Mal wieder Murks in Hamburg

Der Saisoneröffnungsapplaus in HH verebbte nach 2 Minuten. In Wien nach 20 Minuten.

"Molto agitato –  Saisoneröffnung unter Pandemiebedingungen"
So schreibt der Klassik-Blogger bei ioco.de:

„Regiedebut von Frank Castorf im Haus am Dammtor
Eine in Gewaltobsessionen badende Reise durch die Musikgeschichte.“

Foto: Monika Rittershaus (c)

Ich habe noch nie eine Saisoneröffnung eines großen Opernhauses erlebt, die mich so bedrückt und niedergeschlagen hat. Gesang, Inszenierung, Dramaturgie: alles Stückwerk und Mittelmaß. Bonjours tristesse, Hambourg! Deprimierend und peinlich. Zahlreiche Patzer. So macht Oper keine Freude. Ich kann einen Besuch nicht empfehlen.

Das Debakel war vorhersehbar:

 

Staatsoper Hamburg, Der neue Spielplan ist ein Armutszeugnis Staatsoper Hamburg

So schrieb  klassik-begeistert.de bereits am 8. August 2020:

„Lustlos, elanlos, mehr als sparsam und ausgedünnt“
(Klassik-Blogger Patrik Klein)

„Ein Opernhaus wie das am HH-Gänsemarkt sollte einen prall gefüllten Spielplan haben, der mit Neuem, Vertrauten, Schönem, Glänzendem und Verstörendem, Aufrüttelndem aufwartet – würde ich mir wünschen.“(Burkhard Egdorf)

Wer das Programm der Staatsoper Hamburg mit den Programmen der Häuser in Berlin, München, Wien und Mailand vergleicht, dem kommen die Tränen. Bonjour tristesse, Hambourg! Bitte, liebe LeserInnen von klassik-begeistert.de, schauen Sie unbedingt einmal in die Spielpläne dieser großen Häuser… Wo möchten Sie Ihre Opernabende verbringen? An der Dammtorstraße oder im Haus am Ring in Wien? Was wollen Sie hören und sehen? „Aida“, „La Traviata“, „La Bohème“, „La fille du régiment“, „Carmen“, „Macbeth“, „Die Walküre“ wie an den Weltklassehäusern? Oder lieber „molto agitato“ nach Kurt Weill und „Pierrot lunaire“ von Arnold Schönberg in HH?

Großes Entsetzen herrscht unter der Mehrzahl der (noch verbliebenen) Fans der Staatsoper Hamburg. Nie war der Programmplan für das Opernhaus der zweitgrößten deutschen Stadt so trist, so fad und so trostlos wie jener, den die Führungsriege unter Intendant Georges Delnon am Freitag präsentierte. Schon vor Veröffentlichung dieses Artikels erreichten klassik-begeistert.de zahlreiche Wut-Emails und Wut-Whatsapps, die unisono Unverständnis für den Hamburger Opernauftakt ausdrücken.

Mit diesem Programm, das viel Unbekanntes und Neues präsentiert und einen Bogen um „richtige Operngassenhauer“ macht, dürfte das Haus an der Dammtorstraße wieder einmal mittelfristig Schiffbruch erleiden und nur ganz wenige Opernherzen höher schlagen lassen. Schon der letzte Saisonauftakt war mit der Insider-Oper „Die Nase“ von Dmitri Schostakowitsch vollkommen daneben gegangen – zudem war das Werk noch musikalisch schludrig und unterprobt dargeboten worden. Geringe Besucherzahlen und viele frustrierte Zuschauer waren das Ergebnis – nur ein Kritiker einer rapide an Bedeutung verlierenden Hamburger Tageszeitung jubelte, obgleich Dutzende Zuschauer bei der Premiere den Saal verlassen hatten.

In Wien, mit 1,8 Millionen Einwohnern gleich groß wie Hamburg, eröffnet der neue Direktor mit „Madame Butterfly“. Und der Staatssender ORF überträgt! Das neue Eröffnungsprogramm in HH ist eine peinliche Kopfgeburt – ein Programm für Minderheiten. Und niemand überträgt. Stadtgespräch ist so etwas Depressives und Destruktives eh nicht. In Wien ja.

Der Saisoneröffnungsapplaus in HH verebbte nach 2 Minuten. In Wien nach 20 Minuten.

Andreas Schmidt, 8. September 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

 

 

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