© Wolf-Dieter Grabner, Goldener Saal, Musikverein Wien
Thierry Escaich: „Au-delà du rêve“ Konzert für Violine und Orchester Nr. 2
Anton Bruckner: Symphonie Nr. 4 Es-Dur „Romantische“
Renaud Capuçon, Violine
Münchner Philharmoniker
Dirigent: Daniel Harding
Wiener Musikverein, 13. April 2024
+++
Johannes Brahms: Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 in d-moll op. 15
Johannes Brahms: Symphonie Nr. 2 in D-Dur op. 73
Igor Levit, Klavier
Wiener Philharmoniker
Dirigent: Christian Thielemann
Wiener Musikverein, 14. April 2024
von Herbert Hiess
Nicht nur meterorologisch außergewöhnlich heiß war dieses Aprilwochenende in Wien; kulturell und konzertmäßig außergewöhnlich war es im Wiener Musikverein.
Im Abstand von etwas mehr als 13 Stunden konnte man zuerst die Münchner Philharmoniker und dann am Sonntag Vormittag die Wiener Philharmoniker erleben.
Samstag Abend war Daniel Harding der Leiter der Münchner Philharmoniker; natürlich mit dem Jahresregenten Anton Bruckner als Komponist des Hauptwerkes des Konzertes; nämlich seiner „Romantischen“.
Harding ist ein exzellenter Dirigent, was er bei diesem Konzert wieder bewies. Bei Bruckners Vierter sind da die Vorgaben allerdings sehr hoch. Es ist zwar schon lange her, dass man dieses Werk mit diesem Orchester im gleichen Haus unter Sergiu Celibidache erleben konnte – das hat sich bis heute unwiderruflich ins Gedächtnis eingebrannt. So eine Spannung und Intensität (vor allem bei der Coda im Finalsatz) wird es wahrscheinlich nie wieder geben. Und diese Symphonie ist wahrlich nicht das größte Werk des oberösterreichischen Jubilars. Immer wieder gibt es Stellen (vor allem im zweiten Satz), die leicht langatmig werden können. Aber Harding und die Münchner haben ihre Sache toll gemacht; vor allem in diesem marschmäßigen zweiten Satz. Nur dieses Celibidache-Ereignis von damals ist halt uneinholbar.
Das Orchester war großartig disponiert. So haben die Münchner einen Solohornisten, um den sie viele Ensembles beneiden können. Unglaublich, mit welcher Klangschönheit und Souveränität der Mann dieses schwierigste Hornsolo der Konzertliteratur spielte. Ebenbürtig auch die anderen Musiker; vielleicht hätte man sich vom Paukisten mehr „Schlagkräftigkeit“ gewünscht.
Zuvor gab es das dem Geiger Renaud Capuçon gewidmete 2. Violinkonzert des französischen Komponisten und Organisten Thierry Escaich. Das Werk, das ungefähr als „Über den Traum hinaus“ heißt, war eine perfekt instrumentierte Komposition, die vor allem vom Schlagwerk dominiert wurde. Xylophon, Marimbaphon etc. zauberten gemeinsam mit dem großen Orchester viele Klangfarben. Das Werk begann mit einem Kontrabassostinato, das der Solist mit Akkordzerlegungen fast wie bei einer schottischen Volksweise zu einem Motiv zauberte.
Interessant war das Werk allemal; nur leider verloren sich die interessanten Effekte mit der Zeit – eine Struktur war nur schwer auszunehmen. Schade darum, denn Widmungsträger Renaud Capuçon brillierte mit traumhaften Klängen und seiner Virtuosität. Und das Konzert war dann auch so dicht instrumentiert, dass man ihn oftmals gar nicht hörte. Bedauerlich – der Geiger wäre es allemal wert gewesen, ihn genau zu hören.
Der orchestrale Olymp wurde fast erwartungsgemäß Tags darauf mit den Wiener Philharmonikern unter Christian Thielemann erreicht. Der Favorit des Meisterorchesters demonstrierte hier wieder eine Lehrstunde in Sachen Brahms.
Zu Beginn spielten die Philharmoniker und der exzellente Pianist Igor Levit Brahms berühmtes erstes Klavierkonzert. Schon vor Beginn war man verwundert über die mittlere Streicherbesetzung, da man normalerweise mit einer großen spielt; also sechs statt acht Kontrabässe und entsprechend die anderen Streicher. Noch mehr erstaunt war man über den Beginnakkord, wo normalerweise die Pauken explodieren. Hier klang es nach etwas mehr als Mezzoforte; von einer solchen Wucht, die man beispielsweise damals vom Paukisten Horst Berger unter Leonard Bernstein hörte, konnte man nur träumen.
Als dann Levit zum Spielen begann, wurde es klar. Der Pianist (und der Dirigent?) bevorzugten eine Art von „verhaltenen, romantischen Ansatz“.
Ein richtig kraftvolles Zupacken, das man sich bei diesem Werk erwartet hätte, vermisste man. Dafür waren aber die sanften, elegischen Pianostellen (vor allem im zweiten Satz) unvergleichlich. Und eine so austarierte und ausgewogene Orchesterbegleitung, wo die einzelnen Stimmen noch so traumhaft abgestuft sind, kann man nur von den Wienern und von Thielemann hören.
Herbert Hiess, 15. April 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Kommentar zur Spielpräsentation 2024/25 im Wiener Musikverein Wiener Musikverein, 19. März 2024
J.S. Bach, Matthäuspassion, BWV 244 Wiener Konzerthaus und Musikverein Wien, 17. März 2024