Schweitzers Klassikwelt 95: Eine Inszenierung öffnet uns die Augen

von Lothar und Sylvia Schweitzer

Es ist der 25. April 1999. Die Premiere der komischen Oper „Die verkaufte Braut“ an der Oper Bonn ist glücklich vorbei. Unser Freund Michael Eder, alias Kecal, vermittelte uns zur Premierenfeier. Dort eingeführt ist es uns ein Bedürfnis, der Regisseurin Barbara Beyer vorgestellt zu werden. Wir gratulieren ihr zu der gelungenen Inszenierung und haben das Gefühl, sie wäre lieber in eine heiße Diskussion verwickelt worden. Fünfzehn Jahre später war sie Mitherausgeberin von „Die Zukunft der Oper“, dem Ergebnis einer zweijährigen Forschungsarbeit. „Schweitzers Klassikwelt 95: Eine Inszenierung öffnet uns die Augen
klassik-begeistert.de, 21. August 2023“
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Schweitzers Klassikwelt 94: Wenn der Ausgang der Oper offen bleibt oder Weder Tragödie noch Happy End

„Die tote Stadt“, Wiener Staatsoper Bühnenbild: Wolfgang Gussmann Foto: Michael Pöhn


von Lothar und Sylvia Schweitzer

Wenn der Witwer Paul in Korngolds wunderschöner Oper zum Schluss singt: „Ein Traum hat meinen Traum zerstört.“, so klingt das für sich allein betrachtet ernüchternd und enttäuschend, würde man nicht die vorhergehende Handlung kennen. Wobei eine Enttäuschung als Ende einer Täuschung schmerzhaft, aber zu bejahen wäre. „Harre mein in lichten Höhen“ geht es später weiter, was ein erlösendes, erhebendes Gefühl aufkommen lässt, doch der Nachsatz hat wieder einen bitteren Beigeschmack: „Hier gibt es kein Auferstehn.“ Wird Paul die Tatsache des frühen Todes seiner Marie jetzt auf andere Weise leben und er-tragen? Wird er aus der sinnbildlichen „toten Stadt“ ausziehen? Oder wird Paul gar unter gesünderen Voraussetzungen eine neue Partnerschaft eingehen können? Wir sind an einer Fortsetzung dieser Oper eigentlich nicht interessiert, denn wir befürchten eine Banalisierung und zweifeln, ob ein derartiger Höhepunkt wie in Korngolds Werk noch einmal erreicht werden kann. Das Offen-Bleiben ist in dem Fall das geeignetste Stilmittel. Trotzdem kann man von einer Katharsis sprechen. „Schweitzers Klassikwelt 94: Wenn der Ausgang der Oper offen bleibt oder …
klassik-begeistert.de 8. August 2023“
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Schweitzers Klassikwelt 93: Welche Probleme bei der Rezension kleiner Opernpartien auftreten

von Sylvia und Lothar Schweitzer

Einen Teil unsrer LeserInnen wird der Name Ivan Rebroff, eigentlich Hans Rolf Rippert (Rippe = russisch rebro), etwas sagen. Aber wer von ihnen hat ihn noch in der Oper – zum Beispiel als Polizeikommissär im dritten Akt im „Rosenkavalier“ in der Frankfurter Oper 1965 – gehört, bevor er eine andere, medial ausgerichtete Laufbahn einschlug? Damals unauffällig konnte er nicht wie später mit vier Oktaven einschließlich Falsett trumpfen. „Schweitzers Klassikwelt 93: Welche Probleme bei der Rezension kleiner Opernpartien auftreten
klassik-begeistert.de, 25. Juli 2023“
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Schweitzers Klassikwelt 92: Überbietet eine Oper das Theaterstück oder den Roman

Steidl Verlag, Einbandgestaltung: Klaus Detjen unter Verwendung des Bilds „Paris, Regentag“ von Gustave Caillebotte (1877)  

von Lothar und Sylvia Schweitzer

In der Einführung zu einer Sonntagsmesse im ORF III meinte die Chorleiterin in Anspielung auf das Evangelium des Sonntags von der Verklärung des Herrn, auch den Chorgesang des Kyrie, des Sanctus und des Agnus Dei können wir wie „eine Stimme aus der Wolke“ erleben. Die Musik als vierte Dimension, über das irdische hinausgehend, eine Offenbarung eigener Art.

„Son of God Mass“ von James Whitbourn für gemischten Chor, Sopransaxophon und Orgel   Grazer Dom   6. März 2023  ORF III

Und dann ein gänzlich anderes Erlebnis. Im Burgtheater Heidemarie Hatheyer als Grillparzers Medea. Für mich gab es in der Ausschließlichkeit der Jugend nur mehr Wagners Gesamtkunstwerk. Jetzt plötzlich diese faszinierende Sprechstimme, die ohne großen Tonumfang Ausdruck hatte und mitriss. „Schweitzers Klassikwelt 92: Überbietet eine Oper das Theaterstück oder den Roman?
klassik-begeistert.de, 10. Juli 2023“
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Schweitzers Klassikwelt 91: Ist es die Abendverfassung auf der Bühne oder das unterschiedliche Hörerlebnis des Publikums?

