Francesco Cilèa: Adriana Lecouvreur
Wiener Staatsoper, 7. November 2017
Anna Netrebko: Adriana Lecouvreur
Piotr Beczala: Maurizio, Conte di Sassonia
Elena Zhidkova: La Principessa di Bouillon
Roberto Frontali: Michonnet
Alexandru Moisiuc: Il Principe di Bouillon
Raúl Giménez: Abate
Pavel Kolgatin: Poisson
Tobias Huemer: Haushofmeister
Ryan Speedo Green: Quinault
Evelino Pidò: Dirigent
Orchester und Bühnenorchester der Wiener Staatsoper
Chor der Wiener Staatsoper
Schätzen Sie sich glücklich, wenn Sie ein Ticket für kommenden Sonntag, 12. November 2017, 18.30 Uhr in der Wiener Staatsoper haben – und für den 15. und 18. November: Falls nicht: Lassen Sie sich auf Wartelisten setzen, bestechen Sie Mitarbeiter des Kartenbüros mit ihrem charmantesten Lächeln, schenken Sie Menschen, die ein Ticket haben, Fernreisen oder Restaurantbesuche – allein eine einzige Arie lohnt den Besuch und den damit verbundenen Aufwand.
Auf der Bühne wird die derzeit beste Sängerin der Welt stehen: Anna Jurjewna Netrebko, geboren in Krasnodar, 46 Jahre alt, Sopranistin. Die Russin mit österreichischem Pass singt die Adriana Lecouvreur in der gleichnamigen Oper von Francesco Cilèa, uraufgeführt am 6. November 1902 im Teatro Lirico in Mailand – Verismo vom Feinsten in der Wiener Staatsoper, dem bedeutendsten Opernhaus der Welt. Erstaufführung im Haus am Ring war erst 16. Februar 2014!
Bei der Titelfigur handelt es sich um eine historische Person. Adrienne Lecouvreur galt zu ihrer Zeit als bedeutendste Schauspielerin Frankreichs. Sie hatte tatsächlich eine Affäre mit Moritz von Sachsen. Auch dessen Verhältnis mit der Duchesse de Bouillon ist belegt. Nach dem Tod Adrienne Lecouvreurs kursierte das Gerücht, sie sei vergiftet worden. Ihr Leben bildete hundert Jahre später die Grundlage für ein Schauspiel von Eugène Scribe und Ernest Legouvé.
Anna Netrebko ist jene Sängerin, die ihr Publikum zu berühren vermag wie keine andere. Am Donnerstagabend sang der Weltstar mit einer Hingabe und Vollkommenheit, mit einer Intensität und Energie, die sprachlos machte. Das war Gänsehaut pur!
Das war Annamagic! Ganz herzlichen Dank, verehrte Frau Netrebko, Sie machen die Menschen glücklich!
„Wie elegant, wie sensibel, wie ausdrucksstark, wie sie mit jeder Note spielt, diese als Ton in die Luft wirft, balanciert, moduliert, wie sie Pianissimi ins Auditorium zaubert, aber stets so, dass selbst der zarteste Hauch den ganzen Raum erfüllt – all das ist meisterhaft“, schrieb „Der Kurier“ über die außergewöhnliche Gesangeskunst der Frau Netrebko trefflich.
Dieser magische Moment in der ersten Arie im ersten Akt („Ecco . . . Io son l’umile ancella“ / „Sehen Sie . . . Ich bin die demütige Magd“) war so intensiv, dass nicht wenige im Publikum Tränen in den Augen hatten.
Ja, es war zum Weinen schön und gab Brava-Rufe von der Galerie!
Dies, verehrte Frau Netrebko, waren magische Momente von einer Schönheit wie Ihre erste Donna-Anna-Arie bei den Salzburger Festspielen… leuchtend wie das „E lucevan le stelle“ von Jonas Kaufmann an der Wiener Staatsoper … Oder wie Neil Shicoffs „Rachel, quand du Seigneur“. Das macht Ihnen niemand nach, das geht zur Zeit nicht besser.
Der Auftritt des Weltstars from Russia geriet nach ihrer magischen Aufführung als Leonora in Giuseppe Verdis „Il trovatore“ am 7. September 2017 an der Wiener Staatsoper (klassik-begeistert.de berichtete) und nach der nach atemberaubenden Weltklasse-Aufführung als Aida bei den Salzburger Festspielen (https://www.youtube.com/watch?v=UeA5GZ-reIM) zu einem unvergesslichen musikalischen Ausrufezeichen an stimmlicher und darstellerischer Perfektion.
