Das klassische Ballett La Bajadère wird in Dortmund spannend und plausibel in Szene gesetzt

La Bayadère, Ballett in 4 Akten  Theater Dortmund, 24. November 2024

Die Stars des Niederländischen Nationalballetts Giorgi Potskhishvili und Anna Tsygankova im Theaterrestaurant nach der Ballettaufführung (Foto: RW)

In seinen Soli beeindruckte der hochgewachsene Giorgi Potskhishvili mit weiten Sprüngen und superben Drehungen. Da erreichte er den Ausnahmetechniker Sergei Polunin und wirkte tänzerisch ebenso empathisch wie Vladimir Shklyarov. Und mit Anna Tsygankova als Nikija hatte er eine kongeniale und sehr erfahrene Partnerin.

La Bayadère, Ballett in 4 Akten
Choreographie und Inszenierung von Xin Peng Wang
2. und 3. Akt nach Marius Petipa

Kostüme und Bühne: Jérôme Kaplan
Musik von Léon Minkus

Dortmunder Philharmoniker
Leitung: Koji Ishizaka

Klavier: Karsten Scholz

Theater Dortmund, Ballett Dortmund, 24. November 2024

von Dr. Ralf Wegner

Das Ballett La Bajadere wurde 1877 im St. Petersburger Mariinsky-Theater uraufgeführt. Wir sahen dieses Ballett ebendort anlässlich einer Reise Hamburger Ballettfreunde im Jahre 2013. Die Partie des Solor tanzte damals der vor kurzem so unglücklich zu Tode gekommene Vladimir Shklyarov. Das Goldene Idol wurde ausdrucksstark von dem erst kurz vorher vom Petersburger Ballettdirektor aus dem Wehrdienst herausgeholten Kim Kimin – jetzt sicher einer der besten Tänzer der Welt – gestaltet.
Die Petersburger Aufführung bestach mit opulenter Ausstattung und herausragenden tänzerischen Leistungen. Aufführungen in anderen Orten habe ich trotz berühmter Tänzer wie Sergei Polunin in München oder Daniil Simkin in Berlin immer recht langweilig gefunden, vor allem letztere mit einer Überbetonung des Pantomimischen in einer Rekonstruktion von Alexei Ratmansky.

Anna Tsygankova (Nikija) und Giorgi Potskhishvili (Solor) (Foto: RW)

Xin Peng Wang überzeugt mit seiner Neuinterpretation des Ballettklassikers

In Dortmund war jetzt alles anders. Abgesehen von den ebenfalls herausragenden tänzerischen Leistungen war das in Indien spielende Ballett diesmal nahezu frei von pantomimischen Darstellungen, und nicht langweilig. Die drei Stunden Spieldauer einschl. zweier Pausen vergingen wie im Fluge. Der in Dortmund scheidende chinesische Choreograph Xin Peng Wang hat den überlieferten klassischen Tänzen (Marius Petipa), wie dem berühmten Schattenakt, eine plausible Rahmenhandlung voran- und nachgestellt. Das Stück spielt in den 1920er Jahren in Hollywood. Dort wird ein Stummfilm über das Leben und Sterben der indischen Tempeltänzerin Nikija gedreht. Während kurzzeitig eingespielter, bereits abgedrehter, in die Handlung einführender Filmschnipsel spielt am Bühnenrand ein Pianist zeitgenössische amerikanische Musik.

Zur Handlung des Balletts La Bajadère in der Fassung von Xin Peng Wang

Die Schauspielerin Nikija verliebt sich in den Schauspieler Solor. Diesen wünscht sich aber der Regisseur des Stücks als Verlobten seiner Tochter Gamzatti. Beide Frauen befehden sich. Nikija wird bei einer Feier mit einem Trunk betäubt. Solor lässt sich widerwillig den Verlobungsring überstreifen. Nikija stirbt. Solor gibt sich dem Opiumrausch hin. Er erträumt sich 24 Nikijas, die in Arabeskenformation langsam eine Schräge hinabgleiten (der berühmte Schattenakt). Wieder aufgewacht, wird das Ende der Dreharbeiten gefeiert. Dabei brennt das Filmstudio ab und Solor kommt in den Flammen um. Apotheotisch bindet er sich an Nikija, beide schreiten die Schräge hinauf ins Jenseits.

Cyrill Pierre (Filmproduzent), Anna Tsygankova (Nikija), Giorgi Potskhishvili (Solor), Koji Ishizaka (musikalische Leitung), Giuditta Vitiello (Gamzatti), Karsten Scholz (Klavier), Francesco Nigro (Studiomanager) (Foto: RW)

Und es wurde hervorragend getanzt

Solch ein Ballett ist nur mit herausragenden Tänzerinnen und Tänzern und auch einer großen Truppe zu schaffen. Xin Peng Wang hat sein 22köpfiges Dortmunder Ensemble um das NRW Juniorballett und zahlreiche Gastsolisten ergänzt, so dass er die durchaus hohe Zahl von 24 Tänzerinnen für den Schattenakt auf die Bühne bringen konnte (bei großen Kompanien sind es auch 32 Tänzerinnen). Vor allem gelang es dem Dortmunder Ballettdirektor, zwei herausragende Erste Solisten vom Niederländischen Nationalballett für die Partien des Solor und der Nikija zu engagieren: Den erst 23jährigen Georgier Giorgi Potskhishvili und die nach wie vor junge russische Tänzerin Anna Tsygankova.

In seinen Soli beeindruckte der hochgewachsene Potskhishvili mit hohen und weiten Sprüngen sowie superben Drehungen. Da erreicht er den Ausnahmetechniker Sergei Polunin und wirkt tänzerisch ebenso empathisch wie Vladimir Shklyarov. Und mit Anna Tsygankova als Nikija hatte er eine kongeniale und sehr erfahrene Partnerin zur Seite. Als Gamzatti zeigte Giuditta Vitiello ihr Können. Als Goldenes Idol wirkte Matheuz Vaz angestrengt, es gab bei ihm noch Luft nach oben. Jihan Jung, Jasmine Cameron und Kailin Pham-Kratz beeindruckten im Schattenakt mit ihren schwierigen Variationen. Cyril Pierre war als Filmproduzent besetzt, Francesco Nigro gab der Rolle des Studiomanagers Profil.

Das von der Aufführung begeisterte Dortmunder Publikum umjubelte alle Tänzerinnen und Tänzer. Die Vorstellung war ausverkauft. Wer die Möglichkeit hat, sollte sich diese überaus schöne und intelligent durchdachte Aufführung eines klassischen Balletts unbedingt ansehen. Weitere Vorstellungen gibt es ab Februar nächsten Jahres. Es lohnt sich auch eine weite Anreise.

Dr. Ralf Wegner, 25. November 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

La Bajadère, die Tempeltänzerin, Ballett von Aaron S. Watkin nach Marius Petipa Semperoper Ballett, 5. März 2023 

Ein Mittsommernachtstraum, Ballett von Alexander Ekma Theater Dortmund, 18. November 2023

Romeo und Julia Ballett von Jean-Christophe Maillot, Musik von Sergej Prokofjew Ballett Dortmund, Theater Dortmund, 20. November 2022

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