Festivalintendant Christoph Müller in Gstaad.
Foto: © Gstaad Menuhin Festival & Academy
Auch wenn die Corona-Pandemie weiterhin unseren Alltag prägt und bei den Opern- und Konzerthäusern zur Zeit die Türen zu sind, darf man sich doch vorsichtig wieder auf schöne Konzert-Erlebnisse freuen. So hat jetzt der künstlerische Direktor des Gstaad Menuhin Festivals Christoph Müller einen Ausblick auf das diesjährige Programm des schweizerischen Festivals gegeben und es sich dabei nicht nehmen lassen, seinen persönlichen Geheimtipp zu verraten.
von Leon Battran
Vor den Berggipfeln des Saanenlandes, die dem Gstaad Menuhin Festival als malerische Kulisse dienen, scheinen sich jegliche Widersprüche einfach aufzulösen. Mittlerweile lockt der Konzertsommer rund 25000 Musikinteressierte ins Berner Oberland. Dann mischen sich Glanz und Glamour mit ländlichem Idyll, treffen Klassikkenner auf Sommertouristen, während die internationale musikalische Prominenz in der Dorfkirche gastiert. Eine Ausnahme war das Jahr 2020, in dem auch das Gstaad Menuhin Festival neben so vielen anderen weitestgehend auf einen Konzertbetrieb verzichten musste.
Festivalintendant Christoph Müller ist bestrebt, der Krise trotzdem etwas Positives abzugewinnen: In der gegenwärtigen Situation werde einem wieder bewusst, was sonst selbstverständlich und alltäglich war. Anderen Menschen zu begegnen, sich auszutauschen, das gemeinsame Musikerleben im Konzert, all das lernten wir nun wieder umso mehr zu schätzen. Im Hinblick auf 2021 gibt sich der Kulturmanager optimistisch und blickt mit Vorfreude auf den Sommer, in dem er die von vielen schmerzlich vermissten Livekonzerte wieder ermöglichen möchte.
Vieles hat sich getan, seit die Geschichte des Festivals 1957 mit einer spontanen Idee des Geigenvirtuosen und Musikförderers Yehudi Menuhin ihren Anfang nahm. Heute wird nicht nur die gesamte Feriensaison von Mitte Juli bis Anfang September bespielt, im Geiste seines Gründers und Namensgebers schreibt sich das Menuhin-Festival auch die Musikvermittlung in Form von öffentlichen Meisterkursen und Entdeckungsprogrammen für Kinder, Jugendliche und Familien auf die Flagge.
Very British
Das Festivalprogramm dreht sich in diesem Jahr um die Stadt London – hier fand Yehudi Menuhin zu seiner musikalischen Identität – und ihre immense musikalische Vielfalt. „Den gesamten Reichtum der Musikstadt in einer Edition von Gstaad Menuhin Festival & Academy abzubilden, wäre ein Ding der Unmöglichkeit“, so Christoph Müller, „aber viele Funken dieser Weltstadt der Musik springen im Sommer 2021 nach Gstaad über.“
Geplant ist ein engagiertes und vielfältiges Festivalprogramm, bei dem vom Barock bis zur Moderne, vom Recital bis zum Sinfoniekonzert von allem etwas dabei ist. Besonders präsent ist dabei das britische Flair in Gestalt von Komponisten wie Purcell, Händel, Elgar oder Britten und man begegnet Shakespeare, der Queen, Elton John, Sting und sogar James Bond. Haydns Londoner Sinfonien erklingen, außerdem spielen Valery Gergiev und das Orchester des Mariinski-Theaters Mendelssohns „Schottische“. Lisette Oropesa und Erwin Schrott sind in einer halbszenischen Aufführung von Bellinis „I Puritani“ zu erleben. Typisch britische A-capella-Ensembles wie die King’s Singers, Tenebrae und Voces8 dürfen in der London-Edition des Festivals auch nicht fehlen.
Zur internationalen Klassik-Spitze, die sich in Gstaad die Ehre gibt, gehören in diesem Jahr zudem der Geiger und Menuhin-Schüler Daniel Hope, die Cellistin Sol Gabetta, die Pianistinnen Maria João Pires und Khatia Buniatishvili sowie die Opernsänger Anne Sofie von Otter, Thomas Hampson und Juan Diego Flórez. Auch die Jazzlegende Chick Corea feiert ihren 80. Geburtstag im Festivalzelt.
Gleichzeitig wird aber auch vielversprechenden jungen musikalischen Talenten und aufstrebenden Nachwuchskünstlerinnen eine Bühne geboten. Und natürlich gibt es die ganz unaufgeregten, intimen Konzerte, die das Festival ausmachen wie mit dem Belcea-Quartett, das einen Kammermusikabend in der Kirche Rougemont spielt. Christoph Müller freut sich besonders auf einen Klavierabend mit der erst 22 Jahre alten frankoalbanischen Pianistin Marie-Ange Nguci, die ihn jüngst bei einen Konzert derart verzaubert hat, dass er sie prompt nach Gstaad einlud.
Wenn auch die Vorfreude auf Livemusik und ein buntes Festivalprogramm die Corona-Pandemie fast schon vergessen machen, so erscheint doch selbstverständlich, dass ein solches Festival nicht ohne Schutzvorkehrungen auskommen kann. Die Kirchen sollen daher nur etwa zur Hälfte besetzt werden und auch die Zuschaueranzahl im Festivalzelt wird entsprechend reduziert.
Tickets für die Veranstaltungen des Festivals können bereits bestellt werden. Darüber hinaus steht die festivaleigene Streamingplattform allen Interessierten zur Verfügung.
Leon Battran, 3. Februar 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Gstaad Festival Orchestra, Seong-Jin Cho, Manfred Honeck, Christoph Müller, Basel, 13. Februar 2020
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