Klein beleuchtet kurz Nr 28: Das 15. Salonkonzert bei Leon Gurvitch offenbart eine weitere Facette des Ausnahmekünstlers

Klein beleuchtet kurz Nr 28: Das 15. Salonkonzert bei Leon Gurvitch offenbart eine weitere Facette des Ausnahmekünstlers  klassik-begeistert.de, 15. April 2024

Leon Gurvitch und Svetlana Mamresheva; Foto Patrik Klein

 Eine musikalisch-literarische Fantasie nach Gedichten von Daniil Charms – „Was ein Prophet auch künde, nichts ist ohne Sünde…“ – die Sängerin und Tänzerin Svetlana Mamresheva, begeistert das staunende Publikum

Die Salonkonzerte von Leon Gurvitch aus Neu-Wulmstorf sind ja bereits Kult in der Szene. Immer wieder begeistert er sein Publikum mit Themen, die ihm auf den Leib geschrieben sind und für die er musikalische und künstlerisch aufregende Partner gewinnt, die mit ihm dann gemeinsam verzaubern, begeistern und den Alltag vergessen lassen.

Der hierzulande kaum und erst spät bekannt gewordene russische Dichter Daniil Charms, dessen kurzes Leben (1905 – 1942) in stalinistischer Zeit brutal mit dem Hungertod endete, stand mit seinen großmeisterlich grausamen Paradoxien, kafkaesken Bedrohungen, seinem Nonsens und bitterem Ernst auf dem Programm des ungewöhnlichen Abends.

Leon Gurvitch hatte einige seiner Werke bereits 2013 musikalisch interpretiert und in der Opera Stabile zur Aufführung gebracht. Eine neue Version dieser Stücke mit deutsch gesprochenen Texten und in russischem Gesang waren nun Gegenstand des Konzertabends.

Leon Gurvitch und Svetlana Mamresheva; Foto Patrik Klein

Dazu hatte er eine ganz besondere Künstlerin eingeladen, diese Stücke neu einzustudieren und mit ihm gemeinsam im kleinen Kreis zur Aufführung zu bringen. Svetlana Mamresheva, 1988 in der ehemaligen UDSSR geboren, studierte von 2006 – 2008 Schauspiel bei N.N. Afonin an der Shchepin Theatre School. Sie beendete ihr Studium in der Klasse von Kirill Serebrennikov und erhielt anschließend ein Engagement im Gogol-Center. Sie studierte Operngesang und machte ihren Abschluss an der UDK Berlin. Am Thalia Theater in Hamburg  arbeitete die Künstlerin zum ersten Mal in Kirill Serebrennikovs Inszenierung von BAROCCO, in der sie bereits bei der Moskauer Uraufführung mitgewirkt hatte.

Die Werke Charms sind absurd, skurril und abgefahren, denn ihn interessierte oft nur der Blödsinn. Der in Russisch gehaltene Text der Lieder musste also mit viel Phantasie aus der Sprache, der Mimik und Gestik, dem Tanz und der Musik verstanden werden.

Und das gelang den beiden Vortragenden in atemberaubender Manier. Musikalisch klang es wuchtig, zerrissen, aufreibend, bewegt, ja manchmal sogar nervös umherirrend und Sinn suchend. Alle Register des klanglich Möglichen am Piano, Melodica und Percussion wurden genutzt um absurde Alltagsgespräche, Dreiecksverhältnisse in der Liebe, schreckliche Unfälle und den Tod zu skizzieren.

Im Duett wurde es auch mal vulgär, erotisch, man witzelte über Frauen unter schwierigen Bedingungen und Intimes aus dem schweren Leben des Künstlers wurde köstlich aufbereitet. Aber es gab auch immer wieder beruhigende Einschübe in die insgesamt sprunghaften Sequenzen.

Leon Gurvitch und Svetlana Mamresheva; Foto Patrik Klein

Die Sängerin, Schauspielerin und Tänzerin Svetlana Mamresheva war perfekt ausgestattet mit einer klassischen Sopranstimme, die aber immer wieder mit einem zwinkernden Auge ins Musical tänzelte. Sie setzte ihren ganzen Körper mit vollem Einsatz auch mal auf dem Boden wälzend ein, schrie auf, sank in sich zusammen oder kam einfach nur auf einem Stuhl sitzend zur Ruhe. Ärgerliche Gesichtsausdrücke am Strand mit verzerrter Selbstreflexion und Sehnsüchten kamen ebenso zur anschaulichen Geltung wie die verführerische und bezaubernde Umgarnung ihres Publikums.

Manchmal musste man schmunzeln, lachen, staunen und sich innerlich schütteln bei diesem so ungewöhnlichen, ausdrucksstarken und unter die Haut gehenden Abend.

Patrik Klein, 15. April 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

(c) Patrik Klein

Der klassik-begeistert-Autor Patrik Klein ist ein leidenschaftlicher Konzert- und Opernfreak, der bereits über 300 Konzerte (Eröffnungskonzert inklusive) in der Elbphilharmonie Hamburg verbrachte, hunderte Male in Opern- und Konzerthäusern in Europa verweilte und ein großes Kommunikationsnetz zu vielen Künstlern pflegt. Meist lauscht und schaut er privat, zwanglos und mit offenen Augen und Ohren. Die daraus entstehenden meist emotional noch hoch aufgeladenen Posts in den Sozialen Medien folgen hier nun auch regelmäßig bei klassik-begeistert – voller Leidenschaft, ohne Anspruch auf Vollständigkeit… aber immer mit großem Herzen!

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