Zahlreiche Buh-Rufe überschatten Guanqun Yus schleichend triumphierende Leonora im neuen Hamburger Trovatore

Giuseppe Verdi, Il Trovatore  Staatsoper Hamburg, 17. März 2024 PREMIERE

Il Trovatore © Brinkhoff-Mögenburg

Sowas gibt’s auch nur an der Hamburgischen Staatsoper: Bei der neuen Il Trovatore-Premiere wurden drei der fünf Hauptgesangspartien plus das Regie-Team vom Publikum regelrecht ausgebuht. Zu feiern gab es einzig eine triumphierende Leonora.

Il Trovatore
Musik von Giuseppe Verdi
Libretto von Salvadore Cammarano nach Antonio García Gutiérrez

Staatsoper Hamburg, 17. März 2024 Premiere

von Johannes Karl Fischer

Nun trifft es also auch Verdi: Nach zahlreichen Puccini-Tenor-Flops an diesem Haus in letzter Zeit – einige Totalausfälle inklusive – musste sich mit Gwyn Hughes Jones als Manrico nun auch ein Verdi-Tenor den Missfallensäußerungen des Hamburger Publikums stellen. Besonders nach der berühmten Di quella pira-Arie wurde noch vor dem letzten Orchesterakkord laut gebuht. Hier hatte Herr Jones auch deutliche Probleme in der Höhe und bereits vor dem berüchtigten hohen C einige Ausrutscher. Auch seine restliche Interpretation dieser Rolle war allesamt nicht sehr überzeugend, in den Melodien waren vor allem Noten und wenig Emotionen zu hören.

Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Einerseits konnte man Herrn Jones immerhin bis in die letzten Reihen des Parketts hören. Er sang recht laut und traf viele der Noten auch einigermaßen richtig. Selbst sein abschnittsweise sehr eifriges Vibrato würde ich ihm, seiner Rolle entsprechend, abnehmen. In dieser Partie darf man auch mal den Troubadour aus dem Verdi-Tenor raushören. Ich finde allerdings, ein Verdi-Troubadour sollte auch gut Belcanto singen können. Das Publikum teilte offenbar meine Meinung.

Und die Buh-Rufe wollten auch jenseits der Titelrolle nicht Halt machen. Missfallensäußerungen gab es am Ende auch für Aleksei Isaevs Graf Luna wie für Elena Maximovas Azucena. Bei letzterer waren mir diese am wenigsten nachvollziehbar. Ja, ihre leicht metallische Stimme klang in dieser Oper etwas merkwürdig, passte aber zu ihrer Rolle als zwiespältige Strippenzieherin. Am Ende bekam man ihre Emotionen deutlich zu spüren. Herr Isaevs Graf brummte vor allem in den Tiefen etwas dahin und kämpfte ohne sehr viel Einsatz für seine Leonora. In Ordnung, mehr auch nicht.

Insgesamt würde ich sagen: Für ein Haus dieser Klasse war das mal wieder keine premierenwürdige Besetzung.

Il Trovatore © Brinkhoff-Mögenburg

Dabei hatte die Oper mit Alexander Roslavets Ferrando einen bärenstarken Beginn hingelegt. Seine Stimme donnerte wie ein kommandierender Hauptmann durch das Haus, dessen Befehle mehr als klar verständlich waren. Auch in den tiefsten Lagen segelte seine Stimme frisch durch die Melodien, eine Vorzeigeleistung für wunderbaren Bass-Gesang ohne den Hauch eines Brummens. Der Ensemble-Stammsänger zeigte, wo der Hammer hängt, da hätten sich die Gäste mal eine Scheibe von abschneiden können!

Der größte Glücksfall des Abends war allerdings Guanqun Yus Leonora. Ihr brillanter, weicher Sopran strahlte in alle Ecken des Hauses und ergriff innig die Herzen des Publikums. Im Gegensatz zum Titeltenor sang sie nicht sehr laut, dafür umso emotionaler. Das war mal ein Paradebeispiel wie man ohne übertriebene Lautstärke so richtig schön packend und fesselnd singen kann. Jede Note war mit Feingespür platziert, die Liebe zur Rolle kommuniziert sie seidensanft und ausdrucksstark durch ihre Melodien. So klingt guter Verdi!

