Nikolai Schukoff, Diana Damrau, Dirk Kaftan und die NDR Radiophilharmonie; Foto Patrik Klein
Heute Abend wurde ohne Sorgen champagnisiert
Bei ihrem Konzert in der Elbphilharmonie Hamburg widmete sich die Königin des Koloraturgesangs Diana Damrau gemeinsam mit ihrem Tenorpartner Nikolai Schukoff den großen Operettenkomponisten vom „Walzerkönig“ Johann Strauß über den Berliner Paul Lincke bis hin zu Emmerich Kálmán, Robert Stolz und Franz Lehár. Ein prall gefüllter emotionsgeladener Abend, der Herzen und Füße des Publikums gleichermaßen in Bewegung setzte.
Wieder einmal zeigte sich, dass die Operette eine der spannendsten Gattungen des Musiktheaters ist. Schwelgerei, Sehnsucht, aber auch Freude und Komik berührten und zeigten die guten Seiten des Menschseins; in dieser aktuellen Zeit ein besonders starkes Bedürfnis und eine Wohltat. Die ausgesuchten Lieder, Arien und Duette waren gewürzt mit scharfem Chili und pfeffrigen Noten, kamen bissig wie ein wildes Tier, prickelnd wie ein ausgezeichneter Champagner, waren auch mal lebensecht oder gar naiv.
Der in Graz geborene Tenor Nikolai Schukoff, der am Mozarteum in Salzburg studierte und mehrfach ausgezeichnet wurde, hatte mit seinen Rollen als Siegmund, Max oder Don José seinen internationalen Durchbruch und gab den ebenbürtigen Partner auf dem Podium in der restlos ausverkauften Elbphilharmonie. Seine gut sitzende und strahlende Stimme leuchtete nicht nur in den Duetten mit seiner Partnerin, sondern auch bei den Arien mit dem gut disponierten Orchester aus Hannover.
In Sachen Leichtigkeit war seine Partnerin Diana Damrau, die sich derzeit in kleinen Schritten vom hohen Koloraturfach zu großen lyrischen Partien entwickelt, kaum zu überbieten. Bei dem Streifzug durch die Welt der Operette glänzte sie als ideale Teamplayerin, aber auch als brillierende Solistin mit extrem wandlungsfähiger Stimmführung.
Da wurde die Welt für einen Abend auf den Kopf gedreht, da mutierte die Sopranistin von der beschwipsten Straßenkünstlerin zur Edeldame, da wurde aus einem tenoralen Bettler ein Graf oder schließlich wandelte er vom zynischen Lebemann zum verliebten Eheanwärter. Der Balanceakt zwischen Champagnerlaune und Katerstimmung gelang den beiden prächtig. Schwelgerisches, Sehnsucht, Freude und Komik berührten und zeigten die positive Seite des Menschen.
Das NDR Radiophilharmonie Orchester aus Hannover unter der Leitung des Bonner GMD Dirk Kaftan wirkte in der ersten Hälfte noch etwas übermotiviert und deckte die Solisten doch an einigen Stellen zu, was aber in der zweiten Konzerthälfte deutlich besser wurde. Die Wirkung beim Publikum war dann auch am Ende eindeutig: Großer Jubel und drei Zugaben. Man konnte zufrieden nach Hause schwelgen.
