Elbphilharmonie: „Bey einer andächtig Musiq(ue) ist allezeit Gott mit seiner Gnaden Gegenwart“

Johann Sebastian Bach (1685 – 1750):  Messe h-Moll BWV 232  Elbphilharmonie, 13. April 2023

Bach: h-Moll-Messe / Sir John Eliot Gardiner © Daniel Dittus

Vielen Dank für das schöne Geburtstagskonzert, dass Sie, Sir John Eliot Gardiner, dem Publikum der Elbphilharmonie beschert haben. Sie haben uns reich beschenkt.

Elbphilharmonie, 13. April 2023


Johann Sebastian Bach (1685 – 1750):  Messe h-Moll BWV 232

Dirigent   Sir John Eliot Gardiner
English Baroque Soloists
Monteverdi Choir

Hilary Cronin  Sopran
Bethany Horak-Hallett  Sopran
Reginald Mobley  Altus
Sarah Denbee  Alt
Nick Pritchard  Tenor
Jonathan Hanley  Tenor
Dingle Yandell  Bass
Alex Ashworth  Bass


von Iris Röckrath

Nachdem der letzte Akkord verklungen ist und der Dirigent versucht, mit angehobenen Armen die Pause nach dem letzten Ton des „Gib uns Frieden“, nach dem der Chor so inniglich gefleht hat, noch eine Weile zu halten, tobt der Beifall des Publikums los. Die Menschen springen von ihren Plätzen und überschütten die Mitwirkenden mit Bravorufen, tosendem Applaus und Jubel. Es gibt kein Halten mehr. Die Spannung, die sich während der zweistündigen Aufführung aufgeladen hat, entlädt sich augenblicklich.

Aber der Reihe nach.

Meine Liebe zur menschlichen Stimme ist grenzenlos, wenn sie in der Perfektion dargeboten wird, wie an diesem Abend. Die 33 Sängerinnen und Sänger des Monteverdi-Choir, der in den 60er Jahren gegründet worden ist und in dem sicher bereits mehrere Generationen unter ihrem Gründer Gardiner mitgewirkt haben, singen hingebungsvoll, anmutig und vollendet schön. Jede solistische Darbietung entsteht aus einer Schlichtheit und Einfachheit und Schönheit jeweils aus dem Ensemble heraus, die ihresgleichen sucht. Diese instrumental geführten Stimmen harmonieren perfekt mit dem einfühlsam begleitenden Orchester.

Die English Baroque Soloists wurden 1978 von Gardiner gegründet. Sie spielen hinreißend mit Inbrunst auf ihren wunderbar heiser, belegt und warm klingenden Instrumenten. Mein Blick bleibt immer wieder bei dem Oboisten in der ersten Reihe hängen. Er begleitet das ganze Stück lächelnd mit Körperbewegungen, durch die die Musik hindurchzuströmen scheint. Er muntert seine MitspielerInnen auf, er scheint eins zu sein mit dem Werk und glücklich mit der Interpretation des Maestro.

Sir John Eliot Gardiner im Samtjackett dirigiert auswendig. Er steht auf einer Ebene mit den Ausführenden. Zum Kyrie gleich zu Beginn scheint er liebevoll ein Kind zu schaukeln. Die wogenden Bewegungen, die Akzente, die er setzt, alles wirkt wie ein Fluss, der leicht und klar fließt, manchmal kraftvoll über Steine stolpert. Gardiner wirkt zufrieden, beseelt, glücklich? Wie fühlt es sich an, ein ganzes Leben der Musik zu widmen, dieser Musik zu widmen? Zum rasend schnellen „Cum sancto spiritu“ macht er tänzelnde Bewegungen mit dem Oberkörper, er setzt Kontraste, wirkt dynamisch, zufrieden, sportlich und jung.

Im „Sanctus“ webt der Dirigent einen Klangteppich, der noch lebendiger wirkt, als man ihn gewöhnlich hören kann. Die Akzente durch stärker hervorgeholte Männerstimmen, die immer wieder in den Vordergrund rücken und dem Stück ein festes Fundament geben, lassen die Soprane und Alti noch mehr leuchten als gewöhnlich. Zurück bleibt der Gedanke, ein Stück vom Himmel gehört zu haben.

Bach: h-Moll-Messe / Sir John Eliot Gardiner © Daniel Dittus

Darf man eigentlich, eine Solistin oder einen Solisten hervorheben aus einem homogenen Klangkörper, in dem jede und jeder zum Gesamteindruck beigetragen haben? Die Besonderheit des Abends liegt ja gerade darin, dass die Ensembleleistung mit der bescheidenen und zurückhaltenden Ausstrahlung der Mitwirkenden den Raum und die Zuhörer und Zuhörerinnen verzaubert hat. Und doch kann ich nicht umhin, eine besondere Stimme zu würdigen. Der Altist Reginald Mobley hat mir gezeigt, dass ein Countertenor seine Stimme fein und schlank führen kann, zu hinreißenden Piani fähig ist und das „Agnus Dei“ damit zu einem Erlebnis gemacht hat, aus dem sich schließlich der Schlusschor „Dona nobis pacem“ zuerst ruhig, langsam und schwer mit bedächtig ausgeführter Steigerung entwickelt.

„Bey einer andächtig Musiq(ue) ist allezeit Gott mit seiner Gnaden Gegenwart“ soll Johann Sebastian Bach neben eine Bibelstelle geschrieben haben. Beide waren heute Abend anwesend

Iris Röckrath, 15. April 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Berliner Philharmoniker, Sir John Eliot Gardiner Dirigent, Philharmonie Berlin, 17. März 2022

Hector Berlioz, Benvenuto Cellini, John Eliot Gardiner, Orchestre Révolutionnaire et Romantique, Monteverdi Choir, Philharmonie Berlin, 31. August 2019

Joyce DiDonato, Sir John Eliot Gardiner, Orchestre Révolutionnaire et Romantique, Elbphilharmonie Hamburg

Johann Sebastian Bach: Messe h-Moll für Orchester, Orgel, Chor und Soli, Salzburg, Felsenreitschule, 25. Juli 2018

Ein Gedanke zu „Johann Sebastian Bach (1685 – 1750):  Messe h-Moll BWV 232
Elbphilharmonie, 13. April 2023“

  1. Da wäre ich zu gern dabei gewesen. Sie haben auch eine wunderbare Beschreibung des Musikgeschehens wiedergegeben. Wie sehr schön ist diese Musik.

    Friederike Thiemann

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