Anna Netrebkos Gesang entspannt. Ihre satte, mütterlich-frauliche Tiefe und ihre strahlende Höhe sind vom Piano bis zum Forte gleichermaßen stark; ihr Timbre ist mittlerweile so abgedunkelt, dass es (fast) wie ein Mezzo klingt, ihre strahlenden Spitzentöne sind ungebrochen, ihre Phrasierungen sind traumhaft schön.
Gleichzeitig überragt sie alle Darsteller mit ihrer Präsenz. Sie kommt auf die Bühne, und die gehört ihr fast allein. Es gleicht einer Explosion, wenn sie ihre Energie zum Glühen bringt.
Der Kurier aus Wien schreibt trefflich: „Die ‚Adriana’ und die Netrebko gehen eine perfekte Symbiose ein. Das hat es wohl seit der Callas (sie sang nur Arien daraus, diese aber genial) oder der Tebaldi nicht mehr gegeben.“
Die Wienerin Monika Stumpf resümierte bereits am 13. Februar 2017 an der Wiener Staatsoper: „Mir geht ein Schauer über den Rücken, wenn Anna Netrebko singt. Diese Frau begeistert und beeindruckt. Sie rührt mich zu Tränen.“
Auch ihr Mann Alexander Juen war begeistert: „Phantastisch! Eine absolut geniale sängerische Leistung. Anna Netrebko wird von Jahr zu Jahr besser. Sie füllt den Raum mit Wohlklang und Wärme, auch wenn sie ganz leise singt.“
„Gesanglich ist das ein epochaler Auftritt“, bilanzierte die Wienerin Eva Wexberg.
„Das Tolle ist, wie sehr Anna Netrebko sich mit jeder Rolle identifizieren kann“, sagte die Wienerin Gabriele Hitzenberger. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand anders die Partie einfühlsamer singen kann.“
„Es ist für mich ein wahres Glück, einen solchen Abend an der Wiener Staatsoper erlebt zu haben“, sagte die Wienerin Nina Fuchs. „Die Netrebko ist eine begnadete Sängerin. Sie versteht es mit ihrer Stimme wie keine andere, das Publikum zu berühren und verführen. Wenn Anna Netrebkos Stimme traurig klingt, bin ich auch traurig. Wenn sie glücklich klingt, bin ich auch glücklich.“
„Je älter sie wird, desto schöner singt sie“, sagte Peter Förster nach Netrebkos Leonara-Auftritt an der Staatsoper Berlin. „Ihre Stimme ist reifer und voluminöser geworden. „Anna Netrebkos Gesang geht einfach unter die Haut.“
Auch seine Frau Annemarie Förster war hin und weg: „Ihr Gesang erweckt in mir die Gefühle einer Frau, einer Mutter und einer Tochter. Für uns ist Stimme das schönste Instrument. Was man aus diesem Geschenk Gottes machen kann, ist beeindruckend.“
Der Tagesspiegel war voll des Lobes für die Sängerin. „Netrebko ist ja immer noch und immer wieder den Bohei wert, den man um sie macht. Die Batterie, die diesen Sopran befeuert, erscheint in manchen Momenten eher wie ein Kernreaktor.“ Ihre Stimme werde stets getragen „von einer purpurnen, rotglühenden, vulkanischen Unterströmung“.
Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung jubelte: „Diese Sängerin ist den erhöhten Eintrittspreis dreifach wert. Jeder Ansatz, jedes Crescendo, jede Geste, jedes Pianissimo, jeder Triller: Es passt.“
Es war auch an diesem Abend überwältigend, wie Anna Netrebko Spitzentöne ansteuerte und dann ein Diminuendo bis fast zur Lautlosigkeit ausformte – das ist Stimmkunst in vollendeter Form. „Netrebkos Stimme ist makellos, zärtlich, die Koloraturen freizügig girrend, aufblühend“, schrieb die Berliner Morgenpost.
