Fotos: La Fanciulla del West 2015 © Brinkhoff / Mögenburg
Giacomo Puccini, La Fanciulla del West, Staatsoper Hamburg, 19. Mai 2019
Ulrich Poser berichtet über die Aufführung der Fanciulla del West aus der Hamburgischen Staatsoper
Einen Abend zuvor hatte sich eine blonde Sängerin aus New York noch weltweit blamiert, weil ihr beim ESC in Tel Aviv die Stimme versagte und sie mit schrecklich schiefen Tönen viele Millionen Zuhörer verschreckte.
Ganz anders, und zwar im positiven Sinne, verlief der Abend in der Hamburgischen Staatsoper. Die blonde Sängerin aus dem thüringischen Zella-Mehlis lieferte eine One-Woman-Show vom Feinsten ab; eine Leistung, von der Madonna schon vor ihrem mutmaßlichen Karriereende nur hätte träumen können.
Kampe verfügt zum einen über einen dramatischen Sopran sui generis. Die Stimme ist schön; man hört ihr gern zu: Niemals schrill, beherrscht Kampe die Kunst der Dynamik, so dass insbesondere der Wechsel von lyrisch-leise zu dramatisch-laut angenehm benommen macht. Mit der notwendigen Kraft lässt sie die Partie der Minnie zudem äußerst textverständlich in das vollbesetzte Haus strömen. Teilweise hat man den Eindruck, als hätte sich Sieglinde aus Hundings Hütte in den kalifornischen Saloon verirrt. Um es klar zu sagen: Das war kein schlechter Eindruck. Kampes Stimme ist wagnergeschult, so dass sie auch diese wegen vieler „schräger“ Noten mörderisch schwere dramatische Partie mit links gemeistert hat.
Zu den ganz großen Sängerinnen von Weltformat gehört Kampe aber auch deshalb, weil sie die Partie wunderbar spielt. Ohne bei anderen Sängerinnen leider oft gesehene übertriebene Gesten, spielt sie natürlich, anmutig und überzeugend.
Lauter Jubel am Ende für eine wahrhaft superbe Minnie.
In Franken würde man sagen: Der Berti is a Viech. Es ist unglaublich, über welches Material und über welch immense Stimmreserven dieser Tenor aus Como verfügt. Seine klare Tenorstimme überzeugt sowohl bei den leisen lyrischen Stellen mit italienischem Schmelz, als auch mit ungeahntem Metall, wenn es in der Partitur dramatisch zugeht. Lange war in diesem Haus kein Tenor mehr, der stimmlich derart überzeugte. Insbesondere die Spitzentöne in der einmaligen Art eines Mario del Monaco machen Berti zu einem Tenor von Weltklasseformat. Man darf sich auf seinen Otello im Hause an der Dammtorstraße freuen.
Claudio Sgura gab einen bemerkenswert kräftigen Jack Rance. Stellenweise geriet ihm die stimmliche Darbietung etwas knödelig, was der positiven Gesamtleistung aber keinen Abbruch tun sollte.
Die musikalische Leitung von Joseph Caballé-Domenech geriet an diesem Abend etwas außer Kontrolle. Er ließ das Philharmonische Orchester überwiegend im dreistelligen Dezibelbereich agieren, was u.a. die groteske Folge hatte, dass man Kartal Karagedik als Sonora nur äußerst motiviert spielen sah, aber keinen Ton von ihm hörte. Der spanische Dirigent sollte sich von den berühmten Weltklassepiani seiner leider verstorbenen hälftigen Namensvetterin dringend eine Scheibe abschneiden. Ein sängerfreundliches Dirigat hat noch keiner Aufführung geschadet, Maestro Caballé-Domenech!
Die Inszenierung von Vincent Boussard und das Bühnenbild von Vincent Lemaire sind meist erträglich. Einzig eine an der Decke sinnlos aufgehängte Schubkarre und eine während der Arie „Ch‘ ella mi creda“ laut polternd eine überlange Leiter hinaufkletternde Indianerin, verhalfen der Inszenierung zu einer Fahrkarte in Richtung Schmarrn.
Der uneingeschränkte Dank gilt dem Liebespaar Kampe/Berti. Dessen Spitzenleistung ließ die Besucher überglücklich und beschwingt nach Hause tanzen.
Ulrich Poser, 20. Mai 2019
für klassik-begeistert.de
… selten eine blödere Einleitung gelesen als den ersten Absatz.
Sollte der Chefedakteuer eigentlich rausnehmen, hat mit dem zu Berichtenden nichts zu tun! Nix für ungut.
Fred Keller
„…so dass sie auch diese wegen vieler ’schräger‘ Noten mörderisch schwere dramatische Partie mit links gemeistert hat.“ Wenn man das Stück so überhaupt nicht kennt, hört man da tatsächlich schräge Noten?
Oder war das halt einfach Frau Kampe, bei der mir jede Rolle irrsinnig schwer und fast unsingbar scheint?
Stefan Treddel
…..tatsächlich wäre ich hocherfreut, im Jahre 38 nach MDM , wieder einen Tenor aus Italien zu hören, der mich in allen Registern überzeugt. Die heutigen sehen vielleicht italienisch aus. Auch die aus Deutschland.
Herrn Berti also toi, toi, toi!
Freundliche Grüße
Konrad Messerer