Foto: © Wigmore Hall, Mitsuko Uchida
Die beiden Ausnahmekünstler stellten die Sehnsucht als urromantisches Motiv in das Zentrum ihres Liederabends und legten dabei eine makellose und berauschende Interpretation der Lieder von Beethoven und Schubert vor. Über einen Konzertabend, der noch lange nachhallen wird.
Wigmore Hall, London, 15. Mai 2022
Mark Padmore, Tenor
Mitsuko Uchida, Klavier
Ludwig van Beethoven, An die Hoffnung op. 94
Ludwig van Beethoven, Resignation WoO. 149
Ludwig van Beethoven, Abendlied unter gestirnten Himmel WoO. 150
Ludwig van Beethoven, An die ferne Geliebte op. 98
Franz Schubert, Schwanengesang D957
von Lukas Baake
Die Erwartungen können kaum hoch genug sein, wenn Mark Padmore zu einem Liederabend einlädt. Padmore, einer der prägenden britischen Tenöre seiner Generation, hat sich in der Vergangenheit nicht nur mit seinen hochintelligenten und Maßstäbe setzenden Interpretationen des Bach’schen Passionswerk hervorgetan, sondern sich auch als vielseitiger Meister des Liedrepertoires von Beethoven über Fauré bis hinzu Vaughan Williams und Britten erwiesen. Allein Padmores Name in Verbindung mit dem Programm um Beethovens „An die ferne Geliebte“ und Schuberts „Schwanengesang“ genügt deshalb, um die Londoner Wigmore Hall bis auf den letzten Platz zu füllen. Doch an diesem Abend begleitete ihn niemand Geringeres als Mitsuko Uchida, die ihre Ausnahmekarriere selbst vor vierzig Jahren mit ihrer vielgerühmten Interpretation der Mozartsonaten in der Wigmore Hall begann.
Bereits der Beginn mit drei ausgewählten Beethovenliedern machte deutlich, was die Besucher an diesem Abend erwarten würde: Behutsam und einfühlsam breitete Uchida die Klavierbegleitung als Fundament aus, über das sich Padmores schlanker und heller Tenor legte. Über Blicke und Gesten in stetigem Austausch miteinander, gelang dem Duo eine Interpretation, die auf den ersten Blick als zögerlich ausgelegt werden könnte, sich aber als behutsam und wohlüberlegte Klangkonstruktion entpuppte. Nach dem ersten euphorischen Applaus umriss Padmore in einigen Worten sein Verständnis des Programms. Er kreiste dabei um die Sehnsucht, dem urromantischen Gefühl, das Beethovens einzigen Liederzyklus mit Schuberts posthum veröffentlichten ‚Schwanengesang‘ thematisch verbindet. Mit dem im Anschluss einsetzenden Akkord im satten Es-Dur von Beethovens 1816 komponierten Werk führten die beiden Musiker das Publikum in Klangwelten, die von einem einfühlsamen und durchdachten Ausdruck geprägt waren. Mit diesem behutsamen Ansatz, der sich mühelos mit Padmores leichtem und sanftem Timbre verband, wurden Klang- und Bedeutungsschichten freigelegt, die sonst oft ungehört bleiben.
Gesteigert wurde diese Perfektion im Zeichen der Sehnsucht mit Schuberts „Schwanengesang“. Auch wenn umstritten ist, inwiefern Schubert die 14, kurz vor seinem Tod komponierten Lieder als Zyklus konzipiert hat, konnten Uchida und Padmore die innere Geschlossenheit und Einheit des Werkes aufzeigen. Padmore, der zuvor seine lyrischen Register glänzen ließ, konnte jetzt die Vielseitigkeit seines Tenors demonstrieren: Die breiten Tiefen seiner Stimme, um Schmerz und Verzweiflung Ausdruck zu verleihen, verstand er ebenso zu verwenden wie die geschmeidigen und sanften Linien in der Höhe. Uchida erwies sich dabei als kongeniale Begleitern, die Padmores Tenor durch ein präzises, artikuliertes und unaffektiertes Spiel strahlen ließ.
Das Publikum bejubelte die Musiker zurecht für einen denkwürdigen Liederabend, der noch lange nachhallen wird. Allerdings blieb den Besuchern, trotz anhaltenden Applauses, eine Zugabe verwehrt. Mit Blick auf das letzte Lied des Abends, ‚Die Taubenpost‘ nach Johann Gabriel Seidl, war dies jedoch keine Überraschung. Ungewöhnlich langsam und tänzerisch vorgetragen, entließ Padmore das Publikum mit einer bedeutungsschweren Frage in den frühsommerlichen Abend: „Sie heisst – die Sehnsucht! Kennt ihr sie?“ Nach diesem eindrücklichen Musikerlebnis dürfte jeder Besucher einer Antwort näher gekommen sein.
Lukas Baake, 18. Mai 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Orchestra of the Age of Enlightenment, Johannespassion, Queen Elizabeth Hall, London, 26. März 2022
Mitsuko Uchida, Mahler Chamber Orchestra, Wiener Konzerthaus, 26. September 2019
Mitsuko Uchida, Mahler Chamber Orchestra, Mozart, Barók, Elbphilharmonie Hamburg