© Wolf-Dieter Grabner, Goldener Saal, Musikverein Wien
Konzert anlässlich des 130-jährigen Jubiläums der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Österreich und Korea
Korean National Symphony Orchestra
Chi-Yong Chung Dirigent
Sunhae Im Sopran
Alfred Kim Tenor
Jongmin Park Bass
Rossini • Mozart • Tschaikowski
Musikverein Wien, Großer Saal, 2. Oktober 2022
von Jürgen Pathy
Nastrovje! Nein, wir befinden uns nicht in Russland. Auch nicht in Serbien oder Bosnien-Herzegowina, wo man ebenso gerne Russisch spricht. Wir sitzen im vermutlich besten Konzertsaal der Welt – zumindest von der Akustik, mag man Fachleuten Glauben schenken: im Goldenen Saal des Musikvereins Wien. Hinter mir wünscht man Gesundheit. In russischer Sprache. Nachdem gerade irgendjemand niesen musste. Leidenschaftlich und voller Inbrunst.
Fast genauso energisch wird gerade am Podium gespielt – ja, was wohl – genau: russische Musik. Tschaikowskis Vierte wurde gewählt. Der Anlass: 130 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Österreich und Korea. Das Orchester: Korean National Symphony Orchestra. Am Pult: Chi-Yong Chung. Ein Herr, der auf dem Programmzettel aussieht wie 60. Auf rund 20 Meter Entfernung wirkt er wie Mitte 30. Frisch und lebendig. Genauso sein Dirigat.
Glasklar, ein klassischer Kapellmeister. Keine noch so unnötige Bewegung, keine noch so eigenartig einstudierte Choreographie. Einfach nur Takt, Geschwindigkeit und ab und zu Forcierung der Dynamiken. Das Orchester folgt wie ein Uhrwerk. Beinahe könnte man meinen, ein us-amerikanisches Orchester zu hören. Nur, dass das Blech da nicht ganz mithalten kann. Ansonsten schießt man präzise hindurch, durch dieses russische Bollwerk an Sentimentalität. Hätte man sich nach dem Programm
zu Beginn gar nicht erwartet.
Da wurde mit einem Potpourri aus koreanischer Musik, einigen Operetten-Ohrwürmern wie „Lippen schweigen“ oder „Dein ist mein ganzes Herz“ versucht, ein wenig Wiener Charme ins Haus zu holen. Gelungen ist das nur begrenzt. Auch wenn Alfred Kim, ein koreanischer Tenor, da durchaus beherzt zur Sache geht und zu Tage legt, welch schönes Material sich in seiner grazilen Stimme verbirgt. Der Wiener Walzer im 3/4 Takt, das liegt halt nicht jedem Orchester. Es dürften die klassischen Musiker, die ihre Ausbildung vermutlich großteils in Südkorea genossen haben, in diesem Tempo nicht so ganz bewandert sein.
Nur all zu gut kennen dürfte diesen Takt ein anderer Koreaner: Jongmin Park, seiner Zeit von Direktor Dominique Meyer entdeckt und an der Wiener Staatsoper gefördert, mittlerweile in Wien nur mehr selten zu hören – leider! Zum Glück hat man den jungen Bass mit an Board geholt. Sonst wäre es vor der Pause doch eher aalglatt geworden. So durfte man erleben, wie er mit Leporellos „Register-Arie“ sein Können unter Beweis stellte. Dass dieses Paradestück des Leporello bei Park dann eher edel und protzig erklingt, war zu erwarten. Beinahe stolz, wie er von den vielen weiblichen Errungenschaften seines Herren Don Giovanni erzählt.
Ein Leporello, wie ihn sich viele vermutlich aktuell auch wünschen würden – zumindest an der Wiener Staatsoper. Dort jammern ja viele, sie hätten die beiden – Don Giovanni und seinen Diener Leporello – schon viel schöner gesungen gehört, als in der aktuellen Besetzung in Barrie Koskys Inszenierung.
Vielleicht lässt sich der 36-jährige Koreaner in Wien mal wieder blicken. Zu wünschen wäre es. Stehen Jongmin Parks besten Jahre ja noch vor der Tür!
Jürgen Pathy, 2. Oktober 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at