Klein beleuchtet kurz Nr 31: Ein Countertenor aus Polen bringt eine ausverkaufte Staatsoper Hamburg zum Kochen

Klein beleuchtet kurz Nr 31: Ein Countertenor aus Polen bringt eine ausverkaufte Staatsoper Hamburg zum Kochen  klassik-begeistert.de

Jakub Józef Orliński und Pianist Michal Biel; Foto Patrik Klein

The Art of Jakub Józef Orliński – starke Stimme und übelste Publikumsmanieren hinterlassen einen ratlosen Gesangsliebhaber

The Art of Jakub Józef Orliński – vorhin fragte ich mich, was macht der junge Countertenor aus Polen so Besonderes und so besonders, dass ein fast leergespieltes Haus bei einem Liederabend AUSVERKAUFT ist?

Er hat sicher eine der schönsten Stimmen, die ich je hörte, er hat jugendlichen Charme, er sieht gut aus und weiß, wie er ein Publikum für sich gewinnen kann – seine Stimme ist voller Farben und Emotionen. Seine Crescendos sind mit die schönsten, die ich je hörte. Seine Koloraturen sind schwindelerregend und atemberaubend zugleich. Seine kraftvolle Stimme hat für einen Countertenor ein ungewöhnlich starkes Squillo – nichts lenkt ab beim Hören von dieser Stimme, die am Abend auch wundervoll begleitet wurde vom Pianisten und Schulfreund Michal Biel.

Jakub Józef Orliński und Pianist Michal Biel; Foto Patrik Klein

Das war eine Sternstunde für jeden Gesangsliebhaber – zudem ist er Tänzer, Breakdancer, Influencer, YouTuber und Zugpferd eines Mediengiganten – und da sind wir beim Knackpunkt – meinem Knackpunkt, der mir den Abend beinahe versaut hatte – er zieht ein Publikum an, ausverkauft, das alles an ihm liebt, aber noch nie in einem Konzertsaal gewesen ist – es graute übelstes Elphigehabe durch den Saal – aber vielleicht bin ich zu alt für albernes Herumgehampel und Saltos bei Händels Musik.

Programm des Abends nebst 4 weiteren Zugaben

Patrik Klein, 30. April 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

 

(c) Patrik Klein

Der klassik-begeistert-Autor Patrik Klein ist ein leidenschaftlicher Konzert- und Opernfreak, der bereits über 300 Konzerte (Eröffnungskonzert inklusive) in der Elbphilharmonie Hamburg verbrachte, hunderte Male in Opern- und Konzerthäusern in Europa verweilte und ein großes Kommunikationsnetz zu vielen Künstlern pflegt. Meist lauscht und schaut er privat, zwanglos und mit offenen Augen und Ohren. Die daraus entstehenden meist emotional noch hoch aufgeladenen Posts in den Sozialen Medien folgen hier nun auch regelmäßig bei klassik-begeistert – voller Leidenschaft, ohne Anspruch auf Vollständigkeit… aber immer mit großem Herzen!

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7 Gedanken zu „Klein beleuchtet kurz Nr 31: Ein Countertenor aus Polen bringt eine ausverkaufte Staatsoper Hamburg zum Kochen
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  1. Hab keine Störungen erlebt, fand aber die Liederauswahl sehr gewöhnungsbedürftig: für mich alles unbekannt und dröge, selbst die Zugaben. Wenn ich da z.B. an Jochen Kowalski oder Marilyn Horne früher denke!

    Hartmut Funke

  2. Hab kein übelstes Elphigehabe erlebt, sondern hab genossen, dass das Haus nach langer Zeit endlich mal wieder ausverkauft war. Bei den letzten Art of Konzerten wurde ja nur das Parkett verkauft und das war meist nur spärlich besetzt. Was mir gestern weniger gefiel: fast nur mir unbekannte Lieder, selbst bei den Zugaben. Das hab ich bei früheren Konzerten, z.B. bei Jochen Kowalski oder Marilyn Horne, ganz anders in Erinnerung.

    Hartmut Funke

    1. Lieber Herr Funke, ich weiß ja nicht wo Sie gesessen haben, aber nur mal kurz die mir aufgefallenen Störungen: Applaus nach jedem Lied. Das ist eine Unart sondergleichen. Man applaudiert bestenfalls nach dem Komponistenblock… eine Dame filmte offen mit hochgehaltenem Handy… ein 3 Reihen hinter ihr sitzender Herr brüllte während des Lieds, dass die Dame das Handy ausmachen soll… Husten, Quatschen während des Vortrags unentwegs… ein Damenchor brüllte im Takt: „Breakdance, Breakdance, mach uns Breakdance“ usw… ich saß im mittleren Parkett und litt, was das Zeug hielt… die gehörten Wortfetzen meiner Nachbarschaft, die wohl zum ersten Mal in einer Oper waren, gebe ich hier lieber nicht wieder… aber schön, dass Sie davon nichts mitbekommen haben.