„Anna Netrebko singt ganz außergewöhnlich“, sagte der Germanistik- und Anglistik-Student Jakob Schepers aus Berlin. „Bei ihr kommen Klarheit und Gefühl gleichermaßen zum Ausdruck – sie hat etwas, das andere Sopranistinnen nicht drauf haben. Anna Netrebko kann stärker Emotionen herüberbringen als andere Sängerinnen.“
„Anna Netrebko hat die außerordentliche Fähigkeit, vom Guten bis zum Teufel ganz unterschiedliche Charaktere zu interpretieren. Sie gibt sich auf der Bühne ganz und gar ihrer Rolle hin“, sagte Jan Lindberg aus Stockholm
Auch die Sängerin Christa Luckow aus Bardowick (Niedersachsen) war hin und weg: „Die Größe ihrer Stimme ist wunderbar, das Spektrum ihrer Klangfarben ist grandios: In die Tiefe ist sie ein warmer Mezzo, in der Höhe ist ihre Strahlkraft ungebrochen. Ihre Koloraturen sind hinreißend eingebettet in eine gesamtrunde Stimme. Anna Netrebko beherrscht die Bühne auch mit ihrer Persönlichkeit und ihrer Schauspielkunst.“
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Aber da waren noch zwei ganz andere große Sänger an diesem gigantischen Abend in der Wiener Staatsoper auf der Bühne: der polnische Tenor Piotr Beczala als Maurizio, Conte di Sassonia und die russische Mezzosopranistin Elena Zhidkova als La Principessa di Bouillon – ein Interview mit ihr erscheint in Kürze auf klassik-begeistert.de
Elena Zhidkova, eine gute Freundin Anna Netrebkos, sang Note 1 mit drei Sternchen an diesem Abend: Eine wunderbar warme, volle, farbenreiche Stimme hat diese Frau zu bieten. Ihre Höhen waren zum Darniederknien schön, im tieferen Register sorgte sie mit ihrer mega-weiblichen Stimme für Gänsehautgefühl. Viele Brava-Rufe!
Und jetzt der Hammer für Hamburger Opernfans: Dieser Weltstar kommt noch zweimal in dieser Saison an die Staatsoper Hamburg: Im März und April 2018 singt sie fünf Mal die Amneris in Giuseppe Verdis vielleicht schönster Oper „Aida“ sowie die Judit in „Herzog Blaubarts Burg“ (ungarischer Originaltitel „A kékszakállú herceg vára“) von Béla Bartók. Auch in Berlin ist sie zu hören, an der Deutschen Oper, ab 18. Mai 2018: als Prinzessin Eboli in Verdis „Don Carlos“. Und noch einmal an der Wiener Staatsoper: ab 15. Juni 2018 als Ortrud in Richard Wagners magischer Oper „Lohengrin“.
Liebe Opern-Fans: Diese Frau Zhidkova ist den Eintritt in diese tollen Häuser dreimal wert!
Ja, und dann der männliche Star des Abends: Fast ebensoviel (!) Applaus wie Anna Netrebko bekam der Tenor Piotr Beczala. Was für ein magischer Auftritt! Der Pole wurde mit jeder Faser von Minute zu Minute vollkommener, gab wirklich alles und überzeugte mit einer umwerfenden Strahlkraft, bezauberndem Schmelz und schönster Italianià. „Dziękuję Panu Beczała, to było piękne!“ – vielen Dank, das war wunderschön!
Der polnische Tenor ist demnächst in Deutschland und der Schweiz zu hören: als Sir Edgardo di Ravenswood in „Lucia di Lammermoor“ von Gaetano Donizetti an der Deutschen Oper Berlin (ab 9. Dezember an der Bayerischen Staatsoper in München), als Rodolfo in Giacomo Puccinis „La Bohème“ ab 22. Dezember 2017 an der Deutschen Oper Berlin. Und zwei Mal im Opernhaus Zürich: als Werther in der gleichnamigen Oper von Jules Massenet (ab 10. Mai) sowie ab 10. Juni 2018 als Prinz Sou-Chong in „Das Land des Lächelns“ von Franz Lehár
Roberto Frantali, gebürtiger Römer, gab als Inspizient Michonnet, Adrianas steter, verlässlicher Herzensfreund, eine ganz wunderbare Baritonrolle – ein berührender Charakter, bei dem es nicht auf Belcanto ankommt, sondern um das Erfassen einer ergreifenden Figur. Bravo!
Der rumänische Bariton Alexandru Moisiuc rollte die Töne wunderbar dunkel als mächtiger und gefährlicher Principe di Bouillon, sprich: betrogener Gatte. Auch im höheren Register war er richtig super drauf – toll!
Überhaupt, sehr geehrter Herr Operndirektor Dominique Meyer: In dieser wunderbaren, historisierend-prachtvollen Aufführung (Regie: David McVicar) stimmte wirklich alles! Alle Rollen waren wunderbar besetzt – von Sängern mit gaaaaaaanz viel Potenzial! Und Ihr Staatsopernchor war so richtig in Stimmung und bescherte den 1706 sitzenden und 560 stehenden Zuschauern wunderbare Chöre!
Der italienische Dirigent Evelino Pidò arbeitete die Farbenpracht und die Dramatik dieser wunderbaren Oper differenziert und feinfühlig heraus – ohne je die phantastischen Sänger zu überdecken. Mille grazie!
Dies war ein Abend, um den jedes Opernhaus der Welt die Wiener Staatsoper beneidet! Ein Höhepunkt im Leben eines jeden Opernfreundes.
Andreas Schmidt, 10. November 2017, für
klassik-begeistert.at
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