© Salzburger Festspiele / Ruth Walz
Gioachino Rossini, L’Italiana in Algeri, Salzburger Festspiele, Haus für Mozart, 8. August 2018
von Peter Dusek (Online-Merker.com)
Trotz Hitzerekord und Gewitter-Exzess (samt Dachschaden im benachbarten Großen Festspielhaus): das frühe Meisterwerk (UA1813) von Gioachino Rossini „L’Italiana in Algeri“ erlebte in Salzburg am vergangenen Mittwoch eine hinreißende Wiederaufnahme von den Pfingst-Festspielen. Cecilia Bartoli ist ja nicht nur als Sängerin ein Ereignis der Extraklasse, auch als Managerin liefert sie einen Erfolg nach dem anderen. Und „L’Italiana in Algeri“ gehört zu ihren großen Hits. Am Ende Jubel, Trubel, Heiterkeit, Pfiffe und Trampeln. Und die verrückte Ausgelassenheit geht soweit, dass der hochkarätige Dirigent des Abends Jean-Christophe Spinosi mit dem Ensemble Matheus das Finale wiederholen lässt: das Publikum klatscht mit, auf der Bühne tanzt jeder mit jedem. Die Welt ist voller Probleme, aber wir können – zumindest für 3 Stunden – auf die Mühsal des Lebens vergessen.
Voraussetzung dafür ist das hohe musikalische Niveau und eine moderne, „surreale“ Inszenierung: Cecilia Bartoli setzt auch hier auf Kontinuität. Mit dem bewährten Duo Moshe Leiser & Patrice Caurierprolongiert sie ihre Erfolgs-Linie. Das Bühnenbild stammt diesmal von Christian Fennouillat, Kostüme Agostino Cavalca. Die Handlung vom ehemüden Mustafa – grandios der russische Bass Ildar Abdrazakov– ist vom 19.Jahrhundert ins 20.Jahrhundert verlagert. Es gibt zwar Telefon, aber noch keine Handy’s. Cecilia Bartoli tritt auf einer Kamel-Attrappe auf, es gibt Autos der 1960er Jahre. Und dann wird man an die jüngste Fussball-WM erinnert.
Wer hier nach Logik sucht, wird sich schwer tun. Aber wer sich der genialen Musik des noch unverbrauchten Komponisten hingibt, wird das Regiekonzept verstehen: im Finale des 1.Aktes singen ein Dutzend Personen – mit vielfältigen Texten und Melodien. Und das ganze beginnt einen Gemütszustand zu illustrieren, der zugleich wahnsinnig, „schräg“ und doch insgesamt harmonisch ist. Dazu braucht man auch ein so grandioses Ensemble. Cecilia Bartoli hat einst mit Mozart begonnen und jüngst mit der Norma triumphiert. Aber bei jedem Soloabend wird klar: nichts liegt der italienischen „Diva assoluta“ so sehr wie Rossini. Und so ist es auch diesmal, die Koloraturen „perlen“, die Höhen strahlen und die Tiefe ist erstaunlich. Völlig ebenbürtig ist ihr Mustafa Ildar Abdrazakov. Der Met-Star liefert tolle Höhen wie Tiefen, hat viel Charme und ist am Ende froh, dass die schöne Italienerin wieder per Schiff Algerien verlässt.
Beim Ranking des Ensembles gebührt wohl dem Taddeo – fast schüchtern der Italiener Allessandro Corbelli – der Spitzenplatz; dann kommt wohl der Tenor – mit weicher Stimme José Coca Loza – sowie die (fast) verstoßene Elvira: Rebeca Olivera war wohl zu lyrisch; entschädigte aber mit strahlenden Höhen in den Ensembles. Dem Philharmonia Chor (Leitung Walter Zeh) schien das Ganze enormes Vergnügen zu bereiten. Aber das gehörte wohl zum Charakteristikum der ganzen Vorstellung: Lebenslust und gute Laune pur! In einer seltenen Intensität!
von Peter Dusek