Foto: (c) Gordon Hamilton
Tonhalle Düsseldorf, 19. Januar 2022
John Williams – Main Title & Imperial March aus „Star Wars“, 1977 & 1980
Peter Thomas – Raumpatrouille Orion – Suite, 1966
Michael Nyman – Musik aus Gattaca, 1997
Hans Zimmer – Interstellar-Suite, 2019
Arvo Pärt – Pari intervallo, 1996
John Psathas – Orbital, 2021
Düsseldorfer Symphoniker
Gordon Hamilton Dirigent
Repercussion Schlagzeug
Jörg Mohr Regie
Von Daniel Janz
Mit Kraft und Pathos in sphärische Höhen – so lässt sich der Ansatz beschreiben, der an diesem Mittwoch in der Tonhalle Düsseldorf gefahren wird. Hier präsentieren Gordon Hamilton (40) und die Düsseldorfer Symphoniker ein buntes Programm aus Kompositionen aller Strömungen zum Bereich Weltraum und Science Fiction. Von alten Fernsehklassikern bis zu brandaktuellen Neukompositionen ist alles dabei. Also heißt es „anschnallen“, wie der australische Dirigent und Komponist humorvoll bei der Vorstellung des Programms sagt. Wir begeben uns ins „Planetarium der Musik“.
Und wie könnte es anders sein – wer an Weltraumabenteuer denkt, der denkt an das Drama um Luke Skywalker und seinen Vater Darth Vader. Selbstverständlich, dass da die Musik aus George Lucas‘ Weltraumklassiker „Star Wars“ von 1977 den Anfang machen muss. Mit einem Mal sausen sie durchs Orchester, die Lichtschwerter und X-Wings, die Jedi-Ritter und die dunkle Seite der Macht in Form des „Imperial Marches“ aus der Fortsetzung „Das Imperium schlägt zurück“. In einer schön wuchtigen Aufführung geben sich Orchester und Dirigent nichts – bereits der Einstieg ist mehr als gelungen.
Ein heutzutage fast schon vergessenes Juwel stellt die Musik zu der 60er-Jahre Fernsehserie „Raumpatrouille Orion“ dar. In bester Jazz-Manier folgen hier verschiedene Abschnitte aus der deutschen Kult-Show. Dass das Orchester hier vor allem als Big-Band auftritt, scheint besonders dem Zeitstil geschuldet: Neben einer vom Schlagzeug dominierten Rhythmik und den immer wieder gedämpften Bläsern stellt hier gerade der E-Bass eine interessante Ergänzung dar. Klanglich mag die erste Assoziation vielleicht nicht der Flug in den Weltraum sein sondern eher ein Retro-Jazz-Club. Musikalisch überzeugt aber auch dieser Teil.
Dramaturgisch sackt die anschließend folgende Musik aus dem Film Gattaca von 1997 ein wenig ab. Zu dieser dystopischen Zukunftsvorstellung um genetisch verbesserte Menschen und den Kampf der gesellschaftlich geächteten so genannten „Invaliden“ gegen sie schrieb Michael Nyman einen wehmütigen Soundtrack voller aufsteigenden Sekunden. Die auf diesen Seufzer-Motiven liegenden Themen wiederholt er in immer wiederkehrender Aneinanderreihung und erzeugt so zwar den Eindruck eines fließenden Verlaufs. Der Nachteil dieser Kompositionsweise ist jedoch, dass sie sich irgendwann erschöpft. Der Rezensent findet diesen Teil des Abends jedenfalls – trotz guter Präsentation durch Orchester und Dirigenten – auf Dauer etwas ermüdend. Spätestens als der vierte Teil „The departure“ einsetzt, fühlt er sich dann doch ein wenig gelangweilt, was auch dem Gesamteindruck nicht guttut, denn hier fallen ihm dann auch ein paar Unsauberkeiten im Orchester auf.
Nach der Pause knüpften Orchester und Musiker dann aber wieder am überzeugenden Einstieg an. Und die Musik aus dem bahnbrechenden Science Fiction-Film „Interstellar“ von 2019 schlägt auch ein, wie eine Bombe. Unterstützt von den schillernden Klängen der Orgel kitzelt Gordon Hamilton einen mächtig brodelnden Gesamtklang aus seinen Musikern. Die nacheinander folgenden Leitthemen zu dem Kinoepos entfalten so ihre ganze Tragweite – der plötzliche Schluss rundet eine ganz und gar überzeugende Leistung ab.
