Klein beleuchtet kurz 7: Leon Gurvitch bei Bechstein im Christmas Concert

Klein beleuchtet kurz 7: Leon Gurvitch bei Bechstein im Christmas Concert

Leon Gurvitch; Foto Patrik Klein

Donnerstagabend, 14. Dezember 2023, bei Bechstein:

Leon Gurvitch – Joy to the World – The Christmas Concert 

Wenn Klaviermusik aus dem Körper, dem tiefsten Inneren, dem Herzen und der Seele nach außen fließt, strömend in perfekter Harmonie und im Einklang mit sich selbst, sich ihren Weg wie aus einem Guss in die aufmerksamen Ohren des Zuhörers bahnt, dann sitzt Leon Gurvitch an seinem achtundachtzig Tasten umfassenden Instrument und fesselt jede und jeden, nimmt einen mit in den Sog seiner Interpretationen.

„Jede Note geht mir durch Herz und Kopf“ – Leon Gurvitch

In Schubladen lässt er sich schwerlich stecken. Er ist Komponist, Pianist und Dirigent, liebt Schostakowitsch und Strawinsky ebenso wie Keith Jarrett und Astor Piazzolla, spielt Jazz, Klezmer, Filmmusik und Kunstlied. All diese Impulse fließen in seine kreative Arbeit ein.

Bei Bechstein stand am gestrigen Abend bei restlos ausverkaufter Hütte mit über 180 Leuten  ein buntes Programm mit viel Unterhaltung aber auch tiefster Besinnlichkeit im Fokus.

Bekannte und beliebte Christmas Songs aus der ganzen Welt in musikalisch neuem Gewand und in der für Leon Gurvitch typischen neu arrangierten Spielweise wechselten sich ab mit eigenen Kompositionen.

Gemeinsam war ihnen allen die eingehauchte Seele des Musikers, der mit virtuosen Improvisationen die Stücke vortrug.

Da waren natürlich seine Eigenkompositionen, wie das berühmte „Remember Me“, voller Ausdruck und Gegenstimme zu den deprimierenden  Kriegen auf dieser Welt. Auch von seinem sieben Sätzen beinhaltenden Zyklus „Musique Mélancolique“  durften zwei Stücke nicht fehlen, oder eine Kostprobe aus einer Fortsetzung seiner „Songs without Tears“ als Uraufführung rückten sein Können, sein Gespür für kreative Neuentwicklungen ins rechte Musikerlicht. Man ging innerlich auf eine emotionale Reise mit dem Künstler, in dessen Gesicht beim Spiel seine inneren Gefühle geschrieben standen, wie in einem spannenden Buch.

Leon Gurvitch; Foto Patrik Klein

Aber da waren auch die Klassiker und bekannten Stücke anderer Künstler, die er auf seine unverkennbare Art und Weise neu interpretierte und seine eigene Sichtweise eng mit den Ursprüngen verwob. Bachs Kantate „Herz und Mund und Tat und Leben“, „White Christmas“, „Winter Wonderland“, Nat King Coles „Christmas“, „Leise rieselt der Schnee“ im Bossa Nova Stil, Händels „Joy To The World“, „Stille Nacht, heilige Nacht“, ein Tango von Astor Piazzolla, und zum Schluss ein ruhiges „Guten Abend, Gute Nacht“ von Brahms.

Dazwischen irgendwann jedoch ein Highlight, das noch einen Tick alles andere überragte, ein ursprünglich ukrainisches Volkslied, „Carol Of The Bells“, welches in den USA zu Weltruhm mutierte und mit seiner kleinen Melodica zusammen mit dem Klavier gemeinsam erklang. Melancholie und Gefühl dominierten zunächst und wandelten sich in ein eindringliches, steigerndes Feuerwerk der Emotionen und der Spielkunst.

Das ließ niemanden unberührt, das verzauberte Publikum hielt es kaum auf den Stühlen. Ein berauschender Abend im Chile Haus zur Vorweihnachtszeit.

———————————————————————————————————————-

(c) Patrik Klein

Der Klassik-begeistert-Autor Patrik Klein ist ein leidenschaftlicher Konzert- und Opernfreak, der bereits über 300 Konzerte (Eröffnungskonzert inklusive) in der Elbphilharmonie Hamburg verbrachte, hunderte Male in Opern- und Konzerthäusern in Europa verweilte und ein großes Kommunikationsnetz zu vielen Künstlern pflegt. Nicht immer nimmt er sich Pressekarten im offiziellen Modus, sondern lauscht oder schaut privat, zwanglos und mit offenen Augen und Ohren. Die daraus entstehenden meist emotional noch hoch aufgeladenen Posts in den Sozialen Medien folgen hier nun auch regelmäßig bei Klassik-begeistert – voller Leidenschaft – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – aber immer mit großem Herzen!

Klein beleuchtet kurz 6: Teodor Currentzis in der Elphi Elbphilharmonie, 12. Dezember 2023

Klein beleuchtet kurz 5: Der fliegende Holländer Staatsoper Hamburg, 10. Dezember 2023

Klein beleuchtet kurz 4: The Philadelphia Orchestra klassik-begeistert.de, 4. Dezember 2023

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert