Martha Argerich, Konzerthaus Wien © Andrea Humer
Maurice Ravel: Konzert für Klavier und Orchester in G-Dur
Anton Bruckner: Symphonie Nr. 7 in E-Dur
Martha Argerich, Klavier
Wiener Philharmoniker
Zubin Mehta, Dirigent
Konzerthaus Wien, Großer Saal, 20. März 2024
von Herbert Hiess
Der indische Dirigent Zubin Mehta wird am 29. April 88 Jahre alt; er ist ein weltweit gefragter und umtriebiger Musiker. Der ehemalige Kontrabassist Mehta war zur gleichen Zeit Student bei Hans Swarowsky in Wien und auch Studienkollege von Claudio Abbado.
Er ist weniger durch extrem tiefgehende Interpretationen aufgefallen; irgendwie hat man ihn eher als „Event-Dirigent“ oder „Show-Dirigenten“ gesehen. Technisch ist er perfekt; hat eine phantastische Schlagtechnik und ist musikalisch auf der ganzen Welt zu Hause.
Und jetzt – im hohen Alter – konnte man in Wien eine der bewegendsten Interpretationen von Bruckners 7. Symphonie hören. Mehta, der sich zu Fuß leider nur mehr sehr schleppend fortbewegen kann, erwacht am Podium zu neuem Leben. Gemeinsam mit den unvergleichlichen Wiener Philharmonikern ließ er die Symphonie mit vielen Ecken und Kanten erklingen. Zeitweise erinnerte es mit der angenehmen Form von Aggressivität an Herbert von Karajans letztem Konzert 1989 in Wien. Und trotz des forschen Klanges ließ er alle großen Bögen wunderbar erklingen; vor allem im Adagio mit den großartigen Wagnertuben, die von den Hornisten gespielt werden. Das steuerte der Maestro alles sitzend durch minimalistische Bewegungen. Ein begeisterungswürdiges Erlebnis.
Ebenso hinreißend war zuvor der Auftritt von der argentinisch-schweizerischen Pianistin Martha Argerich, die übrigens auch in Wien studierte (bei Friedrich Gulda). Die bald 83-jährige Grande Dame des Pianos spielte mit dem Ravel Konzert in G eines ihrer Leib- und Lebenstücke; sie hat es oft mit Charles Dutoit gespielt, mit dem sie einmal verheiratet war.
Nach dem Schlag des Fouets (Peitsche, Rute) wirbelte die geniale Dame durch die mehr als schwierige Partitur mit der grandiosen Begleitung der Wiener Philharmoniker (herausragend das Harfensolo im ersten Satz). Danach kam der „Hauptteil“ des Konzerts, nämlich das Adagio assai, wo Frau Argerich gemeinsam mit dem Orchester eine Traumstimmung der besonderen Art schaffte. Und dazu noch das unglaubliche Englischhornsolo, das mit der Pianistin eine gefährliche Attacke auf die Tränendrüsen vollführte.
Danach das Presto in Rondoform, wo die Pianistin wieder voll ihre Virtuosität ausspielen konnte. Natürlich war das nicht genug – den brandenden Jubel dankte sie mit der Wiederholung des Prestos und danach noch mit Gavottes aus Johann Sebastian Bachs Englischer Suite Nr. 3 in g-moll. Endlich eine Bach-Interpretation, die nicht nur „linear“ gespielt wurde, sondern mit voller musikalischer Emphase.
Insgesamt ein großartiges Konzert, das man sich noch lange merken wird!
Herbert Hiess, 21. März 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
J.S. Bach, Matthäuspassion, BWV 244 Wiener Konzerthaus und Musikverein Wien, 17. März 2024
Johann Sebastian Bach, Matthäus-Passion Wiener Konzerthaus, 17. März 2024
Zubin Mehtas Auftritte und Interviews, zuletzt eben in Wien für den ORF, erinnern mich an die Jahre von Otto Klemperer.
Frikra