Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen/ Tarmo Peltokoski © Daniel Dittus
Keine Frage: Mit einem derart rundum entstaubten, knackig frischen Mozart kann sich die Deutsche Kammerphilharmonie jederzeit und überall sehen und hören lassen.
Konzert „Wiener Schule“
Ludwig van Beethoven: Konzert für Klavier und Orchester G-Dur op. 58
Arnold Schönberg: Kammersinfonie Nr. 2 es-Moll op. 38
Wolfgang Amadeus Mozart: Sinfonie Nr. 39 Es-Dur KV 543
Jan Lisiecki Klavier
Tarmo Peltokoski Dirigent
Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen
Konzerthaus Die Glocke, Großer Saal, am 22. Mai 2024
von Gerd Klingeberg
Erst vor wenigen Tagen haben sie „Eulen nach Athen getragen“, genauer: ein Mozart-Programm in Salzburg gespielt – erwartungsgemäß erfolgreich. Schon am Wochenende geht es dann nach Wien.
Dazwischen dürfen die Bremer Zuhörer ihre Deutsche Kammerphilharmonie unter dem bewährten Dirigat ihres jungen Principal Guest Conductors Tarmo Peltokoski genießen, passend mit „Wiener Schule“. Mit dem kanadischen Pianisten Jan Lisiecki hat die Kammerphilharmonie zudem einen in der weltweiten Konzertszene bestens etablierten Solisten dabei.
Äußerst gefühlvoll, fast zaghaft anmutend, präsentiert er die Solo-Introduktion von Ludwig van Beethovens 4. Klavierkonzert. Nicht minder sensibel führt das Orchester den Eingangsgedanken fort, um erst ganz allmählich aufzublühen. Mit dezidiertem Anschlag und markanter Akzentuierung klinkt Lisiecki sich wieder ein, wechselt geschmeidig zwischen kernig energischem Spiel und filigraner, selterssprudelnd leichter Gestaltung. Bei seinen mitunter ausgeprägten Rubati, aber auch seinen zahlreichen dynamischen Abstufungen geht das Orchester stets unbeirrt mit, wobei Peltokoski sich, sauber auf die solistische Vorgabe eingehend, auf ein zumeist dezentes Dirigat beschränkt. Die Kadenz gerät eher rational, trocken, dann imponieren wahnwitzig schnelle, stürmische Läufe, bei denen Lisiecki den großen Flügel aufs höchste zu malträtieren scheint.
In besonderem Maße beeindruckt der Mittelsatz als Konflikt zwischen den anfangs knallend schroffen, bedrohlich anmutenden Orchesterakkorden und den davon keineswegs irritierten, besänftigend weichen Antworten des Klaviers. Und Letzteres behält die Oberhand, bis beider Spiel schließlich in anrührend zartem Pianissimo aushaucht.
Im Finalsatz geht es in die andere Richtung. Wie entfesselt treiben sich Orchester und Klavier gegenseitig an, nehmen selbst in den kurzen, neue Energie schöpfenden Atempausen kaum nennenswert das Tempo zurück. Das ist Beethoven par excellence, ein Parforceritt vom Feinsten, den das Publikum mit donnerndem Beifall feiert.
Lisiecki lässt sich eine Weile lang bitten, legt schließlich doch noch nach: Frédéric Chopins „Regentropfen-Prélude“. Sehr feinfühlig geht er es an, lässt aber zwischenzeitlich mit kraftvollem, geradezu wütendem Anschlag auch Ärger und Frust des Komponisten anlässlich eines dereinst völlig verregneten Mallorca-Aufenthalts erahnen.
Arnold Schönbergs Kammersinfonie Nr. 2, eine noch weitestgehend tonal Komposition, wirkt nach der Pause etwas eingeschoben, demonstriert jedoch ohrenfällig das ungemein exakt ineinandergreifende Zusammenspiel aller Orchesterfraktionen.
Dann, endlich, ist Mozarts Sinfonie Nr. 39 dran, mit soliden Eingangsakkorden, feierlich, wie eingerammte Pfeiler. In sorgfältig angelegter Verdichtung des fragilen, empfindsam vorgetragenen Themas folgt ein fein ausbalanciertes, niemals gleichförmiges Spiel dynamischer Gegensätze, teils mit ernstem Hauch, etwa im Andante-Satz mit seinem subtil gestalteten Frage-Antwort-Part, dann wieder luftig, nahezu emphatisch und ungestüm. Peltokoski, den man auch schon sehr zurückhaltend erlebt hat, dirigiert mit ausgeprägter Gestik, gelöst tanzend, straffmetrisch wie ein Tambourmajor oder elegant wie ein Florettfechter, immer mittendrin im Geschehen, aber ungeachtet seines überschäumenden Elans niemals die Übersicht verlierend.
Im Menuetto überwiegen schwungvolle, markant konturierte Sequenzen, die mit dem Trio und forsch pulsierendem Rhythmus zeitweise an folkloristisches Tanzvergnügen erinnern. Zupackend und flüssig schließlich der Schlusssatz: ohne jegliche Längen, schwungvoll und lebendig, durchaus mal aufmüpfig, unbedingt mitreißend, changierend zwischen ruppiger Härte und glitzerndem Flirren. Peltokoski scheut kein Tempo, geht aufs Ganze, fordert mehr und mehr vom Orchester, das ebenso energisch wie munter mitzieht bis hin zum triumphalen Schlussakkord.
Keine Frage: Mit einem derart rundum entstaubten, knackig frischen Mozart kann sich die Deutsche Kammerphilharmonie jederzeit und überall sehen und hören lassen.
Dr. Gerd Klingeberg, 23. Mai 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
10. Philharmonisches Konzert „Rausch“ Bremen Konzerthaus, Die Glocke, 15. April 2024
Meisterkonzerte – Klassik für Bremen Konzerthaus Die Glocke Bremen, 10. April 2024