Neumeiers Préludes CV ist ein schwieriges, aber tiefenspannendes Ballett

Madoka Sugai, Yaiza Coll und Laura Cazzaniga (Foto RW)

Es war ein Abend der Frauen. Von Anna Laudere, die sich anmutig anschmeichelnd um Edvin Revazov bemühte und dessen Zurückweisungen ertrug, von Yaiza Coll, die ihre Aggressionen an Matias Oberlin ausließ und auch von Emilie Mazon, die zwischen den Männern die Wahl hatte, aber nie den richtigen fand.

 

Ballett von John Neumeier
Préludes CV
Ein choreografisches Skizzenbuch in zwei Teilen

Hamburgische Staatsoper, 2. November 2022

 von Dr. Ralf Wegner

Es ist lange her, dass wir dieses Stück gesehen hatten, zuletzt vor 9 Jahren und davor im Jahre 2003. Die Erinnerung an diese Aufführungen ist völlig verblasst. Zunächst mutete es wie ein Kammerspiel an, die Komponistin Lera Auerbach setzte sich an den Flügel, Ani Aznavoorian gesellte sich mit einem Cello hinzu. Gespielt wurden 24 Präludien für Violoncello und Klavier, sowie nach der Pause weitere 24 Präludien für Violine (Vadim Guzman) und Klavier (Angela Yoffe), alles Kompositionen von Lera Auerbach. „Ballett von John Neumeier, Préludes CV
Hamburgische Staatsoper, 2. November 2022“
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Diese Holländer-Inszenierung ist eine Publikumsbestrafung

Peter Hoare (Steuermann), Kwangchul Youn (Daland), Jennifer Holloway (Senta), Thomas Johannes Mayer (Holländer), Benjamin Bruns (Erik), Katja Pieweck (Mary) (Foto: RW)

Was bleibt unter dem Strich, ein wunderbares musikalisches Werk, von Kent Nagano auf zweieinhalb Stunden gedehnt, aber unter seiner Leitung vom Philharmonischen Staatsorchester Hamburg gut gespielt, sowie ein Bühnenbild, das einer Publikumsbestrafung gleicht. Man hörte zwar auch Positives beim Hinausgehen, dass galt aber vor allem dem Wagnerschen Werk, welches auch durch eine solche In Szene Setzung nichts von seiner Macht verliert.

Der Fliegende Holländer
von Richard Wagner 

Hamburgische Staatsoper, 1. November 2022,
vierte Vorstellung seit der Premiere am 23. Oktober 2022

von Dr. Ralf Wegner

Wagners erstes großes Werk ist auf dem Abendzettel als „Romantische Oper in drei Aufzügen“ verzeichnet. Davon war in dem Bühnenbild von Olaf Altmann und der Inszenierung von Michael Thalheimer nichts zu spüren. Beim Hinausgehen, es wurde ohne Pause gespielt, hörte ich im Vorbeigehen einen etwa 45-jährigen Mann seiner Partnerin zurufend: So etwas Schlechtes habe er noch nie gesehen, da sei ja jeder Tatort besser. „Der Fliegende Holländer, Richard Wagner 
Hamburgische Staatsoper, 1. November 2022“
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Fidelio in Hamburg – ein zweistündiger Teige-Triumphzug zieht durch die Dammtorstraße!

Staatsoper Hamburg, Fidelio 2022 © Arno Declair

Königin Elisabeth gelingt der Befreiungsschlag schlechthin, nicht länger liegt die Leonore in den Ketten ihres Librettos. So wird selbst die misslungenste Oper der Welt – Fidelio – zu einem packenden Gesangsspektakel!


Fidelio

Musik von Ludwig van Beethoven
Libretto von Joseph Sonnleithner und Georg Friedrich Treitschke nach Jean Nicolas Bouilly

Kent Nagano, Dirigent
Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Chor der Hamburgischen Staatsoper

Inszenierung: Georges Delnon
Bühne: Kaspar Zwimpfer
Kostüme: Lydia Kirchleitner
Licht: Michael Bauer
Video: fettFilm
Dramaturgie: Klaus-­Peter Kehr, Johannes Blum

Staatsoper Hamburg, 25. Oktober 2022

von Johannes Karl Fischer

Um Beethovens einmaliges Opern-Experiment mache ich normalerweise einen großen Bogen, poetische Schlamperei statt hoher Dichtkunst ist das! Einzig die Besetzung an diesem Abend an der Staatsoper Hamburg – und die Aussicht, um Punkt halb acht fünfzehn Minuten lang beste Beethoven’sche Kunst zu hören – machte mir Mut, einen weiteren Versuch zu wagen. Lohnenswerter hätte es nicht sein können: Elisabeth Teige als Leonore singt alles, das Libretto, selbst einen herausragenden Klaus Florian Vogt, völlig in Grund und Boden. Eine Sensation! „Fidelio, Ludwig van Beethoven
Staatsoper Hamburg, 25. Oktober 2022“
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Elisabeth Teige gelingt eine Spitzenleistung als Leonore in Beethovens Fidelio

Foto: (RW) Fidelio, Staatsoper Hamburg 2022, Klaus Florian Vogt und Elisabeth Teige 

Mit großer, weit in den Raum tragender Stimme gelang der Norwegerin Elisabeth Teige eine Spitzenleistung. Vor allem ihre rund und tiefengrundiert kräftig klingende Mittellage mit vollem Klang  beeindruckte.

