Roman Trekel © Staatsoper Unter den Linden
Staatsoper Unter den Linden, Berlin, 10. Juli 2023
Evelin Novak, Sopran
Roman Trekel, Bariton
Oliver Pohl, Klavier
Hugo Wolf, Italienisches Liederbuch
von Lukas Baake
Es ist ein seltenes Glück, Hugo Wolfs Italienisches Liederbuch, das subtile und ausgefeilte Spätwerk des Komponisten, in Gänze hören zu dürfen. Zu einem vollends beglückenden Konzerterlebnis werden die 46 Lieder, wenn sie von zwei Ausnahmesängern und einem gleichermaßen einfühlsamen wie bestimmt auftretenden pianistischen Begleiter dargeboten werden. Am Montagabend durften die staunenden Besucher des ausverkauften Apollosaals der Berliner Staatsoper einer solchen unwahrscheinlichen Fügung beiwohnen. Den Hausgrößen Evelin Novak und Roman Trekel gelang auf diese Weise ein famoser Liederabend.
Bereits die süßlichen Akkordbrechungen des Eröffnungslieds, die in eine filigrane, aufsteigende Sechzehntel-Girlande münden, ließen den Zuhörer voller Vorfreude auf die folgenden anderthalb Konzertstunden blicken. Warm und sanft intonierte Oliver Pohl das Vorspiel und breitete einen federweiche Klangteppich aus, an den Evelin Novak ihren gleißenden Sopran schmiegen konnte. Die Freude an den kleinen, entzückenden Dingen zelebrierte die kroatische Sopranistin derart ausgelassen und feinsinnig, dass es schwer fiel, von dem lichterfüllten A-Dur Abschied zu nehmen und in das bunte Kaleidoskop von Schattierungen und Empfindungen einzutauchen, das Wolf in den 46 Liedern entfaltet.
Das leichte Abschiedsweh wich jedoch schnell einer puren Freude, da Novaks umarmender Klang einen idealen Bezugspunkt in Roman Trekels kernigen und vielseitigen Bariton fand. Einer frei gewählten Abfolge der Lieder folgend, wurde die facettenreiche Spiegelung menschlichen Liebens und Leidens zu einem kongenialen Wechselspiel, bei dem beide Musiker sichtlich Freude an ihrer kenntnisreichen Darbietung hatten.
Die ausgedehnte Konzertpause erlaubte es nicht nur, sich angesichts der hohen Sommertemperaturen mit einem kühlen Getränk abzukühlen, sondern verdeutlichte die zweiteilige Struktur des Werkes, das Hugo Wolf in seiner letzten ausgedehnten Schaffensphase begleitet hat. War der erste Teil über einen vergleichsweise längeren Prozess in den Jahren 1890-1891 entstanden, brachte Wolf den zweiten Teil im Frühjahr 1896 innerhalb weniger Wochen zu Papier. Diese plötzlicher Eruption künstlerischer Kreativität folgte auf die Fertigstellung seines Bühnenwerks „Der Corregidor“ und macht das Italienische Liederbuch, angesichts der baldigen geistigen Umnachtung des Komponisten, zu einem musikalischen Schwanengesang.
Trotz dieses werkgeschichtlichen Hintergrunds, bildet das Liederbuch eine formvollendete Einheit. Beide Hälften sind von einem berauschenden musikalischen Gestus getragen und leben von den lakonischen italienischen Dichtungen, die Paul Heyse ins Deutsche übertragen hat. Deshalb changieren die musikalischen Miniaturen der oftmals sehr kurzen Lieder auch in der zweiten Hälfte zwischen einem frohen, lebhaften Charakter und leiderfüllter Klage. Getragen von Oliver Pohls dynamischer und transparenter Begleitung, konnten Novak und Trekel ihr einnehmendes Wechselspiel von Gesten, Blicken und Gesang fortspinnen und entfalten.
Mit dem lasziv-frivolen „Ich habe in Penna einen Liebsten wohnen“ und einem rasanten Klaviernachspiel kam ein rundum beglückender Liederabend zu einem umjubelten Abschluss.
Lukas Baake, 13. Juli 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Sommereggers Klassikwelt 76: Hugo Wolfs tragisches, kurzes Leben