Skurril und zauberhaft: "Oberon" im Theater an der Wien

Carl Maria von Weber, Oberon,  Theater an der Wien, 17. Mai 2019

Foto: © Werner Kmetitsch

Carl Maria von Weber, Oberon
Theater an der Wien, 17. Mai 2019

Thomas Guggeis, Musikalische Leitung
Nikolaus Habjan, Regie
Jakob Brossmann, Bühne
Denise Heschl, Kostüme
Michael Bauer, Licht

Mauro Peter, Oberon
Juliette Mars, Titiana, seine Gemahlin
Annette Dasch, Rezia, des Kalifen Tochter
Natalia Kawałek, Fatime, deren Vertraute
Vincent Wolfsteiner, Hüon von Bordeaux
Daniel Schmutzhard, Scherasmin, sein Knappe
Manuela Linshalm, Erster Puck
Daniel-Frantisek Kamen, Zweiter Puck
Sebastian Mock, Dritter Puck
Jenna Siladie, Meermädchen

von Jürgen Pathy

Liebe und Treue auf dem Prüfstand in einem Labor. Das alles in einer revuehaft-wechselnden Welt zwischen Rittern, Feen und Orient. So könnte man den „Oberon“, eine romantische Feenoper in drei Aufzügen, in der skurrilen Inszenierung des Regisseurs Nikolaus Habjan, 31, im Theater an der Wien kurz zusammenfassen.

Ein Singspiel, dessen Nähe zur „Zauberflöte“ kaum jemand bestreiten können wird und das laut der Meinung des österreichischen Regisseurs „viel zu selten in Szene gesetzt wird“. Um das zu ändern, wurde Habjan, der 2012 mit dem österreichischen Theaterpreis „Nestroy“ ausgezeichnet wurde, zum ersten Mal am Theater an der Wien engagiert.

Das Bühnenbild ist geprägt von bildstarken Eindrücken, von bunten Wesen und von lebensgroßen Klappmaulpuppen, die sich im Laufe des Abends als der Renner herausstellen werden und im ausverkauften Haus das ein oder andere Mal für herzhaftes Gelächter sorgen können.

Ansonsten mag sich der Erfolg nicht gleich von Beginn an einstellen, ist der Rausch der Sinne erstmal nur den Bühnenfiguren vergönnt. Oberon versetzt sich plakativ einen „Schuss“, der schönen Rezia und dem heldenhaften Hüon von Bordeaux werden mittels halluzinogener Horrortrips die Suche nach der ewigen Treue erschwert und der Rest der Protagonisten schwebt irgendwo in einer surrealen Welt zwischen Albert Hoffmanns LSD-Labor und John Lennons „Lucy in the sky with diamonds“.

In den größeren Partien einzig und alleine ohne Startschwierigkeiten zeigt sich der Schweizer Mauro Peter, 32, der aufgrund regelmäßiger Engagements bei den Salzburger Festspielen mittlerweile allen Opernfans ein Begriff sein sollte.

In der lyrischen Titelpartie des Oberon ist er nicht nur in der Lage, Rezia und Hüon zu verzaubern, auch große Teile des Publikums dürften der äußerst geschmeidigen und weichen Stimme des jungen Tenors verfallen sein, der niemals auch nur annähernd den Anschein erweckt, als könnte er ins Penetrante, Scharfe oder Aufdringliche entgleiten.

Das kann von Annette Dasch, 43, anfangs nicht behauptet werden, erweist sich die vielseitige Partie der Rezia doch als etwas zu lyrisch für die deutsche Sopranistin, deren Stärken eher im dramatischen Fach angesiedelt sein dürften.

An der Wiener Staatsoper konnte sie letzte Saison als Elsa in „Lohengrin“ noch einen starken Gesamteindruck hinterlassen, in der zu Beginn überwiegend zarten, leisen Partie der Rezia kämpft sie jedoch schwer mit den Höhen. Erst im Laufe des Abends offenbaren sich die Qualitäten der Berlinerin, kann die Bayreuth-erprobte Sängerin bei der „Ozean-Arie“ ihre dramatischen Kernkompetenzen vollends ausspielen und in die Wogen werfen.

