Dieses Mal musste das Konzert von Anfang an ins Auditorium verlegt werden, da ein Gewittersturm Grafenegg vor dem Konzert heimsuchte und am Vorplatz des Auditoriums sogar für eine Überschwemmung sorgte, dass sogar die örtliche Feuerwehr zum Abpumpen ausrücken musste. Nun hatte die Location Auditorium sogar den Vorteil, dass man das Orchester in der Akustik des Konzertsaales wahrnehmen konnte – somit ein klarer Gewinn für die Musiker und das Publikum.
Carlos Simon
“Fate now conquers”
Benjamin Britten
„The Young Person’s Guide to the orchestra” für Sprecher ad libitum und Orchester op. 34
Richard Strauss
“Don Quixote” Fantastische Variationen über ein Thema ritterlichen Charakters op. 35
Filipa Rodrigues, Viola
Nicolas Altstaedt, Violoncello
European Union Youth Orchestra
Gianandrea Noseda, Dirigent
Auditorium, Grafenegg, 18. August 2024
von Herbert Hiess
Am 3. August konnte man dieses Grafenegger Orchestra in Residence im Wolkenturm belauschen, wo man aber damals wegen der eigenartigen Akustik beachtliche Abstriche machen musste (Isata Kanneh-Mason, Klavier, European Union Youth Orchestra (EUYO) Iván Fischer, Dirigent Wolkenturm, Grafenegg, 3. August 2024 – Klassik begeistert (klassik-begeistert.de)). Dieses Mal zwangen die Wetterkapriolen Orchester, Solisten, Dirigent und das Publikum ins Auditorium, wo man die exzellenten Musiker völlig authentisch belauschen konnte.
Inspiriert durch einen Tagebucheintrag von Ludwig van Beethoven über das Schicksal und vor allem dem zweiten Satz der siebenten Symphonie, machte sich der 37-jährige Amerikaner Carlos Simon Gedanken über das Schicksal und setzte das musikalisch in eine zirka zehnminütige Sequenz von Variationen um.
Gleich zu Beginn konnte man starke Ähnlichkeiten mit Strawinsky feststellen; vor allem assoziierte man sofort das „Le Sacre du Printemps“. Sehr professionell komponiert und instrumentiert, wobei im klassischen Sinn ein Thema und die Variationen nicht so leicht auszumachen waren. Wahrscheinlich müsste man das Werk öfters hören.
Danach konnte man Benjamin Brittens unsterblicher „Young Person’s Guide“ als grandiose Leistungsschau des Orchesters hören. Der britische Komponist packte das Rondo aus der „Abdelazer Suite“ von Henry Purcell in ein Thema, 13 Variationen und der (fast schon obligaten) Fuge, wo jede Variation ein Instrument oder eine Instrumentengruppe hervorhebt.
Und hier konnten die jungen Musiker des grandiosen Orchesters wahrhaft brillieren; angefangen von den Streichern über das umwerfende Blech, Schlagwerk bis zur hochvirtuosen Harfe. Das war nicht nur eine (wie von Britten gedachte) Instrumentenkunde, sondern dieses Mal eine mehr als gelungene Präsentation der Qualitäten der Musiker.
Maestro Gianandrea Noseda formte daraus einen brillanten Schluss des ersten Teiles vor der Pause und schraubte damit die Erwartungen für den zweiten Teil hoch hinauf.
Und da wurde man nicht enttäuscht. Noseda, der brillante Cellist Nicolas Altstaedt, die Bratschistin Filipa Rodrigues und nicht zuletzt die brillante Konzertmeisterin machten mit dem Orchester ein Richard Strauss-Fest der Sonderklasse.
Miguel de Cervantes „Don Quijote” wurde bei Richard Strauss „Don Quixote“ und ist ein Werk der mittleren Schaffensperiode des Komponisten.
Strauss setzte mit einer gewissen Ironie das Leben des verarmten Edelmannes in ein Thema, Introduktion, zehn Variationen und einem Finale in ein großartiges zirka 45minütiges Orchesterwerk.
Auch hier bewies das Orchester wieder seine Brillanz. Dazu kamen die phantastischen Solistinnen und dem Solisten, wo der Cellist als Ritter der traurigen Gestalt die Hauptrolle spielte und dem Instrument die berührendsten Töne entlockte. Im Zusammenspiel mit der großartigen Bratschistin Filipa Rodrigues (als Sancho Pansa) und der Konzertmeisterin (offenbar Dulcinea) wurde das Schicksal des bemitleidenswerten Quixotes erzählt. Und das Orchester machte daraus gemeinsam mit Maestro Noseda eine Geschichte der besonderen Art. Technisch meisterten die jungen Leute jede Hürde, auch die berühmte Flatterzunge, die die Schafherde imitieren sollte.
Und weils mit den Variationen so schön war, gab es als Zugabe das berühmte „Nimrod“ aus den „Enigma-Variationen“ von Edward Elgar. Da blieb wahrhaft kein Auge trocken.
Grafenegg ist auch deswegen so beliebt, weil man hier Künstlerinnen und Künstler erleben kann, die man in Wien kaum auftreten lässt. Gianandrea Noseda ist einer davon; der würde schon lange an die Staatsoper und an die Wiener Konzerthäuser gehören.
Mag. Herbert Hiess, 20. August 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at