Maestro Paternostro begeht musikalisch den „höchsten Schmerzenstag“

KARFREITAGSKONZERT: Richard Wagner, Parsifal  Grafenegg, Auditorium, 29. März 2024

Herbert Hiess (links im Bild) und Roberto Paternostro © privat

Richard Wagner, Parsifal
Bühnenweihefestspiel in drei Aufzügen (1882)
Dritter Aufzug

Parsifal             Klaus Florian Vogt
Gurnemanz     Stephen Milling
Amfortas          Derek Welton
Kundry              Viktoria McConnell

Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor
Tonkünstler-Orchester
Dirigent: Roberto Paternostro

Grafenegg, Auditorium, 29. März 2024

von Herbert Hiess

Normalerweise erwartet man sich an dieser Stelle einen (mehr oder minder) sachlich gehaltenen Review; dieser muss dieses Mal ausbleiben, da der Autor mit dem Dirigenten sehr befreundet ist und aus „Befangenheitsgründen“ und aus Seriositätsgründen eine solche Rezension gar nicht möglich wäre.

Deswegen wechsle ich hier einmal auf die von mir ansonsten nicht präferierte „Ich-Form“, da ich so meine Eindrücke besser wiedergeben kann.

Dieses „Parsifal-Projekt“ liegt schon mehrere Jahre in der Luft. Einerseits kam immer wieder Corona dazwischen und unter anderem nicht zuletzt Robertos angeschlagener gesundheitlicher Zustand. Dank seiner unbändigen Willenskraft und auch der Kunst des kompetenten Ärzteteams war es für ihn möglich, das Orchester sitzend von einem Kontrabasssessel aus zu dirigieren.

Beim Auftritt wirkte er recht fragil; jedoch, sobald er das Podium erreichte und den Taktstock erhob, war er wieder wie ein junger Bursche.

Auch wenn ich sage, „eine Rezension sei nicht möglich“ – das ist natürlich falsch, denn das Konzert war mehr als fulminant und bewegend. Mit dem großartigen Solisten Klaus Florian Vogt, der natürlich wieder mit seiner metallisch harten Stimme brillierte, konnte man einen wunderbar intensiven Pianogesang vernehmen. Vor allem im Karfreitagszauber war das mehr als bewegend.

Klaus Florian Vogt und Herbert Hiess (rechts im Bild) © privat

Dazu kam der dänische Bass Stephen Milling, den ich nach diesem Konzert neben Kurt Moll als einen der besten Gurnemanz überhaupt ansehe. Gänsehautfördernd sein markiger und profunder Bass und enorm seine Wortdeutlichkeit. Gemeinsam mit Vogt machten sie aus dem „Karfreitagszauber“ ein richtiges Fest. Und Derek Welton beeindruckte als schwer getroffener und „weidwunder“ Amfortas, dem der Heilige Speer die böse Wunde verschloss.

Es wird immer gesagt, dass Opern nicht das Kernrepertoire der Tonkünstler seien. Natürlich nicht – aber gerade das macht den Reiz aus. Wenn beispielsweise das Staatsopernorchester in Routine versinkt und die derzeit dort wackelnden Taktschläger froh sein müssen, die Werke ohne Schmiss über die Bühne zu bringen, zelebrierte Roberto mit den fulminanten Musikern ein Wagner-Konzert vom Allerfeinsten.

Mit Vogt, Milling und Welton war die vokale Spitzenklasse im Auditorium versammelt und die Sänger ließen sich von Roberto fast bildlich auf Händen tragen.

Orchestrale Musterbeispiele war nicht nur das Vorspiel vom 3. Akt, sondern auch die Verwandlungsmusik zur Gralsszene. Mit den sonor klingenden Gralsglocken vermeinte man sich bald selbst in den Gralstempel.

Schon während der Luxusaufführung fragte ich mich, warum Roberto in der Wiener Oper nicht öfters dirigierte. Als Antwort bekam man von „Insidern“, dass Ioan Holender angeblich Roberto immer abgelehnt hätte.

Holender war für mich einer der schlechtesten Operndirektoren überhaupt; er hat nach der goldenen Ära Maazel (und dann auch noch die Abbado/Drese) das Haus am Ring zu einem mittelklassigen Repertoirehaus runtergefahren. Man erinnert sich noch an die Doppeldirektion Eberhard Wächter/Ioan Holender. Vielen Gerüchten zufolge wollte Wächter Holender damals kurzfristig loswerden; jedoch das „Schicksal“ mit dem plötzlichen Ableben des damaligen Starbaritons kam Holender zu Gute, denn er hatte dann (leider für das Publikum) 18 Jahre (!!) das Sagen in dem Haus am Ring. Natürlich war das auch möglich, da er sich immer an die politisch „richtige“ Seite anbiederte.

Und niemand von den Medien hatte den Mut, das zu hinterfragen. Natürlich kann man sagen, das sei alles Vergangenheit und Geschichte; dass in dieser Zeit viele Leute (höflich gesagt!) „ungut“ behandelt wurden, ist eine andere.

Das stieß auch mir gehörig auf, wenn man sich Robertos großartige Leistung an diesem Abend trotz seines traurigen Gesundheitszustandes anhören konnte. Diese Ungerechtigkeit, diesen großartigen Musiker so zu boykottieren, ist eigentlich unfassbar.

Gut, dass ich diesen Abend erleben konnte und durfte. Ich kenne Roberto noch von meiner Zeit als Musikstudent, wo er Assistent von Herbert von Karajan war. Oft habe ich mich mit ihm damals unterhalten.

Roberto war und ist ein Kämpfer. Diese grandiose Leistung soll ein Ansporn für weitere solcher Leistungen sein.

Egal, ob man gläubig oder nicht ist. Das „Erlösung dem Erlöser“ zeigt dem Maestro, dass er mit seinem Schicksal nicht allein ist!

Herbert Hiess, 30. März 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Neue Philharmonie Westfalen, Roberto Paternostro, Eleonore Marguerre, Ruhrfestspielhaus Recklinghausen

Wiener Philharmoniker, Jakub Hrůša, Dirigent Wolkenturm, Grafenegg, 3. September 2023

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