Il Trovatore © Brinkhoff-Mögenburg

Eine für Hamburger Verhältnisse mindestens akzeptable Leistung lieferten auch Chor und Orchester. Dirigent Giampaolo Bisanti ließ aus dem Graben viel freudigen Verdi-Klang sprudeln, dass man die teils absurden, kriegerischen Züge dieser Handlung glatt vergessen und sich stattdessen in bestem La Traviata-Rausch wiederfinden könnte. Unter prächtigen Kronleuchtern und opulenten Stuckdecken im Venezianischen Stil brachte auch der Chor das Haus in beste Bella-Italia Party-Stimmung.

Da wären wir auch schon bei Immo Karamans Inszenierung… auch sie trug maßgeblich dazu bei, diese streckenweise gewöhnungsbedürftige Handlung mehr denn erträglich zu machen. Die ganze Handlung reduzierte er im Wesentlichen auf ein Liebesdrama, hier und da spazierten ein paar Leute mit Knarren über die Bühne. Naja gut, das Ganze spielt am Ende eben doch inmitten eines Bürgerkriegs, da kommt auch die beste Inszenierung der Welt nicht herum. Aber am Ende bringen sich in dieser Inszenierung zwei Männer gegenseitig um, weil sie dieselbe Frau lieben, und dann begeht einer auch noch Selbstmord. Das ist die Geschichte dieser Regie. Die obligatorischen Buh-Rufe durften natürlich nicht fehlen. Sonst wäre es keine gelungene Inszenierung gewesen.

Summa summarum: Einschließlich Regie-Team wurden vier der insgesamt sieben Hauptpartien (ja, da zähle ich Regie und Dirigat dazu) regelrecht ausgebuht. Sowas gibt’s auch nur in Hamburg!

Johannes Karl Fischer, 18. März 2024 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Giuseppe Verdi, Il Trovatore Staatsoper Hamburg, 17. März 2024

Giuseppe Verdi, Il Trovatore Staatsoper Hamburg, 17. März 2024 PREMIERE

Staatsoper Hamburg Spielzeitpräsentation 2024/25 Staatsoper Hamburg, 11. März 2024

3 Gedanken zu „Giuseppe Verdi, Il Trovatore
Staatsoper Hamburg, 17. März 2024 PREMIERE“

  1. Na wild geht’s da zu in Hamburg. Während der Vorstellung bereits Buuuh für Sänger – nicht die feine englische Art. Ob es viel galanter ist, ihn danach in einer Kritik zu demontieren, ist zwar fragwürdig. Ein gewisser zeitlicher Abstand zur Aufführung ist aber definitiv hilfreich. So mitten drin schmerzt das sicherlich viel mehr, als mit einer gewissen Distanz bis zum nächsten Tag. Ich halte nichts davon!

    Jürgen Pathy

    1. Lieber Herr Pathy, lieber Herr Fischer,

      Missfallens-Bekundungen und Verrisse in der Presse gehören, wenn man so will, zum guten Ton in der Musikgeschichte. Früher ging’s noch viel mehr zur Sache wie bei der Uraufführung von Le Sacre. Oder man denke daran, wie oft Bruckner sich an seine Werke gesetzt hat, nachdem es recht böse Kritiken gab. Ich selber bevorzuge ebenfalls Eleganz und Mäßigung in der Sprache und Buh rufe ich ebensowenig; auch habe ich hier Herrn Schmidt unlängst kommentiert, weil ich der Meinung war, dass er Kent Nagano etwas zu uncharmant besprochen hätte – aber was wäre, wenn Strawinsky und Bruckner gegen ihre Kritiker mit Abmahnungen und dergleichen vorgegangen wären oder, nur als Gedankenspiel, es wie „Hass im Netz“ behandelt worden wäre? Wir könnten dann nicht mehr leidenschaftlich streiten, welche Fassung von Bruckners Sinfonien die bessere ist. Und heutzutage würde mir die Stimme von Herrn Schmidt und anderen fehlen, wenn sie nur noch anbiedernde Kritik verfassten…Viel mehr stört uns, wenn während der Aufführung gequasselt wird, jemand sein Handy zückt oder seine Bronchitis nicht im Griff hat usf.. Allein während der Trovatore-Premiere wurde so allerhand Sinnentleertes lautstark geflüstert, dass man sich fragt, warum das gerade jetzt dem Partner sowie den nicht verwandten anderen Sitznachbarn mitgeteilt werden muss. Löchrige Garderobe empfinden wir übrigens auch als unangemessen in der Oper…

      Herzlichst,
      Regina König

  2. Anscheinend hat das ungehobelte Publikum mehr Staub aufgewirbelt, als man denkt. Mehrere Medien berichten vom unpassenden Benehmen. Irgendwie muss man ja auffallen. Besser eine schlechte Publicity als keine.

    Jürgen Pathy

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