Mit dieser Bohème beendet die Hamburgische Staatsoper ihre Serie an Puccini-Dauer-Flops 

Giacomo Puccini, La Bohème  Staatsoper Hamburg, 13. Januar 2023

Elbenita Kajtazi © Staatsoper Hamburg

An vorderster Spitze der jüngste Erfolgsserie der Hamburgischen Staatsoper steht ihre neu gekrönte Star-Sopranistin, Elbenita Kajtazi. Der erstklassige Erfolg von Tomislav Mužeks Schlager-Arie „Che gelida manina“ manifestiert sich in frenetischen Applaus und ist gleichzeitig nur ein Vorgeschmack auf die anschließende Sopran-Arie „Mi chiamano Mimì“.


La Bohème

Musik von Giacomo Puccini
Libretto von Giuseppe Giacosa und Luigi Illica nach Henri Murger

Staatsoper Hamburg, 13. Januar 2023

An vorderster Spitze der jüngste Erfolgsserie der Hamburgischen Staatsoper steht ihre neu gekrönte Star-Sopranistin, Elbenita Kajtazi. Der erstklassige Erfolg von Tomislav Mužeks Schlager-Arie „Che gelida manina“ manifestiert sich in frenetischen Applaus und ist gleichzeitig nur ein Vorgeschmack auf die anschließende Sopran-Arie „Mi chiamano Mimì“.

von Johannes Karl Fischer

Die Albanerin singt die Titelrolle aus tiefster Seele, reißt schon mit der ersten Phrase die Herzen der ZuschauerInnen fest an sich. Zweieinhalb Stunden spielt sie die fröhlichste aller Frauen, tanzt mit ihrem Rodolfo schwebeleicht über die Bühne. Am Ende muss sie sich der Tuberkulose hingeben – ja, das war früher leider so – doch ihre Stimme bleibt selbst im halbtoten Zustand ein rührendes Gesangswunder. Das klassische Opernparadox eben.

Liebe Elbenita Kajtazi, Sie jonglieren bei jeder Aufführung mit den Emotionen Ihrer ZuhörerInnen wie keine andere Sängerin dieser Erde. Es soll mittlerweile Leute geben, die von nah und fern für Ihre Stimme nach Hamburg reisen. Bitte bleiben Sie diesem Haus treu, ohne Sie droht der Dammtorstraße der Abstieg in die 2. Liga!

Katharina Konradi © Staatsoper Hamburg

Und ein weiterer großer Moment des Abends stand erst im zweiten Akt an: Katharina Konradi und ihre verzaubernde Musetta. Stimmlich wie schauspielerisch meistert sie die Rolle mit links, tanzt luftig auf den hohen Noten umher wie auf der Bühne. Ein höchst amüsierendes Lustspiel, das sie zur Schau bringt. La commedia è stupenda – eine wunderbare Komödie eben. Komödie ist das Zauberwort des Abends, allen voran, wenn die Stimme dieser wunderbaren Musetta durch den Saal schwingt.

Und spätestens beim schwungvollen Musetta-Walzer dürfte auch Guy Joostens geniale Inszenierung die letzten SkeptikerInnen im Saal überzeugt haben. Drei Akte lang wird gelacht, als säße man im Café Momus mitten im Quartier Latin. Eine Inszenierung, die die Zeitlosigkeit dieses Stücks zum Vorschein bringt. Statt Franco Zeffirellis Exkurs ins 19. Jahrhundert ein Ausflug ins Paris der diesigen Jahre. Als am Ende die ganze Studentenbude um den Tod Mimìs trauert, liegt das halbe Publikum in Tränen. Aber das gehört auch dazu…

Genauso wie ein wunderbarer Tenor zu jeder Puccini-Oper, und Tomislav Mužek scheint hier endlich seine Rolle gefunden zu haben! Die Melodien glänzen, in der Höhe schwebt er völlig ohne Mühe. Er ist kein Held, das ist der Rodolfo auch nicht. Er und seine Mimì sind einfach glücklich zusammen, so singt er auch. So kann er gerne auch wieder singen. Ein Buh-Ruf tönte aus einer fernen Rangloge… war das ernst gemeint oder die Verlängerung der abendlichen Komödie in den Schlussapplaus?

Auch seine drei Künstlerkumpels waren bestens besetzt, so konnte Alexander Roslavets’ Colline mit seiner runden und melodiösen Bass-Arie „Vecchia zimarra“ eine starke Schlussnote setzen. Kartal Karagedik sang den Marcello souverän, bei seinem stimmstarken Bariton war es nur logisch, dass einzig er gegen die eigenständige Musetta eine Chance hat. Leider ist der Rodolfo ein Tenor… Chao Dengs Schaunard war die perfekte Komplettierung dieser Sänger-WG, spielte stets den Lustigen, der die ganze Komödie im Café Momus erlebt, als säße er im Theater.

Allein schon das Bühnengeschehen hätte diese Bohème zur Sternstunde der Spielzeit gemacht. Wäre da nicht noch das Philharmonische Staatsorchester, das seit der Turandot-Premiere vor knapp einem Jahr praktisch jeden Abend wie aus ihren alten Zeiten entfesselt spielt! Mit Paolo Arrivabeni am Pult legt die Feier-Stimmung im Haus erst richtig los, sei es bei komödiantischen Einfällen, um den Vermieter ohne Miete aus der Bude zu jagen oder schwingenden Walzer im Quartier Latin.

Ganz vorne, in der ersten Reihe, da sitzen die Kennerinnen und die Kenner. Da wird gemotzt. Immer. Außer heute. Weil es schier nichts zu meckern gibt. Am Gänsemarkt ist die Zeit der Puccini-Dauer-Flops mit ihren Totalausfällen und Buh-Rufen endlich vorbei!

Johannes Karl Fischer, 14. Januar 2023 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Giacomo Puccini, La Bohème Staatsoper Hamburg, 3. Januar 2023

GIACOMO PUCCINI, LA BOHÈME Staatsoper unter den Linden, Berlin, 5. Januar 2023

Ungeliebte Opern 2: La Bohème von Giacomo Puccini klassik-begeistert.de 22. September 2022

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