Diana Damrau, Sopran
Nikolai Schukoff, Tenor
NDR Radiophilharmonie
Dirigent: Dirk Kaftan
»Liebe, du Himmel auf Erden«
Wien, Berlin, Paris – Arien und Duette von Johann Strauß, Franz Lehár, Robert Stolz, Emmerich Kálmán, Paul Lincke und André Messager
Johann Strauß (Sohn) (1925-1899)
Ouvertüre aus „Die Fledermaus“ (Wien, 1874)
Franz Lehár (1870-1948)
Liebe, Du Himmel auf Erden
Gern hab ich die Frau’n geküsst
Lied der Anna Elisa, Lied des Paganini aus „Paganini“ (Wien, 1925)
Text von Paul Knepler und Béla Jenbach
Robert Stolz (1880-1975)
Mein Liebeslied muss ein Walzer sein
Duett Ottilie, Doktor Siedler aus „Im weißen Rößl“ (Berlin, 1930)
Liedtext von Robert Gilbert
Johann Strauß (Sohn)
Champagner-Polka op. 211 (1858)
Franz Lehár
Warum hast Du mich wachgeküsst
Arie der Friederike aus „Friederike“ (Berlin, 1928)
Text von Ludwig Herzer und Fritz Löhner-Beda
Erich Wolfgang Korngold (1897-1957), nach Johann Strauß (Sohn)
Ein kleiner Flirt
Duett Paulette/Richard aus „Das Lied der Liebe“ (Berlin, 1931), nach der Musik aus „Das Spitzentuch der Königin“ (Wien, 1880) von Johann Strauß (Sohn)
Text von Ludwig Herzer
Josef Strauß (1827-1870)
Ohne Sorgen! op. 271. Polka schnell (1869)
Emmerich Kálmán (1882-1953)
Komm Zigány
Lied des Grafen Tassilo aus „Gräfin Mariza“ (Wien, 1924)
Text von Julius Brammer und Alfred Grünwald
Franz Lehár
Hör’ ich Cymbalklänge
Lied und Csárdás der Ilona von Körösháza aus „Zigeunerliebe“ (Wien, 1910)
Text von Alfred Maria Willner und Robert Bodanzky
Franz Lehár
Ballsirenen-Walzer
Da geh ich ins Maxim
Walzer und Lied des Danilo aus „Die Lustige Witwe” (Wien, 1905)
Text von Victor Léon und Leo Stein
Leo Fall (1873-1925)
Nur ein bisschen Rouge et Noir
Lied des Grainville aus „Der süße Kavalier“ (Berlin, 1923)
Text von Rudolph Schanzer und Ernst Welisch
Richard Heuberger (1850-1914)
Komm mit mir ins Chambre séparée
Duett Hortense/Henri aus „Der Opernball“ (Wien, 1898)
Text von Victor Léon und Heinrich von Waldberg
Johann Strauß (Sohn)
Czárdás op. 441 aus „Ritter Pásmán“ (Wien, 1892)
André Messager (1853-1929)
J’ai deux amants
Couplet der Elle aus „L’Amour masqué “ (Paris, 1923)
Text von Sacha Guitry
Franz Grothe (1908-1982)
Hundert volle Gläser (1972)
Lied für Tenor und Orchester
Text von Willy Dehmel
Jacques Offenbach (1819-1880)
Je suis un peu grise
Ariette der Périchole aus „La Périchole“ (Paris, 1868)
Text von Henri Meilhac and Ludovic Halévy
Can-Can aus „Orphée aux enfers“
Paul Lincke (1866-1946)
Schlösser, die im Monde liegen
Lied der Frau Luna aus „Frau Luna“ (Berlin, 1899/1922)
Text von Heinrich Bolten-Baeckers
Johann Strauß (Sohn)
Éljen a Magyar! op. 332. Polka (1869)
Emmerich Kálmán
Tanzen möcht’ ich
Duett Sylva/Edwin aus „Die Csárdásfürstin“ (Wien, 1915)
Text von Leo Stein und Béla Jenbach
Der klassik-begeistert-Autor Patrik Klein ist ein leidenschaftlicher Konzert- und Opernfreak, der bereits über 300 Konzerte (Eröffnungskonzert inklusive) in der Elbphilharmonie Hamburg verbrachte, hunderte Male in Opern- und Konzerthäusern in Europa verweilte und ein großes Kommunikationsnetz zu vielen Künstlern pflegt. Meist lauscht und schaut er privat, zwanglos und mit offenen Augen und Ohren. Die daraus entstehenden meist emotional noch hoch aufgeladenen Posts in den Sozialen Medien folgen hier nun auch regelmäßig bei klassik-begeistert – voller Leidenschaft, ohne Anspruch auf Vollständigkeit… aber immer mit großem Herzen!