Jaap van Zweden © Bert Hulselmans
Hatte man am Vorabend bei der Festival-Eröffnung das Glück, gerade noch das Konzert im Wolkenturm erleben zu können, musste an diesem Abend das Publikum letztlich ins Auditorium komplimentiert werden. Bezüglich Akustik kein Nachteil, da hier größtenteils die Musik elektronisch „unbehandelt“ zu den Hörern transportiert wird.
Felix Mendelssohn-Bartholdy:
Konzert für Violine und Orchester e-moll op. 64
Anton Bruckner:
Symphonie Nr. 7 in E-Dur
Janine Jansen, Violine
Gstaad Festival Orchester
Jaap van Zweden, Dirigent
Konzert im Auditorium, Grafenegg, 17. August 2024
von Herbert Hiess
Natürlich stehen alle Konzertprogramme europaweit (wenn nicht sogar weltweit) im Zeichen des Jubilars Anton Bruckner, dessen 200. Geburtstag am 4. September begangen wird. Und hier kam an diesem Abend das renommierte Gstaad-Festival Orchester vor das Publikum, dass das Publikum in Grafenegg schon 2022 mit einer hervorragenden konzertanten Aufführung von Beethovens „Fidelio“ erfreute (Ludwig van Beethoven, Fidelio, konzertante Aufführung Wolkenturm, Grafenegg, 13. August 2022 – Klassik begeistert (klassik-begeistert.de)).
An diesem Abend kam das hervorragende Orchester mit Bruckner und Mendelssohn-Bartholdy zu Wort; ein Abend, der nicht so eindeutig überzeugte. Das Orchester ist tatsächlich ausgezeichnet; setzt sich aus den Mitgliedern der führenden Schweizer Orchester zusammen. In allen Instrumentengruppen ausgezeichnet; vor allem Holz- und Blechbläser und auch die Streicher. Es war durchwegs jede Instrumentengruppe begeisterungswürdig – leider bis auf die Pauke. Der Paukist spielte total unterdimensioniert; sein Klang war absolut nicht tragfähig und ging nicht einmal bis zum Fortissimo.
Da muss man sich wehmütig an 2016 erinnern, wo das European Union Youth Orchestra (EUYO), das ja jetzt in Grafenegg residiert, diese Symphonie unter dem unvergessenen Bernard Haitink zelebrierte. evolver.at || Grafeneggs zehnjähriges Jubiläum. Abgesehen von der genialen Interpretation damals; da war damals ein junger Paukist am Instrument, dessen Intensität man heute noch spüren kann.
An diesem Abend ließ der Gstaader Paukist leider aus; da passte der Klang absolut nicht zum gesamten Orchester. Und dann beging man den Kardinalfehler, dass Schluss von Satz 1 und 4 nicht von zwei Paukisten gespielt wurde. Durch das tiefe E schafft ein Paukist selten das erforderliche Klangvolumen. Und interessanterweise waren die Kontrabässe mit fünf Personen fast zu schwach besetzt; normalerweise sollten acht Leute spielen.
Wie gesagt, das gesamte Orchester war ganz hervorragend und auch der Dirigent Jaap van Zweden schuf manch schöne Momente; so vor allem im Adagio (2. Satz), wo die Durchführung mit der Sequenz äußerst berührend gelang. Leider kamen dann sofort wieder Momente, wo der Maestro wie ein Torero mit seiner Espada (Anm.: Der Degen des Toreros) kommandierte. Interessant dabei ist, dass van Zweden 12 Jahre lang einer der Konzertmeister des Concertgebouw Orchestras war, wo nicht zuletzt Bernard Haitink die großartige Bruckner-Tradition dort pflegte. Da hätte er sich genug davon abschauen können.
Vor der Pause konnte man im Mendelssohn-Konzert die großartige Janine Jansen hören, die wie immer mit ihrem goldenen Ton überzeugte. Sie ist nach wie vor souverän – sowohl bei raschen Läufen als auch bei den zuckersüßen Kantilenen, die aber niemals kitschig klangen. Vor allem im wehmütigen zweiten Satz zeigte die Geigerin ihre totale Musikalität.
Für den verdienten Applaus bedankte sich Janine Jansen mit einem hochkomplizierten Solowerk von Johann Sebastian Bach; hochkompliziert vor allem wegen der vielen Doppelgriffe und Kantilenen. Ein bemerkenswerter Auftritt der tollen Frau!
Mag. Herbert Hiess, 18. August 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
London Symphony Orchestra, Sir Antonio Pappano, Janine Jansen Tonhalle Düsseldorf, 24. April 2024
Wiener Symphoniker / Lamsma / van Zweden Wiener Konzerthaus, 22. Oktober 2023