Trojanern mit dem Pferd eine Falle gestellt haben, dass Troja untergeht, werden allesamt in den Wind geschlagen. Marie-Nicole Lemieux singt und ist dieser permanente Ausnahmezustand in diesem langen ersten Akt. Dramatisch, energetisch, willensstark, fest dringt ihre Stimme in mich ein.

Selbst bei den Chor- und Gruppenszenen müssen die Solisten und Solistinnen mit ran. Die Laocoon Szene, der Priester erkennt als einziger den griechischen Trug und wird von Schlangen getötet, ist für mich die eindrucksvollste aller Massenszenen der ersten beiden Akte, die in Troja spielen. Das Orchester, der Chor und die Solisten singen entsetzt, sehen darin ein Zeichen, dass man ein göttliches Geschenk geschmäht hat. Énée hat hier seinen ersten stimmlich bedeutsamen Auftritt und in seiner Tenorstimme tönt der Held hervor. Eine mich überwältigende Szene. „Les Troyens, Hector Berlioz,
Bayerische Staatsoper, München, 09. Mai 2022 PREMIERE“
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