Daniel Lozakovich begeistert mit Tschaikowskis Violinkonzert

Daniel Lozakovich, Rotterdam Philharmonic Orchestra/Tarmo Peltokoski  Konzerthaus Dortmund, 10. Oktober 2025

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Tarmo Peltokoski dirigiert das Rotterdamer Orchester in einer nicht in Gänze hinreißenden Aufführung der „Leningrader“ Sinfonie.

Pjotr Tschaikowski (1840-1893) – Violinkonzert D-Dur op. 35

Dmitri Schostakowitsch (1906-1975) – Sinfonie Nr. 7 op. 60 „Leningrad“

Daniel Lozakovich, Violine
Rotterdam Philharmonic Orchestra
Tarmo Peltokoski, Dirigent

Konzerthaus Dortmund, 10. Oktober 2025

 von Brian Cooper

Dieser Abend war ein guter, so viel vorweg. Allerdings trübten ein paar Kleinigkeiten im Zusammenspiel zwischen Orchester und Solist, nach der Pause auch innerhalb des Orchesters, einen ansonsten großartigen Gesamteindruck.

Da ist zum einen Tschaikowskis Violinkonzert op. 35. Daniel Lozakovich, den ich zum ersten Mal hörte, spielte das schwere Werk souverän, mit einer äußerst bescheidenen und sympathischen Bühnenpräsenz, und gab ihm dabei eine staunenswerte Leichtigkeit, die alle technischen Schwierigkeiten vergessen ließ.

Dem exzellenten Rotterdams Philharmonisch Orkest (international gern auch „Rotterdam Philharmonic Orchestra“) unter seinem Ersten Gastdirigenten Tarmo Peltokoski hörte man allerdings an, dass es ein schweres Werk ist. Das lag an teilweise unpräzisem Zusammenspiel und, in der „Leningrader“ Sinfonie nach der Pause, an zu zügig gewählten Tempi, zumindest nach dem Eindruck dieses Hörers. Und es obliegt dem Dirigenten, für Klarheit zu sorgen.

Daniel Lozakovich © Simon van Boxtel

Die Introduktion des Orchesters im Violinkonzert begann jedoch fein nuanciert, der Dirigent bereitete dem Geiger ein kostbares Fundament, das dieser zu nutzen wusste: satt in der Tiefe, und in der Höhe geradezu verschwenderisch charmant, schwebte Lozakovichs Stradivari engelsgleich über dem Orchester. Wie der junge Itzhak Perlman, schoss es mir durch den Kopf. Im ersten großen Tutti ließen sich die Rotterdamer aber keineswegs die Butter vom Brot nehmen, wenngleich die Holzsektion kurz vorher etwas hinterherhinkte.

Absolut fabelhaft geriet die Kadenz. Lozakovich gestaltete jeden noch so vermeintlich unbedeutenden Triller; jedes dieser tückischen Flageoletts erklang voller Schönheit, mit derart viel Ruhe vorbereitet, dass der Saal zum Ende des Kopfsatzes den Atem anhielt – oft gibt es hier schon den ersten Applaus.

Die Canzonetta war toll, der Geiger spielte die verzagt-verzweifelt anmutenden Melodien mit großem Ton und stiller Schlichtheit. Die Streicher begleiteten würdevoll. Peltokoski hob überraschende Melodien in den Binnenstimmen hervor, und im Seitenthema war herrliches Zusammenspiel zu hören.

Dieses war im Finalsatz, trotz ganz offenkundig akribischer Probenarbeit, nicht perfekt. Man hörte: Es ist schwer zu spielen, und das ist auf dem Weltklasse-Niveau, das man von diesem Orchester gewohnt ist, und übrigens auch vom Dirigenten, eine leise Enttäuschung. Allerdings war die „volkstänzerische“ G-Dur-Stelle vorzüglich, und zwar sowohl im Orchester als auch beim Solisten, der eine betörend schöne Sarabande aus Bachs d-Moll-Partita zugab.

Tarmo Peltokoski © Romain Alcaraz

Nach der Pause folgte die große „Leningrader“ Sinfonie des Dmitri Schostakowitsch. Diese begann recht zügig, wobei dennoch schöne Feinheiten zu hören waren – kurz vor der Einmarschsequenz etwa im Holz und hier insbesondere der Soloflöte. Die Invasion begann aber derart rasch, dass es zwar nicht unspielbar war, aber dennoch die ständigen Wiederholungen des Themas nicht im selben Tempo gehalten werden konnten. Anders gesagt: Hätte Peltokoski von Anbeginn ein langsameres Tempo gewählt, hätten er und das Orchester es auch halten können. So konnte einem der fabelhafte Trommler ein wenig leidtun.

Als die Streicher einsetzten, musste ich sofort an die Jansons-Aufnahme denken. Dort ist es forsch, zwingend, forte, bestimmt – man ist als Hörer auf der Stuhlkante, wie es die Orchestermitglieder beim Spielen sind, regelrecht gefesselt; hier hingegen klang es dumpf, zaghaft, geradezu leise, und man spürte eine gewisse Ermattung.

Dabei stellt sich die Frage: Was steht in der Partitur? Peltokoski ist ein sehr guter Dirigent, der klare Vorstellungen hat. Sein Daphnis et Chloé vor einigen Wochen in Saint-Jean-de-Luz war eine Offenbarung, ja: ein Konzert für die Ewigkeit. Hier im Schostakowitsch überzeugten mich zumindest die ersten beiden Sätze nicht völlig. Mir fehlte eine gewisse Radikalität, die in der Partitur steht: zwischen den Zeilen und manchmal auch direkt in den Noten.

Tarmo Peltokoski © Peter Rigaud

Allerdings waren die beiden letzten Sätze hervorragend. Die Streicher im dritten Satz waren von kristalliner Reinheit, die Bratschengruppe spielte gegen Ende ein ergreifendes Solo. Schade nur, dass sich beim ebenso schönen Flötensolo ein Herr lautstark die Nase schneuzte. Man muss es doch im Konzertsaal nicht mit Benjamin Blümchen aufnehmen, schon gar nicht bei Schostakowitsch. Überhaupt waren im zweiten Teil mehr Huster zu hören als sonst in Dortmund.

Auch der vierte Satz war groß. Was hatte bislang gefehlt? Tiefenschärfe. Konturen. Die erste Hälfte der Sinfonie war von einer gewissen Beliebigkeit – dies freilich stets auf höchstem Niveau bemängelt. Und Peltokoski nahm im Aufbau zur Apotheose, dieser Erlösung, ein gemäßigteres Tempo, das uns im Publikum die geniale Struktur der finalen fünf Minuten verstehen und genießen ließ. Meine Begleiterin war hingerissen, ich am Ende wirklich auch.

Es wäre vermessen, wenn wir sagten, „der Junge wird schon noch zur Langsamkeit finden“; genauso habe ich es gehasst, wenn Menschen zu mir oder über mich sagten, „der Junge wird schon noch zu Wagner finden“. Nein: „Die Jungen“ wissen, was sie wollen, wie sie es mögen, sie haben klare Vorstellungen, und es steht ihnen frei, uns diese zu präsentieren und in dreißig Jahren alles anders zu machen. Denn in dreißig Jahren wird uns Tarmo Peltokoski hoffentlich noch immer mit hin- und mitreißenden Darbietungen beglücken. Dass es nicht immer zu einer Sternstunde reicht, auch nicht mit einem Spitzenorchester, ist doch völlig normal.

Dr. Brian Cooper, 12. Oktober 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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