Happy Birthday, liebe Elphi!
von Andreas Schmidt
Foto: © Nicolas Maack
Du bist das Beste, was die stolze Freie und Hansestadt Hamburg, was die Metropolregion Hamburg in den letzten Jahrzehnten bekommen hat.
Die BürgerInnen dieser schönen Hafenstadt haben fast eine Milliarde Euro für Dich ausgegeben.
Zum Glück gaben Sie DIR, Du Perle an der Elbe, das Geld… und nicht Olympischen Spielen, die eh nicht mehr in den Zeit-Geist passen und an HH vorbeigegangen sind.
Dafür bietest Du seit dem 11. Januar 2017 (mit ein paar Jährchen Verspätung) auch wirklich Außerordentliches!
Konzerte zum Hinknien.
Akustik zum Hinknien.
Stardirigenten und Starorchester und Starsolisten zum Hinknien.
Ich bin ein richtiger Fan von Dir, habe sechs Abonnements und durfte als Herausgeber von klassik-begeistert.de über viele Konzerte berichten.
Du, liebe Elphi, bist ein Meilenstein. Eine benchmark.
Allein, Du hast ein Problem.
Du verschandelst Dir immer wieder Deine Einzigartigkeit, indem Du Banausen, die nur mal Dein Innerstes gesehen haben wollen, nicht darauf aufmerksam macht, dass man sich in einem so außerordentlichen Konzertsaal nicht verhält wie in der Dorfkneipe (in der es ja eigentlich auch Regeln gibt).
Du bist – leider – immer noch das einzige Konzerthaus in Europa, das störende Menschen nicht darauf hinweist, dass man während des Konzerts nicht spricht, nicht fotografiert und die Aufführung auch nicht vorzeitig verlässt. (Ja, in der Elphi verlassen leider viele klassik-ferne Menschen vorzeitig während der Aufführung das Konzert.)
Du lässt alles, viel zu viel, mit Dir geschehen.
Pardon: warum?
Liebe Elphi, Du hast vergangenes Jahr bisweilen ein paar Anweisungen vor den Konzerten gegeben. Auch persönlich durch Deinen Wiener Chef. Mit Erfolg – die Leute waren hernach mucksmäuschenstill. Dann bist du wieder verstummt.
Sei, liebe Elphi, bitte nicht zu pseudodemokradisch und sage der Minorität, die der Majorität in Deinem wunderbaren Klangraum oft den Abend verleidet, was Sache ist:
ABSOLUTE Ruhe im Saal!
Keine Fotos! Keine Videos!
Keine Handys!
Kein Rumgehuste!
Kein Klatschen zwischen den Sätzen!
Kein vorzeitiges Verlassen des Saales!
Ich reise viel in Europa und in der Welt herum und kenne keinen Konzertsaal, in dem es ungesitterter zugeht als in Deinem Fast-Millarden-Euro-Saal.
Dass du – zum Beispiel – am Montag, wenn das Philharmonische (steuerfinanzierte) STAATSorchester Hamburg 10 Mal im Jahr bei Dir spielt es zulässt, dass bis zu 16 Reisebusse mit größtenteils kultur- und klassik-fernen Menschen bei Dir einkehren – die größtenteils lieber in das Musical „König der Löwen gehen“ – , ist grenzwertig und belastet, ob des ungebührlichen Verhaltens vieler Bustouristen, die Mehrheit.
Warum bekommen so viele klassik-ferne Architektur-Touristen eine Elphi-Karte, wo doch so viele Hamburger Steuerzahler liebend gerne mal in Dein umwerfend schönes Klanggebäude gehen würden, aber keine Karte bekommen?
Liebe Elphi: Bitte sei Dir Deiner Größe und Güte etwas gewahrer und lass Deine „majesty“ nicht verschandeln… durch Menschen, die mit Dir nix am Hut haben.
Ob Fußball, ob Schach, ob Kleingärtnern, ob Klassik: Jede ART hat ihre Form – und die möge eingehalten werden.