Fidelio
Musik von Ludwig van Beethoven
Libretto von Joseph Sonnleithner und Georg Friedrich Treitschke nach Jean Nicolas Bouilly

Kent Nagano, Dirigent
Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Chor der Hamburgischen Staatsoper

Inszenierung: Georges Delnon
Bühne: Kaspar Zwimpfer
Kostüme: Lydia Kirchleitner
Licht: Michael Bauer
Video: fettFilm
Dramaturgie: Klaus-­Peter Kehr, Johannes Blum

Staatsoper Hamburg, 25. Oktober 2022


Dr. Ralf Wegner

Kann jemand einen Grund nennen, der es ernsthaft rechtfertigt, Beethovens Leonorenouvertüre von kurz vor dem Ende, wie es früher üblich war, an den Beginn der Oper zu stellen, wo sie zum Singspielcharakter überhaupt nicht passt? Es plätscherte, von Kent Nagano gedehnt zelebriert, eher langsam dahin, wie ein beliebiges Konzertstück. Die musikalischen Motive erinnerten zwar an früher gesehene Fidelio-Aufführungen, bildeten aber nicht den musikalisch-retardierenden Höhepunkt nach dem ergreifenden Erlebnis der Befreiung Florestans durch Leonore.

Seungwoo Simon Yang (Jaquino), Andrzej Dobber (Don Pizarro), Klaus Florian Vogt (Florestan), Kent Nagano (musikalische Leitung), Elisabeth Teige (Leonore), Wilhelm Schwinghammer (Rocco), Narea Son (Marzelline), Kartal Karagedik (Don Fernando)

Die Oper Fidelio beginnt mit dem Werben Jaquinos um Marzelline als heiteres Singspiel, führt aber mit Einsetzen des Quartetts Mir ist so wunderbar, mit sehr viel Gemüt von Nareo Son begonnen, in eine tiefere, das folgende Melodram bereits andeutende Ebene des Stücks. „Ludwig van Beethoven, Fidelio
Staatsoper Hamburg, 25. Oktober 2022“
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„Der Fliegende Holländer“: Michael Thalheimers düstere Neuinszenierung in der Staatsoper Hamburg gibt Rätsel auf

 Jennifer Holloway, Benjamin Bruns Foto: Hans Jörg Michel

Richard Wagner: „Der Fliegende Holländer“

Staatsoper Hamburg,  23. Oktober 2022 (Premiere)

von Dr. Holger Voigt

Der Holländer ist ein Lohengrin. Statt auf einem Schwan zu reisen, der ausgesprochen elegant zu navigieren versteht, entscheidet er sich für einen Großsegler mitsamt unheimlicher Zombie-Matrosenschaft, die ihn auch prompt im Gefolge eines üblen Sturmes in der Bucht Sandvika bei Norwegen stranden lässt. Damit ist die schöne Elsa aus Antwerpen an der Schelde keine Option mehr für ihn, und er muss nun mit Senta vorlieb nehmen. Fast wortgleich kommuniziert Richard Wagner über seine Protagonisten mit den schönen Frauen seiner romantischen Sehnsüchte:

„Senta, Senta! Willst Du mich verderben?“ („Der Fliegende Holländer“)

„Elsa, was willst Du wagen?“ („Lohengrin“)

„Richard Wagner: „Der Fliegende Holländer“
Staatsoper Hamburg, 23. Oktober 2022 (Premiere)“
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Premiere in der Staatsoper: Hamburg feiert einen herausragenden Holländer!

 Jennifer Holloway Foto: Hans Jörg Michel

„Es muss etwas Neues geschehen.“ Eigentlich ein Zitat aus einem gewissen Schauspiel, das gerade am Alstertor abgesetzt wurde und in dessen Titel sich irreführend das Wort „Oper“ hineingeschlichen hat. Fünf Worte, die genauso gut als Leitmotiv des Regietheaters geeignet sind. Es leben die Calixto Bieitos, die Barrie Koskys und die Michael Thalheimers!

