Jackenlager Elbphilharmonie

Jackenlager Elbphilharmonie, Schlangen vor den Toiletten, Unruhe  Elbphilharmonie, Hamburg, 3. / 5. Dezember 2021

Mehr als 100 Jacken stapeln sich zu Konzerten im von den Baukosten her teuersten Konzertsaal der Welt. Klassikferne Besucher sabbeln während der Konzerte, auch weil es keine klaren Ansagen gibt. Frauen warten mehr als 20 Minuten vor den Mini-Toiletten. Die Elphi-Macher müssen handeln…

Elbphilharmonie, Hamburg, 3. / 5. Dezember 2021

von Andreas Schmidt (Text und Fotos)

Der Große Saal der Elbphilharmonie Hamburg gleicht in diesen Wintertagen einem Jackenlager. Wer die Konzerte am 3. und 5. Dezember besuchte, wurde Zeuge von peinlichen Zuständen im (von den Baukosten her und rein steuerfinanzierten) Fast-Milliarden-Euro-Konzerthaus am Hamburger Hafen.

So stapelten sich am Freitagabend – in der Pause deutlich vom Bereich O sichtbar – mehr als 100 dicke Winterjacken: auf Sitzflächen, über die Rückenlehnen gezogen, auf den Gängen, über die Geländer gehängt.

Ein Konzertbesucher konstatierte am Freitagabend: „Das sieht hier aus wie auf einem Bundesparteitag der Grünen Anfang der 1980er-Jahre.“

Am Sonntag bei auch rund 100 Winterjacken im Großen Saal forderte ein wackerer Saaldiener junge Besucherinnen auf, ihre Jacken von den Geländern zu nehmen. „Leider fehlt es immer mehr Besuchern am Bewusstsein, dass sie hier in einem Konzertsaal sind und nicht in einem Cinemaxx-Kino, wo auch Popcorn und Nachos gestattet sind“, sagte der Elphie-Angestellte.

Er vertraute klassik-begeistert.de: „Diese Jackenpolitik ist von der Intendanz offensichtlich gewollt. Wir haben gar nicht genug Kleiderhaken an den Garderoben, um alle Jacken aufzuhängen.“

Auch ich musste in der Vergangenheit immer wieder feststellen, dass ALLE drei Garderobenbereiche restlos belegt waren – ein Trauerspiel für ein jahrelang konzipiertes Vorzeigekonzerthaus.

Die Jacken- und Garderobenfrage ist damit der zweite Wermutstropfen neben der katastrophalen Toilettenfrage, vor allem für die Damen, die immer wieder mehr als 20 Minuten anstehen müssen – entwürdigend!
(Wir haben aus Respekt vor den genervten Damen verzichtet zu fotografieren.)

Klassik-begeistert-Leser Hans-Bernd Volmer kommentiert am Montag, 6. Dezember: „Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen!!!
Unmögliche Zustände in der Elbphilharmonie!!
Bei den Herrentoiletten habe ich für eine verzweifelte Dame „Schmiere gestanden“.
An das Plünnenlager im Saal hat man sich fast gewöhnt.“

Dritter Schwachpunkt in der Elphi bleibt die uneinheitliche Aufklärung des Publikums über Lärm, Handys und Hustenattacken. Mal gibt es Ansagen, mal keine. Mal wird auf Deutsch gesagt, nicht laut zu husten und dann wieder nicht auf Englisch. Das Gequatsche von klassikfernen Elphitouristen gehört immer noch zur Tagesordnung in Meilenstein am Hafen. Leider zieren sich die Elphi-Macher – nachdem sie lange jegliche Ansagen aus falsch verstandener Loyalität mit den klassikfernen Sabbeltassen scheuten – klar anzusagen:

„Wir bitten aus Respekt den Musikern und den Zuschauern gegenüber um absolute Ruhe!“

Lieber Herr Lieben-Seutter: Das würden die Leute verstehen und respektieren – und es würde sichtlich ruhiger werden in Ihrem wunderbaren Musiktempel.

Zurück zum Jackenlager: An beiden Abenden gab es offensichtlich noch einige freie Garderobenhaken. Vor allem Besucher auf den günstigsten Plätzen (am Freitag 15 Euro, am Sonntag 13 Euro) sehen es nicht ein, für
2 Euro ihre Garderobe abzugeben.

