Manon? Mais oui!

Jules Massenet, Manon  Staatsoper Hamburg, 20. Mai 2024 

© Foto: Brinkhoff/Mögenburg

Jules Massenet
Manon

Musikalische Leitung:  Giedrė Šlekytė (Hausbedüt)

Inszenierung:  David Bösch
Bühnenbild:  Patrick Bannwart
Kostüme:  Falko Herold
Licht:  Michael Bauer
Video:  Patrick Bannwart, Falko Herold
Dramaturgie:  Detlef Giese

Chor:  Eberhard Friedrich

Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Chor der Hamburgischen Staatsoper

Staatsoper Hamburg, 20. Mai 2024

von Harald Nicolas Stazol 

Was für ein Debüt! Ach was, was für Debüts! Mademoiselle Elbenita Kajtazi, die Manon, sich aufschwingend, wie eine Lerche, leicht und wundersam und virtuos, und beglückend – die Hamburger hingerissen, nach jeder ihrer Arien, sie spielt ja eine träumerisch-romantische blutjunge 16-Jährige, die man ihr völligst abnimmt, der Kosovarin, bezaubernd und verzaubernd ihr Lebensweg, zur Naiven, zum Luxus-Weibchen, dann der Verhafteten, dann der Sterbenden, in den Armen – noch einmal Debüt! – des Pene Pati, schon auf anderen Bühnen als Ausnahme-Tenor gefeiert, und nun in der Hansestadt, die ihr Glück ob dieser Sänger, rein am Applaus gemessen, nach jeder Arie kaum fassen kann!

Und ich und meine elegante Cathrin auch nicht, in der Inszenierung des David Bösch, und vor den krassen Videoeinspielungen zweier Künstler  des Visuellen Patrick Bannwart und Falko Herold, ideenreich und geistreich und unterhaltsam und amüsant, „Na da ist aber was los“, sagt meine Eleganteste, und wir teilen uns ungeduldig das Opernglas: Ist dies doch, nach dem Livestream zu Covid-Zeiten mit dem heute wirklich brillanten Chor damals noch hygienisch entfernt in den Logen, die wahre Premiere, die kaum jemand wahrnimmt, außer uns Kennern, den wirklichen Connoisseurs, und wie beschenkt wir heute sind!

Denn nun, in der WIRKLICHEN Premiere – ohne Choristen und  prächtig gewandeten Statisten kaum denkbar, aber eben mutig schon 2021 auf die Corona-Bühne gebracht (beachtlich, beachtlich) – nun, ich kann voller Stolz sagen, diesen frühsommerlichen Abend der einzige Kritiker vor Ort zu sein, da alle Kollegen die Bedeutsamkeit der Aufführung wohl übersehen haben, wie so oft, da muss man schon Liebhaber sein, „hoffentlich spricht es sich rum“ heißt es aus der Direktion, „Nun, dafür werde ich schon sorgen, keine Sorge“, versichere ich – und nun kommts, wie versprochen, ein HNS hält Wort, wie immer!

Und wenn wir schon von Liebhabern sprechen, noch einmal: Pene Pati, und stolz verkündet die Staatsoper schon im Teaser, „eine der größten Tenorhoffnungen im italienischen und französischen Fach. Der Samoaner hat in den vergangenen Spielzeiten mit großen Debüts das Publikum von Wien bis Paris im Sturm erobert. Inzwischen ist er einer der gefragtesten Tenöre weltweit.“ Und voll verschossen in Manon, soll heißen, der des Massenet, der schon bei der Ouvertüre den perfekten Einstieg schafft, unserem Staatsorchester zu danken, und der äußerst begabten Dirigentin, Giedrė Šlekytė – so viele Zeichen kann man auf den Namen einer Litauerin packen, Alptraum des Rezensenten –, einer sehr jungen Frau, deren Karriere ich mit eben auch äußerstem Interesse verfolgen werde – die Dame ist meines Erachtens zu Großem bestimmt, und ihre Musikanten spielen ihr geradezu in die Hände.

Schon bei „Je suis encore tout étourdie“ der Kajtazi gestehen meine hübsche Begleiterin – ganz im bodenlangen, schwarzen „Maison Margiela“ – unsere Gänsehaut, bei der Sopranistin zauberschönen „Adieu, notre petite table“ noch einmal – wie kann man nur so mühelos so hochkommen? Und dann „Obéissons quand leur voix appelle“? Mir gehen die Superlative aus, und das will nun wirklich was heißen!

© Foto: Brinkhoff/Mögenburg

Denn nun bedarf es eines weiteren: Der Arie des Grieux: „En fermant les yeux“ ist er zu schulden, schon wieder tobt der Saal, leider nur zu 450 Liebhabern besetzt, wie ich von den diensthabenden Polizisten vor Aufführungsbeginn, die im Entrée am Personal vorbeigehen, erlausche – ach, was verpassen die anderen, die No-Shows, aber das lässt sich ja ändern?

Das glänzende Ensemblemitglied Tigran Martirossian gibt den Grafen Des Grieux überzeugend, aber nun die Szene am Roulette, im Hôtel Transsilvanie, das als eine Art Las Vegas umgesetzt wird, Manon als Schönste, Verschwenderischste mittendrin, ganz in Lanvin (Kostüme Falko Herold), voller Zocker an Automaten – ich weiß es, denn ich war 1998 – zum Glück (oder Unglück) nicht spielend allerdings in der Hölle in Nevada, und der Bühnenbilder Patrick Bannwart auch offenbar – , da wird mit Louisdor nur so um sich geschmissen, und das Kokain staubt bis zum Kronleuchter – „ach wäre man nochmal 20, wie schnell verfliegt die Jugend, koste sie aus“… – und dann wird eben Russisches Roulette gespielt (das kenn ich nicht!).

© Foto: Brinkhoff/Mögenburg

Und als Manon, als Hure verhaftet auf dem Treck ins Gefängnis in den Armen des Liebhabers kaum 20jährig stirbt, nun, da fassen Cathrinchen und ich uns an die Hände und sind nun vollends hin- und weg!

Standing Ovations dieser Aufführung, ich sage ja, der ECHTEN Premiere nun, Schande der schreiberischen Konkurrenz, also nachholen, werte Kollegen, und ihr noch werteren Opernfreunde, das ist meine tiefempfundene Empfehlung! Man wird es nicht bereuen!

Und jetzt geh ich ins Casino, auf der Suche nach meiner Manon…

Harald Nicolas Stazol für klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Jules Massenet, Manon, Oper in fünf Akten, Musik von Jules Massenet Staatsoper Hamburg, 20. Mai 2024

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