Im Dunkel trifft mich Haas’ Klangwelt direkt in den Bauch

© Frank Heublein

Das habe ich noch nie erlebt: über die Hälfte der Aufführung sind Orchester, Sängerinnen und Sänger in komplette Dunkelheit getaucht. Der Gong in Forte durchfährt meinen Körper. Die Töne, die Klangfelder, die Klangteppiche, das Pulsen nur hören ist unmittelbarer als mit Sehen. Überraschend trifft mich der Klang direkt in meinen Bauch. Über die Hälfte der Aufführung findet im Dunkeln statt. Die Töne, die Klangfelder, die Klangteppiche, das Pulsen nur hören ist so viel unmittelbarer, intensiver.

Koma
Komposition von Georg Friedrich Haas
Oper mit einem Text von Händl Klaus
Konzertante Aufführung

Musikalische Leitung Bas Wiegers

Mozarteum, Salzburg, 24. Juli 2024

von Frank Heublein

Im Mozarteum in Salzburg wird an diesem Abend Koma von Georg Friedrich Haas konzertant aufgeführt. 2016 uraufgeführt in Schwetzingen erarbeitete Haas bis 2018 die definitive Fassung, die an diesem Abend aufgeführt wird.

Das habe ich noch nie erlebt: über die Hälfte der Aufführung sind Orchester, Sängerinnen und Sänger in komplette Dunkelheit getaucht. Ich ziehe meinen Hut vor Sängern und Orchestermitgliedern, die in Dunkelheit singen und spielen. Der Gong in Forte durchfährt meinen Körper. Die Töne, die Klangfelder, die Klangteppiche, das Pulsen nur hören ist so viel unmittelbarer, intensiver als mit Sehen. Überraschend trifft mich der Klang direkt in meinen Bauch. Der Gesang ist Teil des orchestralen Klangkörpers, iteriert etwa aus dem Flirren der Geigen, dem Brummen der Flügelhörner heraus. „Koma, Komposition von Georg Friedrich Haas, Oper mit einem Text von Händl Klaus
Mozarteum, Salzburg, 24. Juli 2024“
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Wenn das Cello zum störrischen Esel wird

Sol Gabetta und Patricia Kopatchinskaja © Der Bund.ch

Patricia Kopatchinskaja und Sol Gabetta im Mozarteum

Salzburg, Stiftung Mozarteum, 29. Juli 2023

Patricia Kopatschinskaja, Violine
Sol Gabetta, Violoncello

von Kirsten Liese

Ich habe Patricia Kopatschinskaja schon mit so manch trefflicher Interpretation gehört, aber nicht erwartet, ein so ungewöhnliches, vorzügliches Duo-Konzert mit ihr und der Cellistin Sol Gabetta in Salzburg zu erleben. Auf Gabetta trifft das gleichermaßen zu: Als Kammermusikerin überzeugt sie mich voll und ganz, noch nie zuvor hat sie mich derart für sich eingenommen. Für intime Musik erscheint sie mir jedenfalls weit stärker prädestiniert als für die großen romantischen Cellokonzerte, bei denen sie für meinen Geschmack keinen so seidigen, großen schönen Ton vernehmen lässt wie ich ihn von anderen berühmten Cellisten gewohnt bin. „Patricia Kopatchinskaja und Sol Gabetta im Mozarteum Salzburg
Stiftung Mozarteum, 29. Juli 2023“
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Salzburger Festspiele: Mozart etwas eindimensional

Seong-Jin Cho © Christopher Köstlin / Deutsche Grammophon 

Austauschbar – war so der Gedanke, der mir zuerst durch den Kopf schießt. Zumindest bis zum Schlusssatz von Mozarts berühmten Klavierkonzert Nr. 9 in Es-Dur, besser bekannt als „Jeunehomme“. Bach oder generell Barock sollte er eher spielen. Seong-Jin Cho, der junge Pianist, der 2015 den renommierten Chopin Klavierwettbewerb in Warschau gewonnen hat. In Salzburg steht er nun als Mozart-Pianist auf der Bühne. Nicht unbedingt seine Stärke.

Mozart-Matinee, Stiftung Mozarteum, Großer Saal, 29. Juli 2023

Ivor Bolton, Dirigent
Seong-Jin Cho, Klavier
Mozarteumorchester Salzburg

von Jürgen Pathy

„Wunderschöner Saal“, höre ich eine Reihe vor mir. Verliebt wirkt das junge Paar, während er ihr zärtlich übers Gesicht streichelt. Besucher, die sicherlich irgendwo aus Deutschland angereist sind. Die Grenze liegt auch nur einen Steinwurf entfernt von Salzburg. Rund 50 Prozent des gesamten Kartenkontingents der Salzburger Festspiele gehen an das Publikum aus dem großen Nachbarland. Hinter mir ein Gespräch in französischer Sprache. Keine Ahnung, was sie plaudern. Meine Französischkenntnisse reichen da leider nicht aus. Ansonsten natürlich auch Einheimische, das erkenne ich am Dialekt. Gemeinsam haben sie alle eines: Schick haben sie sich gemacht. Immerhin ist Festspielzeit – und nicht irgendwo: Salzburger Festspiele. Die trotzen allen Krisen. So gut wie alles ausverkauft. Auch der große Saal der Stiftung Mozarteum, wo die beliebten Mozart-Matineen stattfinden.

