Mit Kammermusik der etwas anderen Art sorgt ein Trio mit Mandolinist Avi Avital für ausgelassene Stimmung im altehrwürdigen Bremer Rathaussaal 

Musikfest Bremen: „Mediterrane Klangzaubereien“  Obere Rathaushalle Bremen, 27. August 2024

MFB 2024 Avi Avital, Omer Klein, Ismail Lumanovski © Patric Leo

Musikfest Bremen: „Mediterrane Klangzaubereien“

Freie Arrangements u.a. von Eigenkompositionen sowie israelischen Liedern

Avi Avital  Mandoline
Omer Klein  Klavier
Ismail Lumanovski  Klarinette

Obere Rathaushalle Bremen, 27. August 2024

von Dr. Gerd Klingeberg

Klavier und Mandoline starten ruhig und besinnlich; mit leicht orientalisch eingefärbter Harmonik. Die Klarinette gesellt sich dazu. Das mehrfach wiederholte, variierend vorgetragene  Motiv wird eindringlicher, lauter, jazziger. Eine heftige Eruption führt zurück zum Eingangsthema mit fettem Schlussakkord. „Zamzama“ (von Omer Avital) heißt das Stück – was indes wenig aussagt.

Und wenn Mandolinist Avi Avital kurz darauf (mit Hinweis auf eine fehlende Programmabfolge für die Besucher) mit breitem Lächeln anmerkt, dass das Trio ebenfalls kein Programm habe, dann ist gewiss nicht gemeint, dass das erstmalig in dieser Zusammensetzung on stage agierende Ensemble ohne jegliches Konzept arbeiten würde. Titel seien eher unbedeutend; weit mehr geht es um das, was die Musik zu vermitteln hat.

Und das sind ungezählte Eindrücke „mediterraner Klangzaubereien“, eine Melange unterschiedlichster Genres aus den Gebieten rund um das Mittelmeer, von den musikgeschichtlichen Anfängen bis in die Gegenwart reichend, kurz: eine Kammermusik der etwas anderen Art und mit ungewohnter Besetzung.

Da verwundert es nicht, wenn die Komposition „Niggun“ (von Omer Klein) eingangs an ein klassisches Nocturne erinnert, dann urplötzlich ausgelassen balkan-folkloristisch daherkommt, mit keckernden, kieksenden, juchzenden Klarinettenparts. Armenisches mischt sich mit türkischen Einflüssen, israelische Klänge mit arabischem Flair, italienisch Serenadenhaftes mit traditioneller bulgarischer Musik, Klassisches mit Jazz. Man muss nichts analysieren, darf einfach mitgehen mit den teils ungemein rasanten Stücken, die immer wieder auch stimmungsvolle Wehmutsmelodien enthalten, mitunter gar Anleihen aus Bach-Komposition aufzuweisen scheinen.

Ismail Lumanovski (© Alena Soboleva)| Avi Avital (© Christoph Koestlin)| Omer Klein (© Yvonne Schmedemann)

Bei der Aufführung sorgt der überaus vielseitig gestaltete Klavierpart von Omer Klein vorwiegend für die perfekte Grundstruktur. Avi Avital, ebenfalls ein israelischer Ausnahmemusiker, einer, der maßgeblich die bisweilen eher als Zupfgeigenhansel- oder Wandervogelinstrument eingeschätzte Mandoline mit seinem stilistisch breit gefächerten Repertoire konzertsaalfähig gemacht hat, bringt sein Instrument sowohl melodisch tremolierend als auch mit rhythmisch geschlagenen Akkorden kunstvoll ein.

Der in Nordmazedonien gebürtige, klassisch ausgebildete Ismail Lumanovski, der erstmalig mit Avital und Klein auftritt, erweist sich als in allen Stil- und Spielarten virtuos agierender Klarinettist.

Die bluesige Ballade „Lonely Girl“ (von Omer Avital) vermittelt anrührend schlichte, melodiös-melancholische Momente von großer Bildhaftigkeit; die Mandoline erklingt zunächst glitzernd zart, weitere Strophen verbreiten eine zunehmend dichtere, lauter werdende Atmosphäre, dann ein Zurück zum versonnenen Eingangspart, ein letztes Aufbäumen, aus. Gleich darauf lässt „Krivo Horo“ (bulgarisch) die Zuhörer teilhaben an einem humorvoll dargebotenen, immer rasanter, immer ungestümer werdenden kapriolischen Wettstreit zwischen Mandoline und Klarinette. Letztere scheint dabei zeitweise vorn zu rangieren, doch am Ende gibt es ein mehr oder weniger eindeutiges Remis.

Rathaus Bremen Ort © Patric Leo

Geradezu rockig hart und ungezähmt wummert Lumanovskis Eigenkomposition „Balkanliente“. Dagegen bringt Avital mit seinem „Avi’s Song“ melodisch Swingendes mit stark rhythmischer Betonung, mit kurzen turbulenten Einwürfen und einem amüsanten Dialog zwischen Klavier und Mandoline.

Viel zu schnell ist die stimmungsvolle mediterrane Reise beendet; neunzig Minuten am Stück reizvolle Musik unterschiedlichster Couleur, die auch eingefleischte Klassik-Fans begeistert mitgehen lässt, sind wie im Nu vorbei.

Nach frenetischem Jubel und Standing Ovations im voll besetzten altehrwürdigen Bremer Rathaussaal entlässt das derart gefeierte Trio die Zuhörer mit zwei wiederum mitreißend vorgetragenen Zugaben ins beginnende Abenddunkel.

Dr. Gerd Klingeberg, 28. August 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Nil Venditti, Dirigentin, Bridges-Kammerorchester Elbphilharmonie, 26. August 2024

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