Ebenmaß und Übersicht: Rudolf Buchbinder überzeugt im Wiener Konzerthaus

Klavierabend Rudolf Buchbinder  Wiener Konzerthaus, 1. Oktober 2023

Rudolf Buchbinder © Rita Newman

Klavierabend mit Rudolf Buchbinder

Rudolf Buchbinder, Klavier

Programm

Franz Schubert
Vier Impromptus D 935 (1827)

Ludwig van Beethoven
Sonate C-Dur op. 53 »Waldstein-Sonate« (1803–1804)

***

Frédéric Chopin
Sonate h-moll op. 58 (1844)

Wiener Konzerthaus, 1. Oktober 2023

von Kathrin Schuhmann

Wenn sich Rudolf Buchbinder die Ehre gibt, das Wiener Publikum mit einem Solo-Klavierabend zu verwöhnen, ist eines gewiss: Restplatzkarten für Kurzentschlossene gibt es an der Abendkassa sicher keine mehr.

Dementsprechend war auch am Sonntagabend der Große Saal des Wiener Konzerthauses bis auf den letzten Sitz belegt und dies, obwohl die üblichen Saalplätze bereits mit einem extra Kontingent an weiteren Plätzen auf der Orgelempore und der Bühne aufgestockt worden waren. Der Andrang verwundert nicht. Nicht nur der weltklassige Pianist wird das Publikum angelockt haben, sondern zudem das von diesem ausgewählte Programm, das mit drei großen romantischen Namen auftrumpfte: Schubert, Beethoven, Chopin.

Kühn und abgeklärt präsentierte Buchbinder die vier Impromptus von Schubert, die er zu Beginn des Konzertes technisch makellos dem Steinway entlockte. Nirgends ließ er sich zu übertriebenem Pathos hinreißen, seine Interpretation war durch Ebenmaß und Ordnung bestimmt. Lediglich das geschwinde Tempo, das er für das B-Dur-Impromptu wählte, wirkte dabei beinahe schon zu nüchtern; insbesondere die Mollvariation rauschte nur so am Hörer vorbei, sodass die feinen farblichen Nuancen der Komposition nicht hinreichend zur Geltung gelangen konnten. Doch dies schmälerte den Gesamteindruck nur unwesentlich. Das Publikum war einer Meinung: Diese Darbietung verdiente einen ordentlichen Beifall.

Ohne auch nur den geringsten Anschein eines Wermuttropfens entließ Buchbinder die Hörerschaft dann nach dem Herzstück des Konzertes in die Pause: Beethovens Waldstein-Sonate ertönte in Perfektion. Die Direktheit des Klangs, Buchbinders Geradeaus-Spielen besticht sondergleichen. Es ist eine Wohltat, neben den häufig überromantisierten Interpretationen der großen Beethoven-Sonaten eine derartig selbstgenügsame Fassung dieses Werkes zu hören. Dass Buchbinder während seines gesamten Auftritts ohne schwülstiges Getue auskommt, sondern wie die Ruhe selbst, mit vollkommener Übersicht als Herr seiner Klaviertasten über das Geschehen waltet, fügt sich dabei nur allzu gut in das Klangbild. Die Bravo-Rufe, die dem sage und schreibe 76-jährigen Österreicher nach Vollendung des Werkes entgegenschallten, nahm dieser respektvoll mit einem allseitigen Kopfnicken würdigend entgegen.

Die h-Moll-Sonate von Frédéric Chopin, die den zweiten Teil des Konzertes füllte, stieß auf gleicherweise dankende Ohren. Kein raschelndes Bonbon-Papierchen, keine Hustenanfälle zwischen den Sätzen, ja, Buchbinder hat den Saal an sich gefesselt. Dabei ist ihm besonders hoch anzurechnen, dass er dies nicht durch gekünstelte Allüren, sondern sein künstlerisches Schaffen erreicht hat.

Dieser Konzertabend hat wieder einmal bewahrheitet: Buchbinder gehört zu den ganz Großen. Seine Konzerte bleiben ihren Besuch wert.

Kathrin Schuhmann, 3. Oktober 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Budapest Festival Orchestra Cristian Măcelaru, Rudolf Buchbinder  Wolkenturm, Grafenegg, 24. August 2023 

Estonian Festival Orchestra, Paavo Järvi, Rudolf Buchbinder, Klavier Wolkenturm, Grafenegg, 17. August 2023 

Rudolf Buchbinder und die Wiener Philharmoniker Wolkenturm  Grafenegg, 3. September 2022

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