Der Preis der Garderoben in der Elphi und in der Laeiszhalle Hamburg ist seit September 2021 wahrlich gesalzen. Pro Person verlangen die Garderobendamen 2 Euro – in der Vorsaison waren es 1,50 Euro gewesen: Das entspricht einer Preissteigerung von 33 Prozent.

Wer beispielsweise als Paar zwei Jacken abgeben will und in den beiden Hamburger Konzerthäusern je ein Glas Weißwein (mit nur kümmerlichen 0,15 Litern) für je 6 Euro trinken möchte, wird ohne Karten 16 Euro los – ganz schön happig im Vergleich zu 26 Euro für zwei Konzertkarten.

Die wunderschöne Elbphilharmonie – die ein Haus „für alle“ sein will – ist zweifelsohne ein musikalisches Bollwerk, ein akustischer und architektonischer Meilenstein. Die Macher sollten ab sofort verbieten, mit Jacken in die Säle zu gehen. Die Toilettenfrage und die Ruhefrage muss gelöst werden, sonst ist der Veranstaltungsort international gesehen nicht richtig ernst zu nehmen.

So schön ist die Elbphilharmonie, (c) Maxim Schulz

Sofort-Maßnahme: Null Euro für die Garderobe und mehr Gardeobenhaken. So wie in der Staatsoper Hamburg und auch in der Wiener Staatsoper.

Andreas Schmidt, 5. Dezember 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Bravo! Elbphilharmonie-Chef sorgt endlich für Ruhe und Ordnung in seinem Haus, Elbphilharmonie Hamburg, 31. März 2019

NDR Elbphilharmonie Orchester, 3. Dezember 2021

Martin Fröst Klarinette

Dirigent Carlos Miguel Prieto

Esa-Pekka Salonen
LA Variations

Witold Lutosławski
Tanzpräludium

Aaron Copland
Konzert für Klarinette und Orchester

– Pause –

Igor Strawinsky
Suite aus »Petruschka«

 +++

Philharmonisches Staatsorchester Hamburg, 5. Dezember 2021

Daniel Cho Violine

Alexei Volodin Klavier

Dirigent Kent Nagano

Arvo Pärt
Fratres (Fassung für Violine, Streicher und Schlagwerk)

Igor Strawinsky
Konzert für Klavier und Bläser

– Pause –

Arvo Pärt
Swansong / Hamburger Fassung, Uraufführung

Robert Schumann
Sinfonie Nr. 4 d-Moll op. 120

10 Gedanken zu „Jackenlager Elbphilharmonie, Schlangen vor den Toiletten, Unruhe
Elbphilharmonie, Hamburg, 3. / 5. Dezember 2021“

  1. Sehr geehrter Herr Schmidt,

    Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen!!!
    Unmögliche Zustände in der Elbphilharmonie!!
    Bei den Herrentoiletten habe ich für eine verzweifelte Dame „Schmiere gestanden“.
    An das Plünnenlager im Saal hat man sich fast gewöhnt.

    MfG,

    Hans-Bernd Volmer

  2. Sehr geehrter Herr Schmidt,
    Zu Ihrem Elbphilharmonie-Kommentar.
    Toiletten: Bis auf Etage 16 gibt es in jedem Stockwerk davon ausreichend. Man sollte sich nur nicht neben den Fahrstühlen anstellen. Fragen Sie die sehr netten Platzanweiserinnen.
    Jackenlager: Das ist erst seit der Pandemie durch das Schachbrettmuster, da es genügend freie Plätze gibt.
    Zugegeben: die Garderobenfrage ist grenzwertig. Aber: Man kann seine „Klamotten“ sehr schön unter dem Sitz verstauen.
    Seit längerer Zeit wird immer auf Deutsch und Englisch angesagt, man solle nicht fotografieren. Der Hinweis auf das Unterlassen von Husten erfolgt allerdings nur auf Deutsch.
    Ich liebe die Elbphilharmonie trotz einiger Probleme und so geht es wohl auch den meisten Besuchern.
    Herzlichen Gruß
    I. Fittschen

    1. Liebe Herr / Frau Fittschen,

      Die Klo-Frage ist beschämend für das von den Baukosten her teuerste Konzerthaus der Welt (fast eine Milliarde Euro).
      An beiden Tagen für die Damen ! und die Herren induskutabel. ENTWÜRDIGEND. Und, pardon, warum soll man/frau
      die Klamotten „unter dem Sitz verstauen“, wir sind doch nicht bei Mäc Doof? Leider wird nicht immer auf Englisch und Deutsch
      angesagt – und ja, der Hinweis auf das smarte Husten erfolgt wenn überhaupt nur auf Deutsch.
      Ich liebe die Elphie auch, aber diese Kinderkrankheiten gehören beseitigt.

