Foto: Jürgen Frank (c)
Deutsche Oper Berlin, 28. Mai 2018
Gaetano Donizetti: Maria Stuarda
Francesco Ivan Ciampa, Musikalische Leitung
Diana Damrau, Maria Stuarda
Javier Camarena, Graf Leicester
Jana Kurucová, Elisabetta I.
von Yehya Alazem
Seit dem goldenen Zeitalter des Belcantos hat die Welt kaum ein Duo gehört, das mit Joan Sutherland und Luciano Pavarotti, Beverly Sills und Nicolai Gedda oder Edita Gruberova und Alfredo Kraus zu vergleichen ist. Aber was Diana Damrau und Javier Camarena momentan schaffen, ist auf jeden Fall ganz nahe dran.
Die in Günzburg geborene Sopranistin und Bayerische Kammersängerin Diana Damrau zählt zu den absolut besten Koloratur-Sängerinnen ihrer Generation. In der Rolle der Titelheldin in Donizettis „Lucia di Lammermoor“ gibt es kaum eine Sopranistin, die mehr als Damrau gefragt ist. Nun nimmt sie sich anderer Donizetti-Heldinnen an, und nach einer Produktion der gleichen Oper in Zürich kommt sie nach Berlin, um eine phantastische Verkörperung von Maria Stuarda in Donizettis gleichnamiger Oper zu bieten.
Um Belcanto singen zu können, braucht man eine Technik, die mehr oder weniger perfekt ist. Diana Damrau hat aber nicht nur die Technik, sondern auch eine außergewöhnliche Gestaltungskraft, die alle Gefühle der menschlichen Seele darstellen kann. Ihre wunderschöne, sympathische Stimme kann dank ihrer hervorragenden Technik sowohl metallisch als auch weich sein. Wie die Koloraturen so mühelos fließen, wie die crescendi und diminuendi so fabelhaft klingen, wie die piani so kontrolliert sind: das ist einfach unfassbar.
Damrau kann mit ihrer Stimme machen, was sie will. Außerdem besitzt sie eine unglaubliche Bühnenpräsenz – wenn sie auf die Bühne tritt, bringt sie diese zum Erstrahlen. Nur schade, dass sie manchmal zu viel forciert; dann klingt ihre Stimme im forte ein wenig angestrengt, und am Ende hat sie leider nicht genug Kraft, um ein hohes D im letzten Ton zu singen. Aber trotzdem wird diese wunderbare Leistung in Erinnerung bleiben!
Der mexikanische Tenor Javier Camarena hat sich in den letzten Jahren einen großen Namen im Belcanto-Fach gemacht. In Opern von Bellini als auch Donizetti wurde er von Kritikern und Publikum gefeiert. In der Rolle des Grafen Leicester ist er genauso großartig wie Diana Damrau. Sein Tenor ist hell, konzentriert und hat einen wunderbaren Charme. Ganz reibungslos bewegt sich die Stimme zwischen den Registern – sowohl in der Tiefe als auch in der Höhe hat sein Timbre eine wunderbare, sehr angenehme Strahlkraft. Die Spitzentöne gelingen ihm ganz hervorragend an diesem Abend. Mit Diana Damrau bildet er ein echtes Traumpaar!
In der Rolle der Elisabetta liefert die slowakische Mezzosopranistin Jana Kurucová auch eine superbe Leistung. Ihr Mezzosopran hat einen ziemlich hellen Klang für eine Mezzosopranistin, ist aber dunkel genug, um einen schönen Kontrast mit der Stimme von Damrau zu bilden. Sowohl im Tiefen als auch im Hohen begeistert sie, und ihre Koloraturen fließen hervorragend. Obwohl ihre Stimme dicht und dramatisch ist, besitzt sie eine gute Geschmeidigkeit, die dem Belcanto sehr gut passt.
Neben diesen drei Traumbesetzungen liefern auch Nicolas Testé, Dong-Hwan Lee und Amira Elmadfa sehr schöne Leistungen in den Nebenrollen. Der Chor singt mit herrlicher, klarer Harmonik und Intensität, und das Orchester der Deutschen Oper Berlin spielt unter dem italienischen Dirigenten Francesco Ivan Ciampa mit feiner Dynamik, Präzision und viel Energie.
Wer einen Abend der alten Jahre des Belcantos erleben möchte, sollte sich schnellstmöglich eine Karte für die zweite und letzte Aufführung von „Maria Stuarda“ am 31. Mai 2018 besorgen – wer schon eine Karte hat, kann sich sehr glücklich schätzen!
Yehya Alazem, 29. Mai 2018, für
klassik-begeistert.de