Choreograph Krzysztof Pastor setzt Shakespeares Sturm beeindruckend als Ballett um

Hamburger Ballett-Tage, Gastspiel des Polnischen Nationalballetts  Staatsoper Hamburg, 28. Juni 2022

Insgesamt zeigten die solistisch besetzten Tänzerinnen und Tänzer des polnischen Nationalballetts ein hohes technisches Niveau, das galt auch für das Ensemble. Besonders beeindruckten Vladimir Yaroshenko als Prospero und Chinara Alizade als seine Tochter Miranda, aber auch der sprungstarke Patryk Walczak als Luftgeist Ariel.

Abbas Bakhtiari (Der alte Prospero), Vladimir Yaroshenko (Prospero, ein Exilant aus Mailand), Chinara Alizade (Miranda, seine Tochter), hinter den Blumen Maksim Woitiul (Ferdinand, Schiffbrüchiger, verliebt in Miranda), Pawel Koncewoj (Caliban, Eingeborener, fasziniert von Miranda) und Ensemble (Foto RW)

Staatsoper Hamburg, 28. Juni 2022

Krzysztof Pastor: The Tempest, Ballett in zwei Akten nach William Shakespeare

Hamburger Ballett-Tage
Gastspiel des Polnischen Nationalballetts

von Dr. Ralf Wegner

Nicht alle Shakespeare-Stücke sind so leicht verständlich wie Romeo und Julia oder Der Sommernachtstraum. Der Sturm gehört nicht dazu. Um das Ballett von Krzysztof Pastor zu verstehen, sollte man sich also vorher die Handlung vergegenwärtigen:

Antonio stürzt mit Hilfe Alonsos, des Königs von Neapel, seinen Bruder Prospero, Herzog von Mailand, vom Thron. Prospero strandet mit seiner Tochter Miranda auf einer von Caliban und seinem Volk bewohnten Insel. Mit Hilfe des Luftgeistes Ariel bemächtigt sich Prospero der Insel. In einem Sturm stranden alle weiteren Beteiligten einschließlich Alonsos Sohn Ferdinand sowie die Matrosen Trinculo und Stefano auf der Insel. Letztere versuchen mit Hilfe von Caliban die Insel zu erobern, was Ariel verhindert. Die Liebe Ferdinands und Mirandas führt die väterlichen Herrscher Alonso und Prospero zusammen. Prospero vergibt seinem Bruder Antonio dessen thronräuberisches Verhalten.

Pastor verzichtet in seinem Ballett auf die Person des Königs von Neapel und belässt es bei dessen Sohn und den beiden Matrosen. Im Zentrum seiner Choreographie steht der gealterte Prospero, der mit Hilfe Ariels Stürme heraufbeschwört, um seine Erinnerung an Vergangenes zu wecken: Wie er mit Miranda von Caliban gerettet wird, dessen Liebe zu Miranda aber behindert; wie sich Ferdinand und Miranda ineinander verlieben; wie Trinculo und Stefano mit Hilfe Calibans Prospero stürzen wollen, was Ariel verhindert und wie die Liebe Ferdinands und Mirandas schließlich jedes Hindernis beseitigt. Am Ende bettet der sterbende Prospero versöhnlich sein Haupt auf Calibans Schoß.

Patryk Walczak (Ariel, Schutzgeist zu Diensten von Prospero) und Ensemble (Foto RW)

Die von Pastor gewählten Musikstücke von Henry Purcell sowie u. a. Thomas Tallis, Robert Johnson oder Matthew Locke sind nicht unbedingt eingängig, weitgehend werden außerdem perkutorische Elemente eingesetzt wie eine sog. Daf-Trommel, mit der der alternde Prospero (Abbas Bakhtiari) die Stürme und damit seine Erinnerungen heraufbeschwört.

Der junge Prospero wird mit herzoglicher Aura von dem Principal Vladimir Yaroshenko getanzt, seine ihm sich entwindende Tochter von der Ersten Solistin Chinara Alizade. Während ihre Beziehung zu Caliban (Pawel Koncewoj, Erster Solist) und zum Vater tänzerisch in Pas de deux und Pas de trois einleuchtend umgesetzt wird, stimmt die Harmonie mit Principal Maksim Woitiul (Ferdinand) nicht. Mit zumeist angestrengtem Gesichtsausdruck vermag er es nicht, zu Miranda eine innere Beziehung aufzubauen oder Liebesglück zu vermitteln. Mit zahlreichen hohen Sprüngen und Drehungen beeindruckte Patryk Walczak (Erster Solist) als Ariel, wurde vom Choreographen aber im Wesentlichen mit demselben Bewegungsmuster abgespeist. Eine Entwicklung dieser zentralen Handlungsfigur war nicht erkennbar, auch blieb seine Beziehung zum Herzog ungedeutet. Mit Sprungkraft und darstellerischem Witz reüssierten Killian Smith (Ensemble) sowie Bartosz Zyśk (Coryphée) beim Publikum als Trinculo und Stefano.

Insgesamt zeigten die Tänzerinnen und Tänzer des polnischen Nationalballetts ein hohes technisches Niveau, das galt auch für das Caliban-Anhänger, raue Wellen und Hunde darstellende Ensemble. Der Beifall war lebhaft, mit Jubel, aber nicht sehr lang anhaltend. Das lag aber auch an dem recht raschen Fallen des Schlussvorhangs in den Beifall hinein.

Dr. Ralf Wegner, 29. Juni 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

John Neumeier: Beethoven-Projekt II, Hamburger Ballett Tage, Hamburg Ballett, 26. Juni 2022

Christopher Wheeldon: The Winter’s Tale, Ballett nach Shakespeares Wintermärchen Staatsoper Hamburg, 19. Juni 2022 PREMIERE

Iannis Xenaxis: Kraanerg Ballett-Performance Museumsquartier Halle G, 7. Juni 2022 

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