      Andreas Schmidt M.A.
      Journalist / Autor
      Herausgeber

    2. Liebe(r) I. Fittschen,

      Sie haben recht: In Etage 16 gibt es gar keine Toiletten – ein Trauerspiel.
      Klamotten sind nicht „sehr schön unter dem Sitz zu verstauen“ – da gehören sie nicht hin und werden dreckig.
      An vielen Tagen erfolgen gar keine Ansagen… Insgesamt ist in Bezug auf die Toiletten und die Garderoben von
      einer architektonischen Fehlplanung zu sprechen.

      Herzlich
      Andreas Schmidt
      Herausgeber

  3. Sehr geehrter Herr Schmidt,

    ich habe noch nie erlebt, dass es keinen Platz an der Garderobe gab. Das Publikum ist eben nicht mehr „klassisch“ sozialisiert… deshalb verzichten sie auf die Abgabe der Garderobe. Ich finde es auch nicht schön, aber was soll´s…
    Bei den Toiletten stimme ich meinem Vorredner zu. Es gibt genug Klos,man muss sie nur finden. Fragen hilft. Nicht umsonst gibt es so viel nettes Personal.
    Übrigens hat die Elbphilharmonie mehr Toiletten als die Oper und das Schauspielhaus.

    Mit freundlichen Grüßen,
    Mara A.

    1. Sehr geehrte Frau Mara A.,

      ich habe die Ungenauigkeit korrigiert. Für Frauen ist die Toilettenlage in der Elphi eine
      Zumutung. Eine Bekannte verbrachte am Freitag die GANZE Pause in der Toilettenschlange –
      das ist doch entwürdigend.

      Herzlich

      Andreas Schmidt
      Herausgeber

  4. Wie denn, lieber Andreas, in der Elb-Philharmonie kann man nicht mal in Ruhe aufs Klo gehen, ohne in der Schlange stehen zu müssen, weil alle mal müssen? Das ist ja wie am Impfzentrum.

  5. Ernsthaft, in der Elphi kostet die Garderobe auch noch 2 Euro? Pro Stück?
    Ich habe Konzerthäuser in Belgien, den Niederlanden, Deutschland, Österreich und Russland gesehen. In keinem einzigen habe ich für die Garderobe Geld gezahlt. Da fehlt mir ehrlich gesagt das Verständnis für das Geschäftsgebaren in Hamburg, unter solchen Bedingungen würde ich meine Jacke auch mit in den Saal nehmen, wenn ich dafür auch noch extra zahlen müsste.

    Glücklicherweise ist die Philharmonie in Köln da nicht nur besser aufgestellt, sondern auch viel besucherfreundlicher gestaltet. Eine Ansage, bitte das Husten zu unterlassen, fehlt hier allerdings.

    Daniel Janz

    1. Bei uns in Wien, wenn ich mich nicht irre, ist die Garderobe nur in der Wiener Staatsoper und im Theater an der Wien kostenlos. Wiener Staatsoper ganz sicher. Volksoper (€ 1,10) und Wiener Konzerthaus (€ 1,60) verlangen etwas. Ebenso der Musikverein Wien. Auf der Homepage des Musikvereins steht: „Für die Verwahrung Ihrer Kleidungs- sowie Gepäcksstücke erlaubt sich die Gesellschaft der Musikfreunde, eine Gebühr einzuheben.“

      Jürgen Pathy

  6. Hallo!
    Ich habe in der Elbphilharmonie gearbeitet und weiß, dass es genug Garderoben für alle gibt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass einer meiner ehemaligen Kollegen sowas sagen würde. Warum auch? Es entspricht nicht da Wahrheit.
    Mit freundlichen Grüßen
    S. Neumann

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