Einhelliges Lob für Lisette Oropesa als Konstanze in „Die Entführung aus dem Serail“, Wiener Staatsoper   Foto: Michael Pöhn

von Lothar und Sylvia Schweitzer

Hat sich der Charakter des Eugen Onegin in sechs Tagen so verändert? Ein Rezensent sieht in ihm den Misanthropen, eine andere Kollegin sagt dem blasierten Lebemann nach, er sei bei seiner Konfrontierung mit Tatjana zu liebenswürdig.

Nach einer Aufführung wird dem Interpreten nahegelegt, die Rolle des Pizarro zur Seite zu legen, weil dessen Stimme dieser hochdramatischen Partie nicht gewachsen ist und die große Arie ein verlorener Kraftkampf war.  Die Partie des Pizarro scheint ihre heimtückischen Seiten zu haben. „Schweitzers Klassikwelt 91: Ist es die Abendverfassung auf der Bühne oder das unterschiedliche Hörerlebnis des Publikums?
klassik-begeistert.de, 27. Juni 2023“
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Schweitzers Klassikwelt 90: Das Wörtchen „Aber“ kann das vorher Gesagte wieder aufheben

„ABER“  

Im Wörterbuch wird bloß von einer Entgegenstellung gesprochen. Andere Bezeichnungen wären: andrerseits, doch, hingegen, demgegenüber. Wir ergänzen: obwohl, allerdings. Also soll ein Gegensatz ausgedrückt werden oder zumindest eine Einschränkung. Der Versuch einer Harmonisierung misslingt leider oft.


von Lothar und Sylvia Schweitzer

Wir erfahren das besonders häufig bei der Lektüre über das Auftreten verdienter SängerInnen im Herbst ihrer Laufbahn. Wie in alten Zeiten beginnt das Exposé mit Lobeshymnen, bis im Nachsatz oder in Folgesätzen prosaisch man es anders liest. „Schweitzers Klassikwelt 90: Das Wörtchen „Aber“ kann das vorher Gesagte wieder aufheben
klassik-begeistert.de, 13. Juni 2023“
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Schweitzers Klassikwelt 89: Aida oder Amneris, das ist hier die Frage!

 

Anna Netrebko (linkes Bild, Aida) und Elīna Garanča (rechtes Bild, Amneris) © Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

von Lothar und Sylvia Schweitzer

Gleich zu Beginn der Oper singt Radamès eindringlich und mit viel Gefühl von seiner himmlischen Aida. Aida und Radamès sind bis zum tragischen Schluss nicht auseinander zu denken. Wo die Liebe hinfällt, denke ich für meinen Teil und frage gegen den Strich: Warum nicht Amneris?

Diese Frage beherrscht den Augenblick, wenn wir einen Abend erleben, an dem zwei Spitzensängerinnen wie Anna Netrebko und Elīna Garanča als Rivalinnen auftreten und die Garanča als Amneris eine so vornehme Ausstrahlung besitzt. Wenn meine Frau und ich uns in Radamès hineindenken, er konnte als junger Offizier nicht einmal davon träumen, in Augenhöhe ihrer durchlauchten Pharaonentochter zu gelangen. Aidas hoher Stand war ihm, obzwar Edelsklavin der Amneris, nicht bekannt. „Schweitzers Klassikwelt 89: Aida oder Amneris, das ist hier die Frage!
klassik-begeistert.de, 30. Mai 2023“
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Schweitzers Klassikwelt 88: Wie erlebte man die Opern zur Zeit ihrer ersten Aufführungen im Vergleich zu heute?

Als Herausgeber von klassik-begeistert.de gratuliere ich unserem „senior writer“ Lothar Schweitzer – mit ungehöriger Verspätung – zu seinem
80. Geburtstag. Alles Gute, Glück, Gelassenheit und Gesundheit, lieber Lothar, und allzeit eine Handbreit Wasser unterm Kiel. Dank Lothar haben
wir jetzt eine Autorenaltersspannbreite von 21 bis 80 Jahren. Fast 60 Jahre trennen den Apotheker Lothar von unserem jüngsten Autor, den Studenten Leander Bull. Lothar könnte sein Urgroßvater sein.

