Ein gelungenes Finale zum 15-jährigen Jubiläum von Grafenegg – mögen noch viele solche Jahre folgen!
Grafenegg Festival 2021
Konzert am 3. September 2021 im Wolkenturm, Grafenegg
Dmitri Schostakowitsch: Konzert für Violoncello und Orchester Nr. 1 in Es-Dur, op. 107
Johannes Brahms: Symphonie Nr. 1 in c-moll op. 68
Münchner Philharmoniker
Valery Gergiev, Dirigent
von Herbert Hiess
Das Grafenegg-Festival 2021 ging mit einem Block von vier hervorragenden Konzerten zu Ende, wo neben Herbert Blomstedt mit den Wienern auch zweimal Valery Gergiev mit seinen Münchnern und das Orchester der Mailänder Scala mit Orozco-Estrada auftraten.
Gergiev II mit Tschaikowsky und Bruckner und Orozco-Estrada mit Strauss und Brahms waren ausgezeichnet; wenn auch nicht überbordend. Gergiev war bei diesem Programm zwar wie immer klar strukturiert und mit dem großartigen Geiger Leonidas Kavakos wurde ein prächtiges Tschaikowsky Violinkonzert dargeboten. Leider war der Bruckner nicht so exzellent, wie man es von Gergiev gewohnt ist. Ähnlich war es bei Orozco-Estrada. Das Orchester war ganz exzellent – und das in jeder Instrumentengruppe. Bei Richard Strauss’ Opus „Vier letzte Lieder“ sang Renée Fleming leider relativ wortundeutlich und ließ ihr sonst wunderschöne Stimmkultur etwas vermissen. Und auch Orozco-Estrada ließ bei Brahms 2. die Emotionen vermissen. Vor allem im zweiten Satz „Adagio non troppo“ war die als Feuer getarnte Hektik recht zu spüren. Schade, dass hier keine Emotionen zu spüren waren.
Neben Blomstedt war Gergiev I mit Schostakowitschs Cellokonzert und Brahms 1. ein regelrechtes Ereignis. Gergiev bewies, dass er bei Schostakowitsch heute unangefochten die Nummer 1 ist. Das sehr biographische Werk, das aus der Post-Stalin-Ära stammt, beginnt mit einem sehr bewegten Satz mit verschobenen Rhythmen; eine Sonderrolle nehmen hier Pauke und Horn ein – beide ganz großartig gespielt.
Gelebt hat das Cellokonzert natürlich von dem superben Cellisten Gautier Capuçon, der übrigens an diesem Tag seinen 40. Geburtstag feierte. Der Cellist konnte das Publikum mit einem wunderschönen Klang verzaubern und er spielte das hochkomplexe und extrem schwierige Konzert mit einer Souveränität, die ihresgleichen sucht – vor allem der dritte Satz „Cadenza“ (komplett solo) war von unvergleichlicher Schönheit.
Nach dem Konzert gratulierten ihm das Orchester und das Publikum mit einem „Happy Birthday“; er bedankte sich mit einem traumhaft gespielten Prélude von Schostakowitsch für vier Celli und seinem Solocello. Sehr denkwürdig!
Die Brahms 1. wurden von Orchester und Dirigent mit unvergleichlicher Wucht, Präzision in einen veritablen Klangrausch verwandelt. Toll, wie bei Gergiev jede Temporückung, jede Klangänderung sozusagen „auf den Punkt“ gebracht wird. Die Steigerungen reißen einen fast vom Sessel. Der Finalsatz mit der berühmten (Alp-)Hornstelle war mehr als einprägsam. Schon allein damit hätte sich der Solohornist einen Sonderapplaus verdient.
Und die Coda vom Finalsatz war ein Klangerlebnis pur. Hier zeigte sich die volle Stärke des Orchesters. Und großartig, wie Gergiev es versteht, das Niveau selbst von Spitzenorchestern nicht nur zu halten, sondern sogar zu steigern.
Ein gelungenes Finale zum 15-jährigen Jubiläum von Grafenegg – mögen noch viele solche Jahre folgen!
Herbert Hiess, 6. September 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at