Bitte, liebe Elphi, höre auf, der Mehrheit Deiner Besucher das depperte Verhalten Deiner – klassik-fernen – Minderheit zuzumuten.
Die Elphi ist keine Dorfdisco. Die Elphi ist der schönste und beste Konzertsaal der Welt.
Herzlich aus dem Herzen Hamburgs
Andreas Schmidt
Herausgeber
klassik-begeistert.de
klassik-begeistert.at
klassik-begeistert.ch
Die Elphi hat, vermutlich den ausufernden Kosten für die Steuerzahler und den Skandalen der Entstehungszeit geschuldet, den Anspruch, ein Haus für „alle“ zu sein. Insofern passt die Analogie der „Dorfkneipe“.
Weiterhin soll die Elphi, auch international, als „Place to be“ vermarktet werden und den Tourismus in der Hansestadt weiter ankurbeln. Somit wird ein Publikum angezogen, dass womöglich die Konzerte in einem anderen Gebäude nicht besuchen würde.
In der Tat war es im ersten Jahr schwierig, überhaupt Karten zu bekommen. Ich hatte auch den Eindruck, dass einigen Menschen die gebotene Musik doch sehr egal war. Hauptsache, das Selfie im Großen Saal war gemacht. Dann konnte der Saal auch während des laufenden Konzerts verlassen werden.
Unterdessen hat sich die Nachfrage ja, bis auf die Highlights, etwas entspannt. Trotzdem kommt es immer noch dazu, dass ein, zum Teil nicht am gebotenen Programm interessiertes, Eventpublikum den geneigten Zuhörern unangenehm auffällt. (Ich meine nicht das Klatschen zur Unzeit.) Der Versuch, diesen Menschen vor den Konzerten die nicht erwünschten Verhaltensweisen mitzuteilen, hatte leider, vor allem auch in den Medien und somit in der öffentlichen Wahrnehmung, den (unerwünschten) Anschein, dass sich die „Hochkultur“ herablassend über das niedere Volk erhebe. Quasi: „Eure Steuergelder nehmen wir, Euch wollen wir in unserem Haus nicht haben.“
Wobei bei meinen bisherigen Besuchen in der Elbphilharmonie mir nicht explizit Busreisetouristen unangenehm aufgefallen sind. Dafür habe ich bemerkt, das sich auch etliche Menschen sehr fortgeschrittenen Alters sehr schlecht während einer Aufführung benehmen, wodurch sich auch junge Menschen massiv gestört fühlen. Es ist m.E. somit kein Generationenkonflikt, sondern der in allen Altersgruppen ausufernde Egoismus.
Aber sollte man Menschen wirklich darauf hinweisen müssen, dass aufgrund der besonderen Akustik in der Elphi das Öffnen kohlensäurehaltiger Getränkeflaschen während der Pianostellen zu unterlassen sei? Dass das Schnarchen im Klavierkonzert in den umgebenden Blöcken zu hören ist? Dass das hemmungslose Filmen mit den Smartphones nicht nur störend, sondern auch sinnlos ist, da die 48 Sekunden Film sowieso kaum jemand mit Begeisterung betrachten wird? Eigentlich bin ich bisher immer davon ausgegangen, dass das alles selbstverständlich ist. Aber wenn selbst die älteren Jahrgänge das nicht beherzigen…
Somit dann doch gelegentlich auch bei mir der Wunsch nach mehr elitärem statt egalitärem Publikum
aufkommt.
Wobei es ja auch in Dorfkneipen Verhaltensregeln gibt, die von der Mehrheit der Gäste eingefordert wird. Also vielleicht sollten wir das in der Elbphilharmonie auch tun. Uns selbst so verhalten, wie wir es uns von den anderen Menschen wünschen. Ausreichend Hustenbonbons in knisterfreier Verpackung einstecken. Unseren hustenden Nachbarn davon anbieten. Höflich darauf hinweisen, wenn sich jemand störend verhält. Und wenn mal jemand zu früh klatscht, wird die Welt auch nicht untergehen.
Christiane Harders