Schleierhaft, weshalb ein Herr, dessen Kompetenzen in der Musik nicht zu liegen scheinen dürften, diese astreine Deklamation mit einem schmerzhaften Buh quittiert.

Ein breites Spektrum der Gesangskunst fordert Carl Maria von Webers Komposition auch von der großen, tragenden Partie des Hüon von Bordeaux, der ohne jegliches Warmsingen gleich mit einer unheimlich schwierigen Arie aufhorchen lassen muss.

Vincent Wolfsteiner, 53, erweist sich in dieser undankbaren Partie, die teilweise gar an den Florestan von „Fidelio“ erinnert, zwar nicht immer als intonationssicher, glänzt aber vor allem, wenn es so richtig laut, hoch und heldenhaft wird. Dort fühlt sich der gebürtige Münchner hörbar wohl, überzeugt er mit großer Strahlkraft und einer sicheren Gesangstechnik.

Werden zärtlichere Töne gefordert, lyrische Bögen und Flexibilität, fehlt es ab und zu ein wenig an der Geschmeidigkeit, scheint der Fehlerteufel nur einen Katzensprung entfernt zu lauern und schlägt immer wieder zu.

Einen mächtigen Eindruck hinterlässt Juliette Mars als Oberons Gemahlin Titiana, die zum Glück ein gewichtiges Wort mitzureden hat und sich nicht wie in der Originalpartitur einer stummen Rolle ausgeliefert sieht. Im strengen Rektorinnenlook mit Hornbrille, roten Haaren und Strapsen bekleidet dominiert sie die Szenerie von oben herab und ähnelt aufgrund ihrer mächtigen Bühnenpräsenz ein wenig der Ortrud aus Andreas Homokis aktueller „Lohengrin“-Inszenierung an der Wiener Staatsoper.

Hemdsärmelig, boshaft blickend und noch dazu mit einem klangschönen Mezzo ausgestattet, der äußerst flexibel von dramatisch bis operettenhaft aufhorchen lässt.

Daniel Schmutzhards wunderschöner Bariton darf leider viel zu selten ran. In der Partie des Scherasmin, der als Hüons Knappe viele Abenteuer erleben darf, beweist der Österreicher jedoch, dass er selbst als Schauspieler bestimmt sein Auskommen und seinen Lebensabend sichern könnte. Mit viel Witz, Charme und Ironie verkörpert er diese tollpatschige Figur, deren Nähe zum Papageno, den er ebenfalls schon am Theater an der Wien verkörpern durfte, ganz offensichtlich scheint.

Einen starken Eindruck hinterlässt ein weiteres Mal auch der bestens disponierte Arnold Schönberg Chor. Ebenso die drei Puppenspieler, die als erster, zweiter und dritter Puck den Abend nachhaltig gestalten und eindeutig den lautesten Schlussapplaus kassieren.

Darstellerisch als auch gesanglich auf keinen Fall hinter ihrer Herrin Rezia verstecken muss sich die junge Mezzosopranistin Natalia Kawalek, 32, die einen gelungenen Abend feiern darf.

Am Pult überrascht der blutjunge Thomas Guggeis, 25. Hat das Wiener Kammerorchester anfangs noch etwas stumpf und fahl geklungen, entwickelt sich die musikalische Reise im Laufe des Abends zu einem mitreißenden Wellenritt, der gezeichnet ist von packender Dramatik und berauschenden Klangfarben.

Und auf den Herrn, der trotz seiner Jugend bereits auf rund siebzig Dirigate zurückblicken kann, dürften bereits größere Aufgaben warten: Ein Engagement an der Wiener Staatsoper unter der Patronanz des designierten Staatsoperndirektors Bogdan Roščić scheint bereits unter Dach und Fach.

Jürgen Pathy (klassikpunk.de), 19. Mai 2019, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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