Unser senior writer schrieb mir: „Ich bin an einem neunten April geboren, neun ist meine Lieblingszahl, ich tendiere großväterlich erblich belastet zu allem Neuen. Deswegen schreibe ich auch das Binnen-I, obwohl ich die Gender-Philosophie großenteils ablehne, außer beim tiefen e der Altistinnen. Da überkommt mich ein prickelndes Gefühl. Das Schöne am Alter ist der Überblick. Ich hatte privat ein sehr bewegtes Leben… Letzten Endes wurde ich mit Sylvia, deren Gesangspädagogin Ella Firbas uns schon in den Sechzigerjahren zusammenbringen wollte, sehr glücklich. Mir wird schwindlig, wenn ich daran denke, aus welchen gefährlichen Situationen ich in meinem Leben entkommen bin.“

Lieber Lothar: Glück auf! 100 weitere Schweitzers Klassikwelten!

Herzlich, 
Andreas

 

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Kritische Anmerkungen zum Thema „Werktreue“

von Lothar und Sylvia Schweitzer

Der 4. Februar 1973. Es war das erste „Aida-Erlebnis“. Mit Gwyneth Jones, Plácido Domingo und Riccardo Muti am Pult. Und wie ganz anders berührte uns fast genau fünfzig Jahre später diese Verdi-Oper, in der viel vom Krieg die Rede ist, wenn jetzt gerade nicht weit entfernt von unsrem Land ein unbarmherziger Krieg tobt!

So stellt sich die Frage: Kann eine Oper auch beim Streben nach einer so genannten „werktreuen“ Inszenierung immer die gleichen Gefühle hervorrufen? Die Regie hatte die interessante Idee geboren, bei Operetten, die während des Ersten Weltkriegs ihre Premiere hatten, Kriegsszenen einzublenden. Doch war damit eine ungeschönte Echtheit garantiert? Denn das Publikum strömte damals ins Theater, um abzuschalten und zu vergessen, um sich einer Illusion hinzugeben. „Schweitzers Klassikwelt 88: Wie erlebte man die Opern zur Zeit ihrer ersten Aufführungen im Vergleich zu heute?“ weiterlesen

Schweitzers Klassikwelt 87: Werden die Frauen in den Opern zur Inkarnation der Schwäche?

Ileana Cotrubaş als Violetta – Photo Fayer Wien

In einem Gastbeitrag in der deutschen Wochenzeitung DIE ZEIT schildert die Regisseurin und Leiterin der Opernklasse an der „Hochschule für Musik Carl Maria von Weber“ in Dresden, Barbara Beyer, treffend das Ende einer „La Bohème“: „Es folgen die mächtigen Schlussakkorde, dann heftiger Applaus. Im Anschluss wird gegessen und geplaudert, über die Neuinszenierung von Puccinis Oper allerdings nur am Rande. Sie hat schließlich kaum etwas Neues zu erzählen. Auch in dieser Aufführung bleibt Mimì eine der Ikonen des schwachen Geschlechts.“

von Lothar und Sylvia Schweitzer

Barbara Beyer erinnert in dem Artikel an kritische Betrachtungen der sakrosankten Opern in den Siebzigerjahren. Nicht länger mehr wollte man Gilda oder Margarethe als Opfer zusehen. Auch Violetta sollte nicht mehr sterben müssen.

Wir wollen diese Typisierung einer Überprüfung unterziehen. Wir unterstellen jedoch der namhaften Regisseurin keine Verallgemeinerung und die LeserInnen sollen auch nicht Gefahr laufen, die Betrachtungen der Professorin einseitig misszuverstehen. „Schweitzers Klassikwelt 87: Werden die Frauen in den Opern zur Inkarnation der Schwäche?
klassik-begeistert.de 2. Mai 2023“
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Schweitzers Klassikwelt 86: Was uns in Opern am meisten zu Herzen ging

Design: Leopoldo Metlicović 1904

In Rezensionen von Kolleginnen merken wir oft, wie stark ihnen das Schicksal von Opernfiguren nahe geht, einer Mimì, einer Violetta. Die Empathie reicht sogar zu Walter Scotts Romanfigur, der Braut von Lammermoor, in Form von Donizettis „Lucia di Lammermoor“. Von Goethe wurde der schottische Dichter noch sehr geschätzt.

von Lothar und Sylvia Schweitzer

Es sind manchmal erdachte Figuren, der Fantasie entsprungene Personen, die aber Ähnlichkeiten mit uns nahestehenden Menschen haben. Wir können die Beobachtung bestätigen, bei Begräbnissen sind oft ferner Stehende zu Tränen gerührt, weil sie an ganz persönliche Verluste wieder erinnert werden.

Ich bereute einmal, meinen Vater zu einer Tosca-Aufführung animiert zu haben, wo er doch im Krieg einer Exekution beiwohnen musste, was ihn sichtlich wieder bewegte. „Schweitzers Klassikwelt 86: Was uns in Opern am meisten zu Herzen ging
klassik-begeistert.de“
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