„Seong-Jin Cho, Klavier, Mozarteumorchester Salzburg, Ivor Bolton,
Stiftung Mozarteum, 29. Juli 2023“
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Riccardo Minasi treibt das Mozarteumorchester zu ungeahnten Höhenflügen 

Foto: Riccardo Minasi und das Mozarteumorchester bei den Salzburger Festspielen © SF / Marco Borrelli

Stiftung Mozarteum, Großer Saal, Salzburg, 30. Juli 2022

Mozart-Matinee

Riccardo Minasi, Dirigent
Mozarteumorchester Salzburg

von Jürgen Pathy

Mozart in Salzburg. Authentischer kann es gar nicht sein. Überhaupt wenn man nur einen Steinwurf entfernt von Mozarts Wirkungsstätten im Konzertsaal sitzt – Geburtshaus, „Tanzmeisterhaus“ und wer weiß schon, an welchen Orten er hier zu Lebzeiten noch gewandelt ist. Dass dabei mehr als nur Hochgefühle entfachen, ist aber nicht nur der unmittelbaren geographischen Nähe zu verdanken, sondern auch Riccardo Minasi.

Mit welchem Feuer der gebürtige Römer das Mozarteumorchester durch Mozarts letzte drei Sinfonien geleitet, ist atemberaubend. Dabei reizt er das Spiel mit den Tempi enorm aus. Geht an die Grenzen, ohne sie aber jemals wirklich zu überschreiten. Mozarts Musik, balanciert zwischen vehementer Rasanz und fast schon Stillstand. So erweckt man diese adeligen Edelsteine zu neuem Leben.

Mozarts Symphonien voller Energie und Leben

„Ich mag den Minasi“, erzählt eine Frau, die über beide Ohren strahlt. Früher sei er sogar noch richtig in die Höhe gesprungen. Jetzt begnügt er sich mit energischer Zeichengebung. Reißt mal die Hände in die Höhe, als wolle er den Allerheiligsten beschwören. Vor allem dann, wenn er ein energiegeladenes Forte im Tutti fordert. Legt dann so nebenbei mal einen flotten Hüftschwung ein, wenn er es dolce, „süß“ und verspielt möchte. Oder setzt auch schon Mal beinahe zum Kopfball an, wenn er den Einsatz den zweiten Geigen in die Hände spielt. Dabei entsteht eine enorme Spielfreude, die auch auf den Gesichtern vieler Musiker abzulesen ist – vor allem auf dem der weiblichen.

Dass die Symphonien allerdings wirklich lebendig klingen, ist überwiegend seinem Spiel mit der Agogik zu verdanken. Wie zum Beispiel im Andante der berühmten g-Moll Symphonie KV 550, die fast schon jedes Kind erkennt. Möchte man zumindest hoffen, überhaupt in Salzburg. In diesem so zärtlichen Andante, einem Hauch von Nichts, da verzögert er immer wieder mal punktuell. Reizt das Tempo fast schon bis zum Stillstand aus, nur um danach rasant zu explodieren, und so den Kontrast zu betonen, den es zwischen den lyrischen und energischen Stellen auf jeden Fall hervorzuheben gilt.

„Mozart-Matinee, Riccardo Minasi, Dirigent Mozarteumorchester Salzburg
Stiftung Mozarteum, Großer Saal, Salzburg, 30. Juli 2022“
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Enescu und Ravel: Das verlorene Vermächtnis eines einzigartigen Komponistenduos erscheint in Salzburg in neuem Glanze

Foto © SF / Marco Borrelli
Solistenkonzert Kopatchinskaja · Leschenko, Salzburger Festspiele Stiftung Mozarteum, Großer Saal, 18. August 2019

Patricia Kopatchinskaja, Violine
Polina Leschenko, Klavier

  • George Enescu, Impressions d’enfance op. 28 & Sonate Nr. 3 a-Moll op. 25
  • Maurice Ravel, Sonate Nr. 2 G-Dur & Tzigane – Rhapsodie de concert

von Raphael Eckardt

Nur wenige Künstler erfreuen sich auf den verschiedensten Bühnen dieser Welt einer solchen Beliebtheit wie die Violinistin Patricia Kopatchinskaja. Da verwundert es dann freilich wenig, dass die moldauisch-österreichische Ausnahmekünstlerin zusammen mit der russischen Pianistin Polina Leschenko auch diesmal wieder im Rahmen der Salzburger Sommerfestspiele zu hören und zu bestaunen war – mit einem Programm, das unter anderem die musikalische Mannigfaltigkeit der französischen Avantgarde-Hochkultur mit osteuropäischen Einflüssen exzellent zu verbinden wusste. „Solistenkonzert Kopatchinskaja · Leschenko, Salzburger Festspiele, Stiftung Mozarteum, Großer Saal, 18. August 2019“ weiterlesen

"Poppea": Wegen solch einer Aufführung wurden die Salzburger Festspiele gegründet!

