Der Abend der Urteufelin: Das war Karfreitagszauber!

Foto:  ©  Luigi Caputo
Richard Wagner, Parsifal, Staatsoper Hamburg, 19. April 2019

Ulrich Poser berichtet über die Parsifal-Aufführung vom 19. April 2019 in der Hamburgischen Staatsoper

Tanja Ariane Baumgartner als Höllenrose war der Star dieser trotz schönstem Sonnenwetter am Nachmittag gut besuchten Vorstellung in der Hamburgischen Staatsoper. Von Achim Freyer und der Maske zu einer Art ungepflegter Nina Hagen umgestaltet, die sich seit 30 Jahren die Haare nicht mehr schneiden ließ, bot sie eine in jeder Hinsicht herausragende und überwältigende Kundry dar. Ihr hochdramatischer Mezzosopran schoss die der Rolle eigenen Spitzentöne im zweiten Aufzug akkurat in den letzten Winkel des Hauses an der Dammtorstraße. Die hohe Textverständlichkeit, ihre hohe Phrasierungskunst und in erster Linie natürlich die große Stimme als solche brachten der Sängerin am Ende den verdienten Jubel ein. Katharina Wagner sollte schnell zum Hörer greifen; Frau Baumgartner gehört schnellstens wieder auf den Grünen Hügel, nachdem sie dort bereits 2017 im „Rheingold“  und in der „Walküre“ als Fricka überzeugte.

„Richard Wagner, Parsifal,
Staatsoper Hamburg, 19. April 2019“
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„Carmen“ in Hamburg mit Jonas Kaufmann: ein Triumph des Ensembles

© Gregor Hohenberg, Sony Classical, Jonas Kaufmann
Staatsoper Hamburg
, 16. April 2019
Georges Bizet, Carmen
(33. Vorstellung seit der Premiere am 19. Januar 2014)

von Guido Marquardt

Kaufmann souverän, Margaine wuchtig, Mantashyan strahlend, Vinogradov volltönend: Das Ensemble dieser „Carmen“ sorgt für eine sängerische Sternstunde in Hamburg, die das Publikum zu Jubelstürmen mitreißt. Die biedere Inszenierung fällt da kaum ins Gewicht.

Hand aufs Herz: Sie sind doch nicht hier, um etwas über die Inszenierung zu lesen, oder? Diese ist fünf Jahre alt – es könnten aber auch fünfzig sein oder fünf Wochen, ganz egal. Sie ist einfach nicht der Rede wert, zeigt in weiten Teilen das, was durchschnittlich opernaffine Menschen sich so grob unter der Geschichte vorstellen würden und bietet ein Bühnenbild irgendwo zwischen Brutalismus und Freizeitpark. Geschenkt. Immerhin werden die Darsteller nicht in groteske Kostüme gezwungen, wenn man mal von Escamillo absieht, der die Mehrzahl seiner Auftritte in einem goldfarbenen Trainingsanzug und mit grell überzeichneter Maske absolvieren muss, als sei David Lynch eine bizarre Kooperation mit Harald Glööckler eingegangen. „Georges Bizet, Carmen,
Staatsoper Hamburg, 16. April 2019“
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"Carmen" in der Staatsoper Hamburg: Man lehnt sich zurück und genießt

Foto: © Westermann
Staatsoper Hamburg
, 11. April 2019
Georges Bizet (1838 – 1875), Carmen

Oper in vier Bildern
Text von Henri Meilhac und Ludovic Halévy

von Teresa Grodzinska

Selten hat sich das Sujet eines Werks so desaktualisiert wie im Fall der „Carmen”. Stierkampf gilt in der heutigen Welt als mindestens so antiquiert wie Zigarettenrauchen. Das Frauenbild – unmöglich. Die Zigeuner-Romantik ebenso. Und der von Micaela an Don José überbrachte Mutterkuss mutet schon psychoanalytisch an … „Georges Bizet, Carmen,
Staatsoper Hamburg, 11. April 2019“
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"Fidelio": starke Bilder, so kurz vor der Europawahl allemal

