Ladas Klassikwelt 54: Ein Orgelpfeifchen mit Liebeskummer

Ladas Klassikwelt 54: Ein Orgelpfeifchen mit Liebeskummer

„Dieses Stück mit seinem humorvollen, erotischen Text gefiel nicht nur meinen Mitstudenten, sondern auch professionellen Konzertorganisten. Einer von ihnen bat mich, ihm dieses Lied aufzunehmen. „Ich würde es mir vor jedem Konzert anhören und mir vorstellen, dass es für mich sei“, sagte er.“

von Jolanta Łada-Zielke

Während meines Studiums an der Musikschule der 2. Stufe in Krakau interessierte ich mich einige Zeit für einen Studenten der Orgelklasse. Er hielt mich nur für eine gute Freundin und wir gingen nie eine Beziehung ein. Dank ihm vertiefte ich jedoch mein Wissen über Orgelmusik.

In dieser Zeit (Herbst 1996) erhielt die Krakauer Philharmonie eine neue Orgel. Das vorherige Instrument wurde 1991 bei einem Brand zerstört. Die neue Orgel wurde drei Jahre in Bonn bei der Firma Johannes Klais gebaut. Viele Krakauer halfen, Geld für diesen Zweck zu sammeln, indem sie spendeten. Auch Grzegorz Kołodko, der Finanzminister der damaligen Regierung, unterstützte das Projekt. Als Belohnung wurde eine der Orgelpfeifen nach ihm benannt. Eine der kleinsten Pfeifen heißt „Anna“ nach einer älteren Dame, die als erste eine große Spende aus ihrer Rente zahlte.

1997 spielten auf der neuen Orgel in Krakau  unter anderen Ton Koopmann und Jennifer Bate ihre Recitals, und von den Einheimischen: Joachim Grubich, Józef Serafin, Andrzej Białko, Marek Stefański, Marcin Szelest. Ich besuchte gerne alle diese Konzerte. Ein Jahr später war meine Schwärmerei für den Kommilitonen vorbei. Ich gründete in der Schule das musikalische Kabarett „D7“, dessen Name vom Dominantseptakkord abgeleitet ist. Dafür schrieb ich ein Lied über ein in einen Organisten unglücklich verliebtes Orgelpfeifchen. Dieses Stück mit seinem humorvollen, erotischen Text gefiel nicht nur Mitstudenten, sondern auch professionellen Konzertorganisten. Einer von ihnen bat mich, ihm dieses Lied aufzunehmen. „Ich würde es mir vor jedem Konzert anhören und mir vorstellen, dass es für mich sei“, sagte er.

Ich führte dieses Stück auch außerhalb der Schule auf, etwa bei Liedfestivals in Krakau. Interessant war die Reaktion des mit Musik weniger vertrauten Publikums: Es lachte heftig. Im Polnischen bedeutet nämlich das Wort „organy“ sowohl die Orgel als Instrument als auch menschliche Organe. Die Zuschauer, die nicht mit Musik bekannt waren, assoziierten offensichtlich das Pfeifchen mit Letzterem…

Und hier ist das Ergebnis meiner vergangenen Verliebtheit, das  von dem befreundeten Dichter Joachim Neander ins Deutsche übersetzt wurde:

Piszczałka

W harmonicznych głębiach
i dźwiękowych pełniach
w wielkim instrumencie
jak na postumencie
Jedna z wielu, wciąż marzę nieosiągalnie,
Że mnie choć raz potraktujesz
instrumentalnie.

Płyną z serca strugi
Wprost do granej fugi
Twoje myśli, słowa
chcę kontrapunktować
Na obliczu błysk żalu –
Nic się nie zmienia
Jestem ciagle z metalu, ty zaś z kamienia.
Jestem tylko najmniejszą z piszczałek
w Twoich organach
Tam codziennie czekając na Ciebie
drzemię, schowana.
Jestem w największym z kościołów
najwyższym dźwiękiem,
którego wzrok, ni słuch, ni dotyk twój
nie dosięgnie.

Pograsz, budząc nadzieję,
potem odejdziesz,
aby zasiąść przy lepszym instrumencie
Ja z tęksnoty za tobą chyba bym pękła
choć jako metal wolę stopić się od rąk Twoich ciepła.

W Twoich organach jestem najmniejszą z piszczałek
Ze sprężystym i srebrzyście skrzącym się
blaszanym ciałem
i z małym sercem,
którego bicia nie czujesz,
kiedy pieścisz klawiatury biel i czerń
lub rejestrujesz.

Ty odejdziesz, przyjdzie inny organista
z tego, czym ty pogardziłeś, on skorztysta.
A ja odtąd zawsze będę zakochana
w każdym, kto gra na organach.