      Patrik Klein

  3. Ach Herr Klein … wir haben uns auf dieses Konzert schon seit Wochen gefreut – denn unsere erste Begegnung mit Herrn Orliński fand im Juli 2022 auf dem Verbier Festival in der Schweiz statt.
    Bei diesem Auftritt in der Staatsoper am 29.4.24 saßen wir im Parkett, R. 19, Pl.13 + 14 und die einzige unangenehme Störung kam von einem Zuhörer, der sich lauthals über die Handybenutzer beschwerte.
    Was nun die Breakdance-Einlage angeht – der informierte Konzertgänger rechnet damit und wir waren angenehm überrascht von dem „Quickie“, der mehr ein Augenzwinkern war… genau richtig, um den sakralen Ernst, der für eine bestimmte Gruppe unabdingbar zu sein scheint, gegen eine heitere Note einzutauschen…
    Ein absolut ungestörtes Konzert würden Sie wohl nur in Ihren eigenen vier Wänden erleben – allerdings ohne die Live Reaktionen…
    Bezüglich des passenden Alters… ich bin 77 Jahre alt und stecke meine Ohren in so ziemlich jede Musik – u.U. eben auch nur einmal. Mit der nötigen Toleranz bzw. Gelassenheit können auch „Störungen“ eine amüsante Note hinzufügen…
    Ich wünsche Ihnen trotzdem einen ungetrübten Konzertgenuss –
    Mit freundlichem Gruß,
    Heidemarie Kowalke

    1. Vielen Dank für Ihren Kommentar. Ich bin 79 und seit Orlińskis „Rinaldo“ in Frankfurt ein Fan, der dem Sänger auch schon mal nachreist. So lernte ich Karlsruhe kennen (Tolomeo), die Elphilharmonie (Tolomeo konzertant), Münsters Oper, Berlins Philharmonie, Konzerthaus Dortmund (Orfeo) usw.
      Auf den Abend in Hamburg freuten sich meine Frau und ich seit Monaten. Tatsächlich gestört hat der Applaus nach jedem Lied – da könnte man einen kurzen Hinweis im Programm geben, dass es sich um Lied-Zyklen handelt. Sonst war alles prima, Biel ist ein fantastischer Partner am Flügel. Nun freuen wir uns auf den 17. September und werden wieder aus Bielefeld anreisen…
      Gruß, Reiner Schmidt

  4. Mir scheint, die Wahrheit liegt auch hier mal wieder in der Mitte. Das Publikum war ganz offensichtlich nicht das, was sonst in Liederabende geht und das Klatschen nach jedem noch so kurzen Stück empfand ich als sehr störend. Dem Sänger muss man aber bescheinigen, dass er diese Reaktionen keineswegs provoziert hat, seine Körpersprache war da eine sehr zurückhaltende, er stand ganz im Dienst der Musik, die er zu Gehör bringen wollte. Dass darunter viel hierzulande Unbekanntes war, fand ich sehr reizvoll und war dankbar, dass JJO nicht nur Erprobtes und Bekanntes präsentierte, sondern im Gegenteil seine Popularität nutzte, um jenseits des Mainstream liegende Musik zu präsentieren. Das können sich leider viel zu wenig Musiker leisten. Salti bei Händel habe ich übrigens trotz eines zentralen Parkettplatzes nicht gesehen, nur einen Radschlag vor einer Zugabe. Dass der Sänger auch sonst nicht stocksteif dastand, sondern mit der Musik mitging, fand ich natürlich, von Zappeln war das weit entfernt. Fazit: Ein musikalisch sehr gelungener Abend, dessen Rezeption in vieler Hinsicht unverhältnismäßig war.

    Karin Vorderstemann

  5. Auch ich bin fast 70 Jahre alt und muss sagen, dass ich gerade die eher „lockere“ und nicht so weihevolle Atmosphäre in den Konzerten von Jakub Orliński genieße. Sie, Herr Klein, bedauern, dass der Oper die Zuschauer fehlen, aber beschweren sich gleichzeitig, dass in dem Liederabend Leute waren, die offenbar noch nie in einer Oper waren. Nun, jeder fängt mal an… Vielleicht ist das der (beabsichtigte) Weg, einem neuen und jüngeren Publikum die Schwellenangst zu nehmen? Ich habe trotz meines Alters kein Problem damit.
    Und was das Repertoire angeht: J. Orliński hat Lieder und Arien aus allen seinen Einspielungen geboten. Die polnischen Lieder stammen aus der preisgekrönten CD „Farewells“ und hätten demnach bekannt sein können. Und wer will schon immer nur das hören, was er sowieso schon kennt?
    Den ewigen Zwischenapplaus hat Orliński auch deutlich bei den kurzen Stücken abzuwehren versucht, wenn auch ohne Erfolg.
    Und zuletzt: Bei Händel habe auch ich weder einen „Purzelbaum“ noch ein Gehampel bemerkt, der Salto kam erst bei der 3. oder 4. Zugabe und irgendwie gehört er ja zum Motto „The art of…“ Breakdance ist ein Bestandteil seiner Kunst.
    Meine Freundinnen und ich haben den Abend jedenfalls sehr genossen und die Variationsbreite und Vortragskunst Orlińskis und seines Pianisten (bitte nicht vergessen!) sehr genossen.
    Liebe Grüße,
    Brigitte Furthmüller

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