Foto: © Arno Declair
Staatsoper Hamburg
, 9. April 2019
Ludwig van Beethoven (1770 – 1827), Fidelio
Oper in zwei Aufzügen (1805/1814)
Text von J. Sonnleithner und G. F. Treitschke
nach einem Libretto von J. N. Bouilly

von Teresa Grodzinska 

Fidelio, ein Deckname der Leonora, kommt vom lateinischen “fides” – treu. Die treue Gattin gibt nicht auf, als Florestan, ein Freigeist und Revolutionär, im Kerker landet. Sie verkleidet sich als Mann und tritt in den Dienst von Rocco, dem Gefängnisdirektor, in der Hoffnung, ihren Gatten zu befreien. Sie spielt ihre Rolle so gut, dass Marzelline, die Tochter des Direktors, sich in Fidelio verliebt und sich mit dem Segen des Vaters schon ein Hochzeitskleid aussucht. Es kommt natürlich alles anders; ein Anschlag auf Florestan von Don Pizarro, dem Gouverneur, wird aufgedeckt, Florestan befreit, Pizarro bestraft. „Ludwig van Beethoven (1770 – 1827), Fidelio,
Staatsoper Hamburg, 9. April 2019“
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VERDIS MELODRAMATISCHER SCHWEDENKRIMI PACKT ALLE: UN BALLO IN MASCHERA IN HAMBURG

Foto: Westermann (c)
Staatsoper Hamburg
, 24. März 2019
Giuseppe Verdi, Un Ballo in Maschera

von Dr. Holger Voigt

Es ist Frühling in Hamburg; die Sonne scheint, die Temperaturen steigen an, und die Oper beginnt schon um 16 Uhr. Italienische Leichtigkeit breitet sich aus – die „Italienischen Opernwochen“ an der Staatsoper Hamburg haben Halbzeit. Auf dem Programm steht Giuseppe Verdis 1859 uraufgeführte Oper „Un Ballo in Maschera“ („Ein Maskenball“) nach Antonio Sommas Text und Eugène Scribes Libretto. Das auf einer wahren historischen Tatsache – nämlich der Ermordung des schwedischen Königs Gustav III während eines Maskenballes in der Stockholmer Oper – beruhende Melodram ist für die Kunstform Oper geradezu wie geschaffen. Es enthält alles, was ein dramaturgisches Herz begehren könnte: Liebe, Freundschaft, Eifersucht, Vertrauen und Misstrauen, Vorsehung und Prophezeihung, Verschwörung, Mord und – als ob das alles noch nicht genug wäre – zum Schluss auch noch Vergebung: der tödlich getroffene König vergibt im Sterben seinem Mörder. Was für ein Drama! „Giuseppe Verdi, Un Ballo in Maschera,
Staatsoper Hamburg, 24. März 2019“
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"Nabucco" in HH:
Bilder unseres rastlosen und ratlosen globalen Dorfes

Foto: © Brinkhoff/Mögenburg
Staatsoper Hamburg
, 23. März 2019
Giuseppe Verdi, Nabucco,
Libretto von Temistocle Solera

von Teresa Grodzinska

Dieser Abend lässt mich völlig ratlos zurück. So ging es wahrscheinlich auch zwei Drittel des Publikums. Der berühmte “schweigende Rest” sah sich bestätigt in der Annahme, dass Fremdes und Fremde an sich gefährlich, gewalttätig, schmutzig sind und völlig zurecht hinter Mauern und Weltmeere abgeschoben gehören.

Es ist eine Provokation, was uns Kirill Serebrennikov vor die Füße wirft: das echte Leid echter Menschen eingerahmt in süßliche Musik von Verdi aus dem 19. Jahrhundert. Platter Plot von Solera – Vater-Tochter-Konflikt, der sich an dem “unreinen” Blut der Tochter entzündet, Intrigen anderer Machtmenschen, Wahnsinn des Alleinherrschers. Realität geht anders. Aber wann bildet ein Opernabend die Realität ab? „Giuseppe Verdi, Nabucco,
Staatsoper Hamburg, 23. März 2019“
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"Nabucco" in Hamburg - Spektakel mit Fragezeichen

Fast gerät Verdis Werk bei Serebrennikow zum Palimpsest, zum reinen Rohstoff, der komplett neu geformt und überschrieben wird.

Foto: © Brinkhoff/Mögenburg
Staatsoper Hamburg
, 20. März 2019
Giuseppe Verdi, Nabucco (4. Vorstellung seit der Premiere am 10. März 2019)

von Guido Marquardt

Die meistbeachtete Neuproduktion des Jahres an der Hamburgischen Staatsoper dürfte ohne jeden Zweifel der „Nabucco“ von Kirill Serebrennikov sein. Das liegt zum einen an der Aktualisierung und Aufladung des Stoffs, die das Schicksal von Flüchtlingen als Spielball der Mächtigen zeigt. Noch weiter gesteigert wurde die Aufmerksamkeit durch die besonderen Hintergründe dieser Produktion, die auf die Anwesenheit ihres Regisseurs aufgrund eines dubiosen Strafprozesses und des damit verbundenen Hausarrests in Russland verzichten musste. Was ihn freilich nur umso präsenter macht – nicht zuletzt, da er für Inszenierung, Bühnenbild und Kostüme gleichermaßen verantwortlich zeichnet. Von einer postmodernen, ironisierten, spielerischen Bearbeitung des Stoffs kann keine Rede sein. Serebrennikov zeigt und verwendet keine doppelten Böden. Vielmehr entwirft er mit geradezu heiligem Ernst eine aus den Fugen geratene Welt.   „Giuseppe Verdi, Nabucco, Staatsoper Hamburg, 20. März 2019“ weiterlesen