Es scheint, als könnte man diese Meisterleistung nicht mehr toppen. Daher verwundert es etwas, als der Dirigent im Anschluss die vier jungen Schlagzeuger vom Ensemble „Repercussion“ auf die Bühne ruft. Die – in Köln ansässigen – Musiker sind Konzertbesuchern bereits durch ihre Tätigkeit an anderen Orchestern bekannt – Johannes Wippermann (35) steht beispielsweise regelmäßig als erster Schlagzeuger für das WDR Sinfonieorchester auf der Bühne.
Bei so einem Hintergrund kann man natürlich hohe Qualität erwarten. Die Klänge von Arvo Pärts „Pari intervalli“ zeigen auch, dass diese vier Künstler es verstehen, ihre Schlagzeuge auch einfühlsam zu spielen. In der Verbindung mit live-elektronischen Verzerrungseffekten zaubern sie aus Marimba und Vibraphon beinah schon meditativ sphärische Klänge. Dieser Ruhepool des Abends ist im Vergleich zum bisherigen Programm eine ganz neue Sinneserfahrung, die dazu einlädt, sich einfach mal nur zurückzulehnen und zu genießen. Das ist schon große Kunst in einer insgesamt mehr als gelungenen Konzeption. In dem Sinne: Lob an die Regie!
Schlusswerk des Abends bildet dann die nicht einmal ein Jahr alte Komposition von John Psathas, zu der ebenfalls das Schlagzeuger-Quartet bemüht wird. Und meine Güte, was feuern die hier auf einmal für ein Spektakel ab. Wer „Star Wars“ und „Interstellar“ für die Leuchtraketen des Abends gehalten hat, der erlebt hier ein ganzes Feuerwerk. In dieser „Feier menschlicher Energie“ wird gleich mal die ganze Tonhalle in eine Licht- und Klangshow getaucht. Die Verbindung aus Schlagzeug-Furiosum, elektronischer Klangkunst und bombastischem Orchesterklang ist so eng, dass man die einzelnen Töne gar nicht mehr ihren Ursprüngen zuordnen kann.
Diese 20 Minuten pure Ekstase bieten wirklich alles. Donnernde Samba-Rythmen wie im Karneval, Hightech vom Feinsten, sphärische Mischklänge und sogar ein immer wiederkehrendes Thema in der Basslinie, das dem Ganzen Hand und Fuß verleiht – ein ganz und gar geniales Gesamtkunstwerk, das man eigentlich schon nicht mehr in Worte fassen kann. Das muss man live sehen, hören, fühlen und bestaunen; dies ist modernste Klangkunst, wie sie in unsere Konzertsäle gehört. Wenn man irgendetwas daran kritisieren wollen würde, dann höchstens, dass diese Musik ihrer Bombastik wegen zur Reizüberflutung neigt. Eine noch klarere Unterteilung in furiose Abschnitte und den ein oder andere Moment zum Durchatmen hätte sie vielleicht noch beeindruckender gestaltet. Gerade auch deshalb sei noch einmal für den Kontrakt durch Pärt gedankt.
Beeindruckend ist vor allem, wie die vier Jungen Männer ihr Schlagzeugarsenal durchwirbeln, als wäre es das Natürlichste der Welt. Ob am Mischpult, am Marimba/Vibraphon, am Sampling-Pad, an einer skurrilen Konstruktion aus Verkehrsschild, Schiffschraube und Ölflasche oder am Mischpult – sie versprühen Energie pur. Dazu der volle Untergrund, den ihnen das Orchester unter Gordon Hamilton beschert, als wäre es das Natürlichste der Welt. Man kann diese Ausnahmeleistung gar nicht genug loben!
Es verwundert daher überhaupt nicht, dass der Saal ihnen anschließend einen furiosen Applaus spendiert. Nahezu geschlossen erheben sich alle Zuhörenden und feiern dieses denkwürdige Spektakel. Bei so einer Darbietung kann man ja auch nicht anders, als sich begeistert seiner Ergriffenheit hinzugeben. Wäre das ein Start ins All gewesen, dann wäre er vollends geglückt. Dieses Format ist damit auch eine absolute Empfehlung an jedermann: So darf der Besuch im Konzerthaus gerne öfter aussehen.
Daniel Janz, 20. Januar 2022,für
klassik-begeistert.de und Klassik-begeistert.at
Wiener Symphoniker, Martin Grubinger, Gustavo Gimeno, Wiener Konzerthaus