Foto: © Myrzik und Jarisch
Bayerische Staatsoper, 4. März 2020
Gioachino Rossini, La Cenerentola
von Stefanie Schlatt
Wer kann bei diesem nasskalten Wetter nicht ein wenig Aufheiterung vertragen?
Während die ersten Sonnenstrahlen des Frühlings in München noch auf sich warten lassen und die Flucht in wärmere italienische Gefilde wegen des immer noch grassierenden Coronavirus derzeit ausgeschlossen ist, beschränkt sich das Dolce Vita derzeit höchstens auf Besuche in der Pizzeria um die Ecke – es sei denn, man ist Opernfan, denn für solche hat das vielseitige italienische Repertoire eigentlich immer etwas zu bieten.
Das Programm der Bayerischen Staatsoper für den März 2020 ist jedenfalls auffallend von italienischen Klassikern dominiert, wie etwa der aktuell umfassend beworbenen Neuproduktion von Verdis I Masnadieri und einer Wiederaufführung einer bewährten Inszenierung von Donizettis Lucia di Lammermoor.
Diesen tragischen Opernstoffen sind im Spielplan der BSO mit Rossinis La Cenerentola heitere Töne entgegengesetzt. Und mit der Kultinszenierung von Jean-Pierre Ponnelle, die das Haus in dieser Saison an drei Abenden aufführt, bedient sie sich einer besonders bewährten Rezeptur gegen schlechte Laune.
Schon 1980 feierte Ponnelles spritzige Darbietung dieser Oper in München Premiere und steht seitdem alle paar Jahre wieder auf dem Programm der BSO. Dass diese Fassung besonders sehenswert ist, beweist schon die Tatsache, dass sie es als DVD in den Handel geschafft hat und somit auch die breite Masse in den Genuss dieses barocken Bühnenspektakels mit der fröhlichen Musik kommen kann.
Als komische (oder jedenfalls teils ernste, teils heitere) Oper, die Rossini seinerzeit im Fahrwasser seines Publikumserfolgs Der Barbier von Sevilla im Auftrag des Teatro Valle in Rom für die Karnevalssaison 1816/1817 komponierte, war sie ohnehin darauf ausgelegt, nicht nur den Geschmack der elitären Bildungsbürger zu treffen.
Die aktuellen Vorstellungen an der BSO locken außerdem mit großen Namen: Die musikalische Leitung liegt in der Hand des Operndirigenten Ottavio Dantone, unter dem das Bayerische Staatsorchester in besonders satten barocken Klangfarben ertönt, die den Belcanto auf der Bühne wunderbar ergänzen.
Und auch auf dem Besetzungszettel sticht Einer besonders hervor, nämlich der Bassbariton Erwin Schrott – hier in der Rolle des Philosophen Alidoro – der in der aktuellen Spielzeit an der BSO noch in zwei weiteren Partien zu erleben sein wird, die besonderes Charisma und Schneid erfordern: als Baron Scarpia in Tosca sowie als Titelheld in Mozarts Don Giovanni.
Schon die spritzig dargebotene Ouvertüre bereitet wunderbar die Szene für dieses vergnügliche circa dreistündige Musikspektakel. Insbesondere die fröhlich schnatternden Fagotte, Flöten und Klarinetten bringen den ausgelassenen Esprit der Orchesterpartitur bestens zur Geltung. Im Übrigen sind im umfangreichen Programmheft zu dieser Inszenierung interessante Ausführungen zur Instrumentation der Oper enthalten, die auch für Laien verständlich die umfassenden Bearbeitungen von Rossinis Originalpartitur erklären. Diese zielen vor allem auf die bestmögliche Ausschöpfung des komischen Potenzials der Gesangspartien und Instrumente ab, was die Musiker zum Teil vor beachtliche Herausforderungen stellt – gerade die Holzbläser, die beispielsweise die ursprünglich vorgesehene Interaktion von zwei munteren Piccoloflöten durch ihre eigenen humoristischen Tricks ersetzen müssen.
Die Bühnenrollen sind als Belcantopartien darauf ausgelegt, stimmlich dick aufzutragen. Hier sind neben einwandfreier Technik, einer sportlichen Tessitur und einer flinken Zunge für die Darbietung der Texte (insbesondere im Duett „zitto zitto, piano piano“) auch ein gewisser Swag und schlichtweg ein lautes Organ gefragt, um nicht vom auftrumpfenden Orchester in den Schatten gestellt zu werden.
Und auch an die schaupielerischen Fähigkeiten der Darsteller werden hohe Erwartungen gestellt, denn schließlich sollen sie die Leute zum Lachen bringen, ohne dabei ihre oberste Pficht zu vernachlässigen: sie mit ihrem virtuosen Gesang zu verblüffen.
Leider blieben an diesem Abend manche Darsteller hinter ihren Möglichkeiten zurück. Insbesondere von Don Ramiro und Don Magnifico, die mit dem jungen Südafrikaner Levy Sekgapane beziehungsweise dem in italienischem Repertoire versierten Paolo Bordogna eigentlich stimmig besetzt waren, hätte man sich oft einen kräftigeren Gesang und mehr Mut zur Albernheit gewünscht, die zur ansonsten selbstsicheren Ausstrahlung und Spielfreude der Darsteller und dem komischen Naturell der Figuren passen. Neben dem spaßigen Gefolge des Prinzen und den schrillen Schwestern Tisbe und Clorinda, die mit der nötigen Überspanntheit dargeboten wurden, hätten diese beiden Protagonisten ruhig mehr aufs Blech hauen dürfen.
Ein Highlight von Ponnelles Cenerentola ist ihre optische Gestaltung: Sowohl das detailverliebte Bühnenbild als auch die opulenten Kostüme und die aufwendigen Masken sind in dieser klassischen Inszenierung ein Augenschmaus.
Dramaturgisch unterstreichen einige absichtlich überzeichnete Momente (etwa das enthemmte Fressgelage an der schrillbunten Tafel in der Bankettszene am Ende des I. Akts oder Clorindas und Tisbes bizarrer Gestus) wirkungsvoll die tragikomischen Aspekte des Stoffs. Die unschuldige Herzensgüte des ausgestoßenen Aschenputtels kommt so noch besser zur Geltung und für die Aufwertung des Spaßfaktors ist obendrein gesorgt.
Die Oper ist noch am 6. und am 9. März jeweils ab 19 Uhr in der BSO (in italienischer Originalsprache mit deutschen und englischen Übertiteln) zu erleben.
Stefanie Schlatt, 6. März 2020 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Musikalische Leitung Ottavio Dantone
Inszenierung Jean-Pierre Ponnelle
Bühne und Kostüme Jean-Pierre Ponnelle
Chor Stellario Fagone
Don Ramiro Levy Sekgapane
Dandini Edwin Crossley-Mercer
Don Magnifico Paolo Bordogna
Clorinda Galina Benevich
Tisbe Corinna Scheurle
Angelina (Cenerentola) Teresa Iervolino
Alidoro Erwin Schrott
Orchester Bayerisches Staatsorchester