Der fliegende Holländer
Musik und Libretto von Richard Wagner

Staatsoper Hamburg, 23. Oktober 2022 PREMIERE

von Johannes Karl Fischer „Richard Wagner, Der fliegende Holländer
Staatsoper Hamburg, 23. Oktober 2022 PREMIERE“
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Kommentar von Dr. Ralf Wegner zur Nachfolge Demis Volpis' als neuer Ballettdirektor in Hamburg

Foto: Demis Volpi © Hamburg Ballett

Kommentar von Dr. Ralf Wegner, Hamburg

John Neumeier verlängert seinen Vertrag beim Hamburg Ballett bis 2024

Die Gazetten berichteten, manchmal süffisant, manchmal bösartig und manchmal nur ironisch, häufig aber auch nur als Übernahme von der deutschen Presseagentur: Der 36-jährige derzeitige Ballettdirektor in Düsseldorf, Demis Volpi, wurde gestern vom Hamburger Kultursenator als Nachfolger John Neumeiers bekannt gegeben. Er  tritt sein Amt aber erst 2024 an. Das ist erst einmal eine gute Nachricht, zunächst wegen der um ein Jahr verlängerten Intendanz Neumeiers, zum anderen ehrt es den Nachfolger, dass er seinen bestehenden Vertrag erfüllen will. „John Neumeier verlängert seinen Vertrag beim Hamburg Ballett bis 2024
Hamburgische Staatsoper, 22. Oktober“
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Alexandr Trusch überwältigt tänzerisch und darstellerisch als Hamlet 21

Alexandr Trusch als Hamlet (Foto: RW)

Was Trusch neben seiner tänzerisch-technische Perfektion darstellerisch-mimisch aus der Rolle herausholt, ist phänomenal. Man meint, sich in seinem Kopf zu befinden und direkt an den impulsiv gesteuerten Emotionen des Tänzers teilzuhaben.

Hamlet 21, Ballett von John Neumeier
Nachmittags- und Abendvorstellung

Staatsoper Hamburg, 16. Oktober 2022

von Dr. Ralf Wegner

Wo gibt es derzeit einen Tänzer, der diese Rolle so charismatisch, so tief unter die Haut gehend interpretieren könnte? Wahrscheinlich müsste man lange suchen und würde doch niemanden finden. Der 33-jährige Erste Solist des Hamburger Balletts Alexandr Trusch zeigt nicht nur mit seinen hohen, weiten Sprüngen und pfeilschnellen Drehungen, sondern auch mit seinem bewunderungswürdigen physischen Durchhaltevermögen, dass er zur internationalen Spitze der klassisch ausgebildeten Tänzer zählt. „Hamlet 21, Ballett von John Neumeier
Staatsoper Hamburg, 16. Oktober 2022“
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David Böschs Inszenierung stellt großartig einen gealterten Bassa Selim in den Mittelpunkt der Handlung

Foto: Daniel Kluge (Pedrillo), Oleksiy Palchykov (Belmonte), Hulkar Sabirova (Konstanze), Ádám Fischer (musikalische Leitung), Burghart Klaußner (Bassa Selim), Narea Son (Blonde), Ante Jerkunica (Osmin)

Die Entführung aus dem Serail
Wolfgang Amadeus Mozart

Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Ádám Fischer, Dirigent

Staatsoper Hamburg, 15. Oktober 2022


von Dr. Ralf Wegner

Selim ist ein Wanderer zwischen den Welten, dem die Zeit zwischen den Fingern verrinnt, ein alter, gebrochener Mann, ohne physische und seelische Energie. Seine Liebe zu Konstanze ist mehr Erinnerung als Empfindung; ein Wiederbelebungsversuch, der zum Scheitern verurteilt ist. Selim hat nicht einmal mehr die Kraft zum Singen, er kann sich nur noch durch Sprache, nicht mehr emotional verständlich machen. „Wolfgang Amadeus Mozart, Die Entführung aus dem Serail 
Staatsoper Hamburg, 15. Oktober 2022“
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Staatsoper Hamburg: "Ádám Fischer lebe lang!"

Foto: Jörg Landsberg ©

Staatsoper Hamburg, 6. Oktober 2022

Die Entführung aus dem Serail
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart
Libretto von Johann Gottlieb Stephanie

Würde dieses Haus doch immer so spielen, dann wäre Hamburg wieder eine wahre Musikstadt und die Oper am Gänsemarkt – wie in alten Zeiten – ein Haus von Weltruf. Luftiger Gesang fusioniert mit lustigem Schauspiel in einer Inszenierung ebenso kurz und knackig wie ihre Schöpfung: Das war Singspiel at its finest!

Johannes Karl Fischer

Nein, David Bösch und sein Team haben hier keine spektakulären Szenen wie im Don Pasquale zur Schau gebracht, Minimalismus ist angesagt. Ein paar Matratzen auf der Bühne, viel Personenregie ist im Spiel. Der Dirigent winkt den Osmin noch kurz zurecht, ein bisschen weiter links soll er stehen, bevor die nächste Nummer startet. Geplant oder eine kurze Korrektur?

Es wirkt – auch im zweiten Jahr – alles sehr spontan. Gut so, genau das, was dieses Genre braucht. Keine ausgefeilten, auf Perfektion inszenierten Witze, so nach dem Motto: „Jetzt bitte lachen!“. Gelacht wird, weil es was zum Lachen gibt. So war das zu Mozarts Zeiten, so kommt es am natürlichsten. Und: Zwei Wochen hatte die Regie damals, um ein Konzept für Schauspiel und Bühne auf die Beine zu stellen. „Wolfgang Amadeus Mozart, Die Entführung aus dem Serail
Staatsoper Hamburg, 6. Oktober 2022“
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