Lieses Klassikwelt 13/2019: Unter Tierfreunden

Lieses Klassikwelt 13/2019  klassik-begeistert.de

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Maria Callas nahm ihren Pudel Toy überall hin mit, er durfte auf Reisen sogar in der Flugzeugkabine Platz nehmen. Vermutlich gab es da für die Primadonna Assoluta Ausnahmekonditionen, denn leider dürfen in die Kabine gewöhnlich nur ganz kleine Hunde im Katzenformat.

von Kirsten Liese

Heute singe ich ein hohes Lied auf einen Popmusiker: Paul McCartney. Der erfolgreiche Songwriter, der neben John Lennon die meisten Stücke für die Beatles schrieb, ernährt sich vegan und setzt sich seit den 1970er Jahren für Tierrechte ein – gegen Massentierhaltung, Tierversuche und das Abschlachten von Robben. Er trägt kein Leder, macht bei Konzerten Werbung für seine „Meat-Free“-Kampagne und sagt zum Thema Klimaschutz das, was ich eigentlich von der Bundeskanzlerin erwarten würde: „Wenn jemand etwas für die Umwelt tun möchte, muss er einfach aufhören, Fleisch zu essen. Das ist der größte Beitrag, den jeder von uns leisten kann. Wenn man darüber nachdenkt, ist es einfach überwältigend: Vegetarier tun so viele gute Dinge auf einmal – für die Umwelt, gegen Welthunger und Grausamkeit.“

Aus der Opern- und Klassikwelt ist mir analog kein vergleichbares Vorbild bekannt, weder unter den Künstlern noch unter Kolleginnen und Kollegen. Im Gegenteil, auf Presselunches, Premieren- und Festivalempfängen bin ich meistens leider die einzige Vegetarierin.

Schon seit vielen Jahren ernähre ich mich rein pflanzlich. In meinem Elternhaus hatten wir seit meiner Kindheit Katzen und irgendwann fragte ich mich, warum wir die streicheln, Schweine, Rinder, Hühner und Schafe aber essen und unfassbarem Leid aussetzen. Meine Eltern dachten über unsere Widersprüche genauso und so änderten wir allesamt unsere Essgewohnheiten.

Meine Liebe zu den Tieren ist es denn auch, die außer der klassischen Musik und dem Kino mein Leben ausfüllt. Ich demonstriere beim Animal Rights March mit, beteilige mich, so es meine Zeit zulässt, an Mahnwachen und unterstütze zahlreiche Organisationen mit Tier-Patenschaften und Spenden.

Und natürlich lese ich die unlängst erschienenen Memoiren Tränen des Kampfes von Brigitte Bardot, die ich kaum lesen kann, ohne selbst den Tränen nahe zu sein. Ich muss zugeben, ihre Filme, denen die Französin selbst keine Bedeutung beimisst, haben bei mir keinen allzu bleibenden Eindruck hinterlassen, aber ihre rührende, selbstlose Liebe für die Tiere machen sie zu meiner vielleicht größten Seelenschwester.

Allein schon ihr unermüdlicher Kampf gegen die Robbenmassaker in Kanada muss unglaublich viel Kraft erfordert haben, wenn ich mir allein vorstelle, wie es an einem zehren muss, mit so viel Leid direkt konfrontiert zu werden. Dafür bewundere ich sie.

Aber nun will ich so kurz vor Weihnachten gar nicht so viele traurige Geschichten erzählen, wenngleich ich mich freuen würde, den einen oder anderen unter Ihnen dazu zu bewegen, an Weihnachten auf Gänsekeule, Ente oder Karpfen zu verzichten. Vielmehr möchte ich zum Fest ein paar schöne Anekdoten von tierlieben Opernstars und Musikern erzählen.

Ich beginne mit Maria Callas, die ihren Pudel Toy überall hin mitnahm, er durfte auf Reisen sogar in der Flugzeugkabine Platz nehmen. Vermutlich gab es da für die Primadonna Assoluta Ausnahmekonditionen, denn leider dürfen in die Kabine gewöhnlich nur ganz kleine Hunde im Katzenformat, was einer der Gründe ist, warum ich als Vielreisende darauf verzichte, einen Hund zu halten. Ich würde es einfach nicht fertig bringen, ihn wie Gepäckstücke verladen zu lassen und finde das völlig falsch, Lebewesen so zu behandeln. Schon oft habe ich Hunde, die an Flughäfen in großen Boxen aufgegeben wurden, vor Angst zittern gesehen, das setzt mir stark zu.

Eine andere große Hundefreundin war die Schweizer Sopranistin Lisa della Casa, auf der Opernbühne vor allem als Arabella in Erinnerung. In einem 1958 aufgezeichneten musikalischen Selbstporträt des NDR erinnerte sie sich, wie sie und ihr serbischer Ehemann Dragan Debeljevic sich als Nachbarn in einem Züricher Mietshaus auf wundersame Weise kennenlernten: „Er besaß eine Setter-Hündin und ich einen Setter-Rüden. Diese zwei Hunde haben sich also zuerst beschnuppert und durch die Hunde kamen wir ins Gespräch. Daraus ist nach und nach unsere Ehe entstanden.“ Besonders sympathisch finde ich, dass Lisa della Casa und ihr Mann, wie sie weiter erzählt, nirgendwo hingingen, wo ihre Hunde nicht willkommen waren.