"La Traviata" in HH:
Ein großer, bewegender Opernabend

Foto: Wiener Staatsoper (c) Irina Lungu
Staatsoper Hamburg, 19. März 2019
Giuseppe Verdi, La Traviata

von Dr. Holger Voigt

Zu Giuseppe Verdis Anfangszeiten gab es weder Dirigenten noch Opernregisseure. Hatte ein oft allmächtiger Opernimpresario unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Sänger und Sängerinnen sowie erwartbarer Einnahmen ein Werk endgültig angenommen, musste der Komponist (unter Mithilfe des Librettisten) „liefern“: Sowohl die musikalische Einstudierung mit dem Orchester als auch die szenisch-dramaturgische Realisation waren die eigentlichen Bewährungsproben. „Giuseppe Verdi, La Traviata, Staatsoper Hamburg, 19. März 2019“ weiterlesen

Italienische Opernwochen mit 97 Prozent Auslastung: Staatsoper Hamburg zieht positive Zwischenbilanz

Foto: Westermann (c) , Staatsoper Hamburg

Auch die dritte „La Traviata“ von Giuseppe Verdi in der Staatsoper Hamburg am Dienstagabend bekommt von klassik-begeistert.de die Gesamtnote „Sehr gut“. Herausragend war vor ausverkauftem Haus Irina Lungu als Violetta Valéry mit Spielfreude, Wohlfühl-Timbre und bestechender Strahlkraft. Sehr gut an ihrer Seite auch Stephen Costello als Alfredo Germont und Simone Piazzola als Giorgio Germont. Bezaubernd auch das Ensemblemitglied Marta Swiderska in ihrer kurzen Rolle als Annina – die Polin ist ein Juwel…

Pressemitteilung

Hamburg, den 18. März 2019. Mit einer Auslastung von 97 Prozent vermeldet die Staatsoper Hamburg eine positive Zwischenbilanz der diesjährigen Italienischen Opernwochen. Noch bis zum 6. April zeigt das Haus an der Dammtorstraße Klassiker des italienischen Repertoires wie Manon Lescaut, Un Ballo in Maschera oder Il Barbiere di Siviglia – allesamt in Starbesetzung. „Italienische Opernwochen, Zwischenbilanz
Staatsoper Hamburg“
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„La Traviata“ in Hamburg: Violetta und der falsche Germont

Irina Lungu, Wiener Staatsoper (c)
Staatsoper Hamburg
, 14. März 2019
Giuseppe Verdi, La Traviata
(39. Vorstellung seit der Premiere am 17. Februar 2013)

von Guido Marquardt

Johannes Eraths Inszenierung von Verdis Dauerbrenner zeigt das Werk als eine Art Totentanz auf dem Rummelplatz – und lässt zugleich dem Ensemble viel Raum für die psychologische Ausgestaltung seiner Figuren. Das nutzt insbesondere Irina Lungu für eine Weltklasse-Violetta, während Staatsopern-Debütant Simone Piazzola als Giorgio Germont seinem Bühnensohn Stephen Costello glatt die Show stiehlt. Das Orchester musiziert unter Roberto Rizzi Brignoli solide, der Chor hat gute und weniger gute Momente.

Seit Jahren steht Verdis Traviata beständig an der Spitze, wenn es um die meistaufgeführten Opern weltweit geht. Auch in Deutschland ist das Werk konstant enorm beliebt. Das liegt an der Unmittelbarkeit und Zeitlosigkeit der tragischen Geschichte, die es erzählt – einfach zu verstehen und dennoch mit komplexen psychologischen und gesellschaftlichen Hintergründen aufgeladen. Vor allem aber liegt es natürlich an der enormen musikalischen Qualität, an der Eingängigkeit von Verdis Komposition und der ungeheuren Dichte. Das Hollywood-Motto „Mit einem Erdbeben anfangen und dann langsam steigern“ könnte auch hier Pate gestanden haben. „Giuseppe Verdi, La Traviata,
Staatsoper Hamburg, 14. März 2019“
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