CD-Rezension:
Insbesondere, wenn es so gut gespielt wird wie hier
Violinkonzerte von Florence Price (Nr. 1 & 2) und Max Bruch (Nr. 1)
Randall Goosby
Yannick Nézet-Séguin
Philadelphia Orchestra
Decca, DG 485 4234
von Brian Cooper, Bonn
Mea culpa. Da schrieb ich noch Ende April, ich wünschte mir eine Aufnahme der beiden Violinkonzerte von Florence Price mit Randall Goosby und Yannick Nézet-Séguin, und siehe da, es gibt sie schon, eingespielt mit dem Philadelphia Orchestra.
Hatte Yannick Nézet-Séguin bereits im Mai 2021 die Sinfonien 1 und 3 von Florence Price in der Verizon Hall aufgenommen, so waren es nun ihre beiden Violinkonzerte, die im Oktober des folgenden Jahres an selbiger Stätte live eingespielt wurden. Solist ist Randall Goosby, der schon auf besagter Frühjahrstournee mit den Rotterdamer Philharmonikern im 2. Violinkonzert begeistert hatte.
Auch auf der CD spürt man die „palpable chemistry“ (im Booklet als „spürbare Harmonie“ übersetzt) zwischen Solist und Orchester. Das dreisätzige Violinkonzert Nr. 1, wie so viele große Violinkonzerte in D-Dur, steht ein wenig in der spätromantischen Tradition, aber vor allem ist nicht zu überhören, dass Florence Price auch ihren Tschaikowski kannte.
Im ausladenden Kopfsatz gefallen die kadenzartigen Passagen der unbegleiteten Solovioline sehr, von denen eine – etwa zwischen Minute 10 und 11 – haargenau am Violinkonzert Tschaikowskis orientiert ist. Der langsame Mittelsatz ist viel origineller, und somit auch interessanter, während der Finalsatz irgendwo dazwischenliegt. Die Einwürfe und Tuttipassagen des Philadelphia Orchestra, das unter seinem charismatischen Chefdirigenten hellwach aufspielt, könnten beseelter kaum sein.
Das Violinkonzert Nr. 2 ist nur halb so lang wie das erste, doch um Längen origineller. Die orchestralen Klangfarben gehen mitunter in Richtung Richard Strauss. Randall Goosby produziert auch hier einen herrlichen Geigenton, der einen sofort in den Bann zieht. Er meistert schwierigste technische Passagen mit Leichtigkeit und hinterlässt eine tiefe Überzeugung in seinem Publikum, dass das Werk genau so und nicht anders klingen soll. Im Orchester brilliert nicht zuletzt die Solotrompete; aber es ist insgesamt ein lyrisch-heiteres Wechselspiel, ein fröhliches Zuwerfen der Bälle, das dieses Stück unbedingt hörenswert macht.
Zusätzlich zu den zwei Violinkonzerten, die selbst Hardcore-Geigenfans bis dato unbekannt gewesen sein dürften, gibt es neben dem schmalzig-schönen Kurzstück Adoration, ebenfalls von Price und von Jim Gray arrangiert, zu Beginn noch ein Schlachtross der Violinliteratur: Max Bruchs g-Moll-Konzert op. 26. Ein elegischer Ton des Solisten zeichnet auch diese Liveaufnahme aus: Tatsächlich tippte man bei blindem Hören auf eine ältere Einspielung eines Großmeisters. Goosby erwähnt im Booklet explizit Oistrach, Perlman, Heifetz und Milstein als jene Geiger, mit deren Aufnahmen er aufwuchs.
Mir persönlich gefällt der süße Geigenton, den auch sein Lehrer Itzhak Perlman hat, ungemein. Das lange Tutti des Orchesters im ersten Satz ist einer der Höhepunkte des Werks und wird von der amerikanischen All-Star-Band vorzüglich zelebriert.
Dr. Brian Cooper, 9. August 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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