Foto: Mat Hennek / DG (c)
Kulturpalast Dresden, 8. Juni 2018
Hélène Grimaud, Klavier
Mat Hennek,Fotoinstallation
von Pauline Lehmann
Der beleuchtete Flügel und eine riesige LED-Wand mit der Fotografie eines bräunlich-grünlich schimmernden Dickichts schaffen inmitten des völlig abgedunkelten Saales eine stimmungsvolle Atmosphäre. Es ist ein spannungsreicher Moment, als die französische Pianistin Hélène Grimaud mit einer ausladenden Geste den ersten Ton vorbereitet. Die dunklen Farben des Waldes wechseln in ein lichtes Farbenspiel aus weiß, hellblau und rot.
Bereits in ihrem Album „Water“ widmet sich Grimaud mit Werken romantischer und impressionistischer Komponisten dem Wasser als Urelement. Der britisch-indische Komponist Nitin Sawhney schuf die verbindenden Elemente zwischen den einzelnen Stücken. Seine „Water – Transitions“ stehen als elektronisch-sphärische Klänge in einem ungewöhnlichen Kontrast zu den Klavierstücken.
Im Rahmen der Dresdner Musikfestspiele präsentiert Grimaud in einem einstündigen Klavierrezital das Projekt „Woodlands and Beyond…“. Gemeinsam mit dem Fotografen Mat Hennek vereint die Pianistin und Wolfsaktivistin Musik und Fotografie zu einem audiovisuellen Gesamtwerk. Die beiden Künstler fokussieren die Natur als Ursprung aller Dinge. Hinter den Wäldern liegen tiefblaue Wasser und schroffe Berge, ausgetrocknete Böden und Flussläufe.
Henneks Fotoinstallationen eröffnen neben der Musik einen zusätzlichen Raum und regen zum Nachdenken an. Seine Bilder schärfen den Blick für das Detail. Auf blaue Wasser und grüne Wälder folgen ausgetrocknete Flusslandschaften, die Hennek mit Rot-Tönen verfremdet.
Luciano Berios „Wasserklavier“aus „6 Encores“ erklingt verträumt. Grimaud lässt Wassertropfen wie Perlen glitzern und das Wasser kurz aufbrausen. In Tōru Takemitsus „Rain Tree Sketch II“ wechseln dissonante Akkorde mit kurzen Melodiephrasen. Der Genuss liegt in der Ruhe und in den verhaltenen Tönen. Gabriel Faurés „Barcarolle“ Nr. 5 fis-Moll op. 66 bildet einen klanglich gelungenen Kontrast.
Maurice Ravels „Jeux d´eau“ wirkt aufgewühlt und ergreifend. Nach virtuosen Akkorden beruhigt sich die Stimmung wieder und die Melodie fließt dahin. Die Fotografien wechseln unmerklich. Schiffe in einem Wald. Dann werden die Bäume deutlicher und die Schiffe verblassen. Die Musik wird ausgelassener und die Farben heller. Licht durchflutet den Wald und bringt die Baumstämme zum Leuchten. Grimaud präsentiert das Klavier in seiner schönsten Klanggestalt. Sie schafft ein Klanguniversum, in welches das Publikum eingesogen wird.
Die Pianistin bringt die energetisch-tänzerischen Klänge in Isaac Albéniz „Almería“aus der Suite „Iberia“zum Ausdruck. Satte, tiefe Akkorde wechseln mit hohen, filigranen Läufen. Auf der Leinwand zeigt sich türkisblaues Wasser. Die Bilder verschwimmen ineinander. Bäume stehen im Wasser. Dann zeigt sich der Wald in einem satten Grün.
Franz Liszts „Les jeux d’eaux à la villa d’Este“ erklingt pulsierend und pathetisch. Das Stück beschreibt tonmalerisch die Parkanlage der Villa d’Este in Tivoli. Eine graziöse Melodie trifft auf virtuose Elemente. Henneks „Lake Powell“ – karge, orangene Felsen, die sich im klaren Wasser spiegeln, erscheint im Hintergrund.
In Leoš Janáčeks 1. Satz „Andante“ aus dem Klavierzyklus „Im Nebel“ verzaubert die französische Pianistin mit perlenden Arpeggien. Die Melodie in der rechten Hand assoziiert das Fließen des Wassers. Eindringlich übermittelt Grimaud die Sehnsucht und Tiefe, die in dem Stück liegt. Die Fotografien zeigen den Wolf und den Wald im Winter. An dieser Stelle haben Musik und Kunst eine besondere Wirkung.
Grimaud beschließt den Konzertabend mit Claude Debussys „La cathédrale engloutie“ aus „Préludes“.Volle Akkorde und ein gelber Herbstwald breiten sich im Konzertsaal aus. Die Pianistin beeindruckt mit einem leichten, federnden Spiel und einem präzisen Anschlag. Die Sonne bringt den Waldboden zum Leuchten. Das Publikum bedankt sich mit langanhaltendem Applaus. Ein kurzer Abend, der Lust auf ein ergiebigeres Konzerterlebnis mit der französischen Weltklassepianistin macht.
Pauline Lehmann, 9. Juni 2018,
für Klassik-begeistert.de