Eine persönliche Begegnung mit einer tierlieben Opernsängerin hatte ich mit Catarina Ligendza, meiner Lieblings-Isolde in Wagners Tristan. Wir freundeten uns nach einem von mir moderierten Künstlergespräch in der Deutschen Oper Berlin an, zu dem ich sie trotz einiger Scheu überreden konnte. In ihrem Haus in der Nähe von Nürnberg, durfte ich sie auf ihre Einladung einmal besuchen.

Es wurde nicht nur zu einer meiner schönsten und unvergesslichsten Begegnungen, weil wir ein ganzes Wochenende zusammen verlebten, Catarina und ihr Mann Peter mir das Du anboten und eigens für mich vegetarisch kochten, sondern auch, weil ich mit in den Reitstall – und Catarinas herrliches Pferd Zara kennenlernen durfte. Catarina hatte ein bisschen Bedenken, weil Zara auf andere Besucher weniger positiv reagiert hatte. Aber es war wie fast immer, wenn ich einem Tier, gleich welcher Art, gegenüberstehe: Ich empfand sofort tiefe Zuneigung, die sich unwillkürlich vermittelt haben muss. Jedenfalls durfte ich ganz nahe kommen und Zara streicheln. Eine ganz aufgeregte Catarina berichtete kurz darauf ihrem Peter: „Stell dir vor, die Kirsten und die Zara standen Kopf an Kopf.“

Das ungewöhnlich schöne Buch einer großen Tierfreundin legte die französische Pianistin Hélène Grimaud mit ihrer Autobiografie Wolfssonate vor. Darin schildert sie, wie sie über die Begegnung mit einer Wölfin in den USA ihre Faszination für diese Tiere entdeckte und 1997 das „Wolf Conservation Center“ zum Schutz der Wölfe gründete.

Sehr bewegend schildert die Autorin ihre emotionalen Beziehungen mit den vierbeinigen Freunden, zu denen sie nachts ins Gehege geht, um ihre Partituren zu studieren: „Nach ein paar Minuten der Unruhe beruhigen sich die Wölfe und umringen mich; sie legen sich um mich herum, in stets harmonischen Choreographien und mit einer solchen Eleganz, dass man sie für inszeniert halten könnte. Dann kann ich anfangen, im Kopf meine Partituren durchzuarbeiten.“

Meine letzte schöne Anekdote steuert Sergiu Celibidache bei, aufgezeichnet von seiner Frau Ioana Celebidachi in dem hinreißenden Büchlein „Sergiu, einmal anders“. Die undatierte Episode ereignete sich in Venedig.

Den Maestro dauerten auf dem Markt die Auslagen eines Fisch-Händlers. Krabben, Langusten und Hummer zappelten um ihr Leben. Beim Gedanken an ihr grausames Ende bei lebendigem Leibe in einem Kochtopf ersuchte Sergiu den Fischer, ihm seine gesamte „Ware“ zu verkaufen. „Alles?“ fragte der Verkäufer. „Alles, alles!“ bestätigte Sergiu lächelnd. -„Willst du das alles heute essen?“

Ohne Kommentar nahm Sergiu das Gefäß und seine Insassen in Empfang, eilte auf eine Brücke und warf, außer sich vor Freude, alles in die Lagune und rief dazu „Es lebe die Freiheit!“

Kirsten Liese, Berlin, 19. Dezember 2019, für
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© Kirsten Liese

Die gebürtige Berlinerin Kirsten Liese (Jahrgang 1964) entdeckte ihre Liebe zur Oper im Alter von acht Jahren. In der damals noch geteilten Stadt war sie drei bis vier Mal pro Woche in der Deutschen Oper Berlin — die Da Ponte Opern Mozarts sowie die Musikdramen von Richard Strauss und Richard Wagner hatten es ihr besonders angetan. Weitere Lieblingskomponisten sind Bruckner, Beethoven, Brahms, Schubert und Verdi. Ihre Lieblingsopern wurden „Der Rosenkavalier“, „Die Meistersinger von Nürnberg“, „Tristan und Isolde“ und „Le nozze di Figaro“. Unvergessen ist zudem eine „Don Carlos“-Aufführung 1976 in Salzburg unter Herbert von Karajan mit Freni, Ghiaurov, Cossotto und Carreras. Später studierte sie Schulmusik und Germanistik und hospitierte in zahlreichen Radioredaktionen. Seit 1994 arbeitet sie freiberuflich als Opern-, Konzert- und Filmkritikerin für zahlreiche Hörfunk-Programme der ARD sowie Zeitungen und Zeitschriften wie „Das Orchester“, „Orpheus“, das „Ray Filmmagazin“ oder den Kölner Stadtanzeiger. Zahlreiche Berichte und auch Jurytätigkeiten führen Kirsten zunehmend ins Ausland (Osterfestspiele Salzburg, Salzburger Festspiele, Bayreuther Festspiele, Ravenna Festival, Luzern Festival, Riccardo Mutis Opernakademie in Ravenna, Mailänder Scala, Wiener Staatsoper). Als Journalistin konnte sie mit zahlreichen Sängergrößen und berühmten Dirigenten in teils sehr persönlichen, freundschaftlichen Gesprächen begegnen, darunter Dietrich Fischer-Dieskau, Elisabeth Schwarzkopf, Mirella Freni, Christa Ludwig, Catarina Ligendza, Sena Jurinac, Gundula Janowitz,  Edda Moser, Dame Gwyneth Jones, Christian Thielemann, Riccardo Muti, Piotr Beczala, Diana Damrau und Sonya Yoncheva. Kirstens Leuchttürme sind Wilhelm Furtwängler, Sergiu Celibidache, Riccardo Muti und Christian Thielemann. Kirsten ist seit 2018 Autorin für klassik-begeistert.de .

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