DVD-Rezension:
Umberto Giordano SIBERIA
Orchestra e Coro del Maggio Musicale Fiorentino
Gianandrea Noseda
DYNAMIC 57928
von Peter Sommeregger
Die Opern Umberto Giordanos erleben außerhalb Italiens mit Ausnahme des „Andrea Chénier“ nur selten Aufführungen, was man in Anbetracht ihrer musikalischen Qualitäten bedauern muss.
In Florenz hat man am 7. Juli 2021 eine neue Produktion von „Siberia“ vorgestellt. Dieses düstere Werk hat den freiwilligen Opfergang einer Frau zum Thema, die ihrem Geliebten, der ihretwegen zum Mörder wurde, in die Verbannung nach Sibirien folgt. Der Handlungsablauf ist gut gegliedert, zwei der drei Akte spielen bereits in Sibirien und sind entsprechend von grauer Tristesse gezeichnet. Giordanos Musik spricht aber eine ganz andere Sprache, die starken Emotionen speziell der Hauptfigur Stephana und ihres Geliebten Vassili finden in großen melodischen Bögen ihren Ausdruck. Auch der grimmige Bösewicht Glèby wird vom Komponisten gut charakterisiert, selbst den Nebenrollen wird durchaus musikalisches Profil verliehen.
In der anspruchsvollen Partie der Stephana kann Sonya Yoncheva mit ihrem Sopran, der sich mehr und mehr zum Spinto wandelt, überzeugen. Dass ihre Bühnenerscheinung immer etwas glanzlos wirkt, hat akustisch keine Auswirkungen. Der edel timbrierte Tenor von Giorgi Sturua als Vassili lässt für die Zukunft hoffen. Es gelingt ihm, dieser Figur des Losers Sympathien zu gewinnen.
Der auf die Rollen der Bösewichte spezialisierte George Petean wird als Glèby den Erwartungen gerecht, er zeichnet ein durchaus differenziertes Bild dieses Ekels.
Gianandrea Noseda am Pult des Orchestra del Maggio Musicale Fiorentino bringt seine große Erfahrung ein, und formt aus den Protagonisten und den stimmig besetzten Nebenrollen ein überzeugendes Ensemble.
Ärgernis des Abends ist das Team um den Regisseur Roberto Andò. Hätte er es bei unbedarftem Rampentheater belassen, wäre man noch gut bedient gewesen. Er überblendet die Szene aber permanent mit Video-Sequenzen, der Pest des heutigen Inszenierungsstils. Damit nicht genug, an manchen Stellen begleitet ein Kamerateam die Darsteller filmend auf der Bühne. Auch das eine oft anzutreffende Spielart künstlerischer Impotenz.
Die Kostümbildnerin Nanà Cecchi trägt mit ihren unkleidsamen, geschmacksfreien Kostümen wesentlich zur extrem tristen Optik der Produktion bei. Niemand erwartet von Häftlingen in sibirischen Straflagern, dass sie Designerkleidung tragen, aber ein wenig kleidsamer hätte man sie schon ausstatten können. Der starke Applaus für Sänger und Dirigent kühlt sich beim Erscheinen des Regieteams merklich ab. Was bleibt ist eine musikalisch überzeugende Realisierung einer zu Unrecht selten aufgeführten Oper.
Peter Sommeregger, 20. März 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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Vielleicht hätte der Rezensent wenigstens in einem Nebensatz erwähnen können, dass diese Oper heuer im Sommer bei den Bregenzer Festspielen auf dem Programm steht (leider nur drei Aufführungen im Festspielhaus).
Michael Koling