Foto: © Salzburger Festspiele / Maarten Vanden Abeele
Salzburger Festspiele, Haus für Mozart
, 18. August 2018
Claudio Monteverdi, L’incoronazione di Poppea

von Phillip Schober

Vor vier Jahrhunderten entwickelte Claudio Monteverdi die Kunstform der Oper und führte diese zugleich zu ihrem Höhepunkt. Alle nachfolgenden Komponisten mussten sich an der Musikalität dieses frühbarocken Meisters messen. Bei den Salzburger Festspielen begleitete das Barockensemble „Les Arts Florissants“ die Aufführung von Monteverdis letzter Oper, der „L’incoronazione di Poppea“. Einzigartige Stimmen sowie traumhafte Tänzer führten zur Krönung dieser Poppea. „Claudio Monteverdi, L’incoronazione di Poppea,
Salzburger Festspiele, Haus für Mozart“
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Das wohldosierte Klavier
András Schiff sorgt für eine Bach’sche Konzertsternstunde in Salzburg

Foto: ©Salzburger Festspiele / Marco Borrelli
Solistenkonzert András Schiff – Johann Sebastian Bach
Das Wohltemperierte Klavier (Teil II), BWV 870–893
Salzburger Festspiele,  Stiftung Mozarteum, 16. August 2018

von Raphael Eckardt

Kaum ein Pianist erfreut sich auf den verschiedensten Bühnen dieser Welt einer solchen Beliebtheit wie András Schiff. Da verwundert es dann freilich wenig, dass der österreichisch-britische Ausnahmekünstler auch diesmal wieder im Rahmen der Salzburger Sommerfestspiele zu hören und bestaunen war – mit einem Programm, das eigentlich so gar nicht „Schifftypisch“ daherkommt. Wer sich je mit der Person András Schiff beschäftigt hat, der weiß, wie viel Wert dieser Pianist auf äußerte Präzision, dynamische Differenzierung und jede Figur in hochkomplexen Klaviersätzen legt: Schiff gilt unter den Klaviergrößen unserer Zeit oft als der Meister der Kontraste, als akribischer Präzisionsarbeiter oder als König der pianistischen Sorgfalt. Oftmals sind bei Schiffkonzerten Programme zu bestaunen, die zwar von einem roten (und wohl durchdachten) Faden durchzogen werden, aber vor allem von Kontrasten und Überraschungen leben. Dass am vergangenen Donnerstag in Salzburg ausgerechnet (und ausschließlich) der zweite Teil des Wohltemperierten Klaviers von Johann Sebastian Bach auf dem Programmzettel stand, mochte da zunächst den ein oder anderen Konzertbesucher verwundern.

„Solistenkonzert András Schiff, Johann Sebastian Bach BWV 870–893, Salzburger Festspiele, 16. August 2018“ weiterlesen

San Giovanni Battista von Alessandro Stradella: Barockes Oratorium fesselt in Salzburg

© Marco Borrelli
Alessandro Stradella: San Giovanni Battista. Oratorium, 
Salzburger Festspiele, Stiftung Mozarteum, Großer Saal, 26. Juli 2018

Collegium 1704
Giulia Semenzato, Salomè
Lucile Richardot, Herodias
Christophe Dumaux, Johannes der Täufer
Krystian Adam, Berater
Krešimir Stražanac, Herodes
Václav Luks, Dirigent

von Thomas Genser

Wie die Musik früherer Epochen ursprünglich geklungen hat, wird man wohl niemals zur Gänze nachvollziehen können. Einen authentischen Annäherungsversuch bietet aber das Collegium 1704. Während dieses Jahr in der Salzburger Felsenreitschule Strauss’ Salome über die Bühne geht, bringt das tschechische Orchester im Mozarteum die gleiche Geschichte in barockem Kleid zur Aufführung. Stradellas Oratorium San Giovanni Battista überzeugt durch hervorragende Solisten und das fesselnde Dirigat von Václav Luks.
„Alessandro Stradella, San Giovanni Battista, Stiftung Mozarteum, Salzburger Festspiele, 26. Juli 2018“ weiterlesen