© Agnes Flade
Im neuen Opernhaus von Athen – Teil des imposanten Stavros Niarchos Kulturzentrums in Piräus, Meisterwerk des Stararchitekten Renzo Piano (2016) präsentierte die Griechische Nationaloper „La Bohème“.
Neben einem anfänglich geradezu irritierend skurrilen, aber im zweiten Teil durchaus konventionell und tänzerisch hervorragenden „Nussknacker“ waren Puccinis Oper (die ja in den ersten beiden Akten in der Vorweihnachtszeit angesiedelt ist) und Tschaikowskis traditionell zur Neujahrszeit aufgeführtes Ballett die Höhepunkte des Festtags-Angebots der Athener Oper.
Giacomo Puccini, La Bohème,
Griechische Nationaloper, 31. Dezember 2023
Mimì: Vassiliki Karayanni
Musetta: Cellia Costea
Rodolfo: Yannis Christopoulos
Schaunard: Nikos Kotenidis
Marcello : Dionysios Sourbis
Colline: Tassos Apostolou
Regisseur: Graham Vick
Dirigent: Ondrej Olos
Orchester und Chor der Griechischen Nationaloper
von Dr. Charles Ritterband
Das Hausorchester legte sich mächtig ins Zeug – so enthusiastisch, dass der Tenor sichtbar Mühe hatte, gegen diese akustische Festung anzusingen. Star des Abends war die Mimì, gesungen von Vassiliki Karayanni mit ihrem strahlenden Sopran, während die Mezzosopranistin Cellia Costea als Musetta neben ihr deutlich abfiel.
Der vor zweieinhalb Jahren verstorbene Graham Vick, berühmt für seine oft kühnen und bisweilen experimentell angelegten Inszenierungen des traditionelle Opernrepertoires, ist in der englischen Theaterwelt nach wie vor ein großer Name: Die Liste der Häuser von Weltrang, an denen seine Inszenierungen gespielt wurden und nach wie vor im Repertoire sind, ist lang – und sie reicht von der Royal Opera House Covent Garden bis zur Met, und auch die Bregenzer Festspiele fehlen nicht. Diese Bohème ist eine Wiederaufnahme und sie ist von ungebrochener Vitalität.
Der erste Akt, die ärmliche Künstler-Mansarde dieser Pariser Bohèmiens, verbreitet wegen der offenkundigen Armut dieses Ambientes mehr depressive als unbekümmert heitere Atmosphäre, die dann im dritten Akt, an der Zollgrenze von Paris, noch potenziert wird: Hier treibt sich allerlei Gelichter herum, Diebe, Mörder, Heroinspritzer. Dass sich in diesem Rahmen die tragische Liebesgeschichte zwischen Mimì und Rodolfo, überschattet vom Wissen um den unabwendbaren Tod der unheilbar an Tuberkulose Erkrankten abspielt, trägt wenig bei zu einer heiteren Silvesteratmosphäre und man fragt sich demnach, ob die Wahl dieser Inszenierung ausgerechnet am Vorabend des Jahreswechsels eine glückliche war.
Ausgelassen und fröhlich geht es wie immer im zweiten Akt zu, vor dem Café Momus, in unmittelbarer Nachbarschaft eines Ladens für Weihnachts-Requisiten namens „Le Sapin de Noël“. Dass hier die übliche Parade der Militärmusik ersetzt wurde durch Musikanten mit roten Nikolaus-Mützen war ein hübsches Detail – übrigens aufgenommen im letzten Akt, wo Musetta der sterbenden Mimì den letzten Wunsch erfüllt: statt dem von ihr so sehnlich gewünschten Muff für die berühmtermaßen kalten Händchen kriegt sie einen kunstpelzverbrämten roten Nikolaus-Hut. Vermutlich, weil das Geld für einen richtigen Muff fehlt. Originelles Detail, wenn auch etwas befremdlich, zumal diese Szene bekanntlich im Frühling spielt. Wo Musetta dieses unzeitgemäße Objekt wohl aufgetrieben hat?
Sehr geschickt der Szenenwechsel vom ersten zum zweiten Akt: Die Mansarde fährt langsam in den Hintergrund, während sich die Pariser Straßenkulisse von beiden Seiten der Bühne heranschiebt – elegant.
Während das Orchester der Nationaloper unter der Stabführung von Ondrej Olos sein Bestes gab und der enthusiastische Chor diesen Musikern in nichts nachstand, war die Leistung der Sänger und Sängerinnen höchst unterschiedlich. Zu Recht mit enthusiastischem Applaus bedacht wurden die berührende Mimì der Vassiliki Karayanni und der herrlich sonore Bariton des Marcello, verkörpert von Dionysios Sourbis sowie der weiche, wunderbar tiefe Bass des Colline (Tassos Apostolou).
Wenig befriedigend die Arie der Musetta im zweiten Akt (Cellia Costea), die in ihrem berühmten Auftreten nur wenig Glanz in ihre Koloraturen zu bringen vermochte, und der Rodolfo des Tenors Yannis Christopoulos, der leider durchwegs schwach blieb.
Dr. Charles E. Ritterband, 31. Dezember 2023, für
klassik-beigeistert.de und klassik-begeistert.at
La Bohème, Oper von Giacomo Puccini Mecklenburgisches Staatstheater, 21. Oktober 2023
Giacomo Puccini, La Bohème Staatsoper Hamburg, 13. Januar 2023
GIACOMO PUCCINI, LA BOHÈME Staatsoper unter den Linden, Berlin, 5. Januar 2023