Erinnerungen an Jan Kiepura – Teil 1
Foto: Jan Kiepura, Fotografie (1932/33) von Wanda von Debschitz-Kunowski, Wikipedia
Der Schlager „Ob blond, ob braun, ich liebe alle Frauen“ von Robert Stolz aus dem Jahr 1935 ist immer noch bekannt und beliebt, besonders bei den Herren älterer und mittlerer Generation. Aber nicht jeder weiß, dass der erste Interpret dieses Liedes der polnische Startenor jüdischer Herkunft Jan Kiepura (1902-1966) war, der sowohl in Opern als auch in Operetten und in zwölf Musikfilmen auftrat. Legendär sind seine spontanen, öffentlichen Auftritte; einmal sang er sogar stehend auf dem Dach eines Taxis.
Im Mai 2022 war der 120. Geburtstag dieses Sängers und Schauspielers, der in den 1920er und 1930er Jahren eine große Karriere ebenfalls im deutschsprachigen Raum machte. Leider fiel seine berufliche Tätigkeit in Deutschland mit der Herrschaft der Nationalsozialisten zusammen, die versuchten, den Künstler für ihre Propagandazwecke zu nutzen.
von Jolanta Łada-Zielke
Jan Kiepura wurde 1902 in Sosnowitz (Polnisch: Sosnowiec) geboren. Nach einer Gesangsausbildung in Warschau debütierte er 1924 an der Lemberger Oper. Von 1926 bis 1928 sang er an der Wiener Staatsoper, worauf Engagements auf allen bedeutenden Opernbühnen Europas folgten. 1938 verpflichtete ihn schließlich die Metropolitan Opera. Carsten Roschke behauptet, in deutschen „Sängerfilmen“ gelänge der polnische Tenor dank seinem hervorragenden Belcanto, sowie der Fotogenität, Ausdruckstärke und dem strahlenden Optimismus zu Berühmtheit [1]. Der Sänger spielte und sang in den Produktionen: „Ein Lied für Dich“ (1933), „Mein Herz ruft nach Dir“ (1934), „Ich liebe alle Frauen“ (1935), „Im Sonnenschein“ (1936).
Die Nationalsozialisten versuchten Kiepura zum „beliebtesten Tenor der Welt“ zu erheben. Hermann Göring förderte polnische Künstler bei deren Gastspielen im „Dritten Reich“ und organisierte sogar die Berlinpremiere von Moniuszkos Oper „Halka“ 1936. In der Aufführung dieser Oper in Hamburg im Mai 1935 sang Kiepuras jüngerer Brüder Władysław Ladis, auch ein Tenor, als einziger Pole in der Besetzung. All diese Aktionen waren umso erstaunlicher, als bereits 1933 das deutsche Konsulat in Kattowitz feststellte, dass Kiepuras Vater ein jüdischer Bäckermeister aus Sosnowiec war. Im November 1933 erklärte jedoch die reichsdeutsche Fachpresse Jan Kiepura als „gebürtigen Polen“. „Ladas Klassikwelt 94: Erinnerungen an Jan Kiepura – Teil 1
klassik-begeistert.de“ weiterlesen