Das Orgelpfeifchen

In den Tiefen der Harmonien,
in der Fülle der Klänge der großen Orgel
bin ich eine von vielen Pfeifen
auf dem Postamente.
Und träume das nie zu Erreichende:
Dass Du mich annimmst,
und sei’s nur ein einziges Mal.

Deine Gedanken, Deine Worte —
sie fließen vom Herzen
in die Fuge Deines Spiels,
dessen Kontrapunkt zu setzen ich mir ersehne.
Doch Trauer blitzt auf —
nichts wird sich ändern:
Ich bin metallen, und Du bist aus Stein.
Ich bin nur das kleinste Pfeifchen

in Deiner Orgel.
Täglich wart’ ich auf Dich,
träum’ im Verborg’nen.
In der größten der Kirchen
stimm’ ich den höchsten Ton an.
Doch Dein Auge, Dein Ohr, Deine Hände
erreichen mich nicht.

Dein Spiel erweckt in mir Hoffnung.
Doch Du gehst fort,
bei etwas Bess’rem läßt Du Dich nieder.
Vor Sehnsucht nach Dir könnt’ ich vergehen,
wollte zerschmelzen in der Glut Deiner Hände.

Ich bin das kleinste Pfeifchen in Deiner Orgel
mit glattem, silberfunkelnd metallenem Leib
und einem kleinen Herzen
dessen Schlag Du nicht fühlst
wenn Du der Tasten Schwarz-weiß verwöhnst,
wenn Du die Register ziehst.

Du gehst fort, und ein and’rer wird kommen,
wird genießen, was Du einst verschmäht.
Und ich werd’ mich immer verlieben

in jeden, der Orgel zu spielen versteht.

Jolanta Lada-Zielke, 8. November 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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© Jolanta Lada-Zielke

Jolanta Lada-Zielke, 49, kam in Krakau zur Welt, hat an der Jagiellonen-Universität Polnische Sprache und Literatur studiert und danach das Journalistik-Studium an der Päpstlichen Universität Krakau abgeschlossen. Gleichzeitig absolvierte sie ein Gesangsdiplom in der Musikoberschule Władysław Żeleński in Krakau. Als Journalistin war Jolanta zehn Jahre beim Akademischen Radiorundfunksender Krakau angestellt, arbeitete auch mit Radio RMF Classic, und Radio ART anlässlich der Bayreuther Festspiele zusammen. 2003 bekam sie ein Stipendium vom Goethe-Institut Krakau. Für ihre  journalistische Arbeit wurde sie 2007 mit der Jubiläumsmedaille von 25 Jahren der Päpstlichen Universität ausgezeichnet. 2009 ist sie der Liebe wegen nach Deutschland gezogen, zunächst nach München, seit 2013 lebt sie in Hamburg, wo sie als freiberufliche Journalistin tätig ist. Ihre Artikel erscheinen in der polnischen Musikfachzeitschrift „Ruch Muzyczny“, in der Theaterzeitung „Didaskalia“, in der kulturellen Zeitschrift für Polen in Bayern und Baden-Württemberg „Moje Miasto“ sowie auf dem Online-Portal „Culture Avenue“ in den USA.  Jolanta ist eine leidenschaftliche Chor-und Solo-Sängerin. Zu ihrem Repertoire gehören vor allem geistliche und künstlerische Lieder sowie Schlager aus den Zwanzigern und Dreißigern. Sie ist seit 2019 Autorin für klassik-beigeistert.de.

Joachim Neander wurde 1938 in Sopot, ehemals Freie Stadt Danzig, geboren. Nach dem Krieg lebte er hauptsächlich in Deutschland, aber auch einige Zeit in Italien, Frankreich und in den USA. 1999 zog er der Liebe wegen nach Krakau. Er ist Mathematiker, Physiker, Pädagoge und Experte für das Alte Testament. 1997 hat er seine Doktorarbeit in Geschichte verteidigt. Mit diesem Fachgebiet beschäftigt er sich als auf den Holocaust spezialisierter Freiberufler. Er veröffentlicht wissenschaftliche Texte in Deutschland, Belgien, Polen, Tschechien, England, Israel, den USA, in der Ukraine und im Forum: holocaustcontroversies.blogspot.com. Sein Hobby sind Fremdsprachen.

Joachim schreibt Kurzgeschichten auf Portugiesisch (er ist Mitglied der Gruppe „Escritores Prudentinos“ in Brasilien) sowie Prosa und Gedichte auf Polnisch. Sein literarisches Debüt ist „Nocne widma“ (Nachtgespenster), ein 2010 in Krakau veröffentlichter Band. Seit 2019 gehört er zu dem Verband Polnischer Schriftsteller. Joachim ist auch Hobbymusiker: Blockflöte und Saxophon.

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